Mittelständische Unternehmen in Südeuropa sind für exportorientierte Unternehmen in Deutschland oft attraktive Geschäfts­partner, da sie auf die Krise flexibler als viele Großkonzerne reagieren können. Ein Hemmnis bei größeren Importgeschäften ist für solche Betriebe oft die durch die Banken- und Staatsschuldenkrise in Südeuropa verursachte Kreditklemme. Gesamtpakete aus Warenlieferung und maßgeschneiderter Finanzierung können Abhilfe schaffen.

Von Dirk Oliver Haller, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Finetrading AG

Nicht nur in Deutschland gilt der Mittelstand als das Rückgrat der Wirtschaft. Auch andere Länder Europas verfügen – wenn auch nicht immer im gleichen Ausmaß wie Deutschland – über eine breit-gefächerte Landschaft an kleineren und mittelständischen Unternehmen. So arbeiten in Italien und Spanien rund 35% der Beschäftigten in Unternehmen mit einer Größe von zehn bis 250 Mitarbeitern, in Portugal sind es sogar 40%.

So unterschiedlich wie die mittelständische Branchenstruktur ist auch die Entwicklung in einzelnen Sektoren. Während insbesondere der Bausektor auf der Iberischen Halbinsel noch immer unter den Folgen der geplatzten Immobilienblase zu leiden hat, kann auch der Süden Europas mittelständisch strukturierte „Hidden Champions“ vorweisen, die in ihren Marktnischen eine führende Position behaupten können. Gerade solche Unternehmen sind für deutsche Exporteure attraktive Geschäftspartner. Da die Abwicklung der Geschäfte innerhalb der EU stattfindet, agieren Lieferant und Abnehmer innerhalb eines weitgehend harmonisierten Rechtsrahmens, so dass im Vergleich zu Exporten außerhalb der EU Aufwand und Risiko meist deutlich geringer sind.

Allerdings haben auch wirtschaftlich gesunde Unternehmen in den südeuropäischen Krisenstaaten mit widrigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Zwar gelang es vielen Unternehmen, die schwächelnde Inlandsnachfrage mit Zuwächsen im Exportgeschäft zu kompensieren. Beispiel Spanien: Dort ist der Anteil der kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Exportaktivitäten auf mittlerweile ein Viertel angestiegen. Doch der Knackpunkt liegt für viele Unternehmen nicht in einem Mangel an Nachfrage, sondern im erschwerten Zugang zu Finanzierungen.

Im Zuge der Krise mussten in den süd­europäischen Staaten viele Banken die bilanzielle Notbremse ziehen, um das eigene Überleben zu sichern. Kernstück solcher Maßnahmen ist stets eine Reduzierung des Kreditgeschäfts, um gleich­zeitig die Bilanz zu verkürzen, die Eigen­kapitalquote zu stabilisieren und die Ausfallrisiken zu senken. Damit verbunden ist in aller Regel auch eine deutliche Erhöhung der Kreditzinsen. Besonders hart davon betroffen sind Unternehmen, von denen in verstärktem Umfang Sicher­heiten eingefordert und höhere Risikoaufschläge beim Zins verlangt werden.

Die Folge: Während die Europäische Zen-tralbank (EZB) die Zinsen auf ihrem historischen Niedrigniveau hält, haben mittelständische Unternehmen im Süden Europas mit hohen Finanzierungskosten zu kämpfen. Für Kredite bis zu 1 Mio Euro zahlen italienische Firmen im Schnitt 4,5% Zinsen, spanische Unternehmen rund 4,9% und portugiesische Betriebe sogar fast 6,0%. Zum Vergleich: Bei deutschen Unternehmen liegt der Durchschnittszins für ähnliche Firmenkredite bei 3,0%.

Erschwerend kommt hinzu, dass in den europäischen Mittelmeerländern der Finanzierungsbedarf in Unternehmen tendenziell höher ist als im Norden, weil die marktüblichen Zahlungsziele länger sind. Auch hier zeigt die europäische Statistik ein gravierendes Nord-Süd-Gefälle. Deutsche Unternehmen gewähren ihren Kunden im Durchschnitt ein Zahlungsziel von 18 Tagen. Am anderen Ende der Skala befindet sich der Süden: In Spanien liegt das durchschnittliche Zahlungsziel bei 51 Tagen, in Italien bei 55 Tagen und in ­Griechenland sogar bei 65 Tagen. Zwar dürfte die europäische Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug, die eine Harmonisierung der Zahlungsziele innerhalb der EU anstrebt, in den kommenden Jahren für eine gewisse Abmilderung der Unterschiede sorgen. Doch aufgrund alteingesessener Geschäftsbeziehungen und der Treue zu Traditionen dürfte sich in der Praxis der Effekt in Grenzen halten.

Dies wirkt sich besonders stark auf Unternehmen aus, die Waren aus Mittel- und Nordeuropa importieren und diese an inländische Unternehmen weiterveräußern. Während die Lieferanten aus dem Norden ihre kürzeren Zahlungsziele durchsetzen wollen, bestehen die südländischen Kunden des Unternehmens auf traditionell großzügige Konditionen. Damit muss der im Süden ansässige Importeur bei seiner Finanzierungsplanung nicht nur den Zeitraum bis zum Weiterverkauf der eingeführten Waren, sondern auch noch die Differenz zwischen dem erhaltenen und dem gewährten Zahlungsziel einkalkulieren.

Die konkreten Folgen werden in einschlägigen Umfragen sichtbar. Jedes dritte ­mittelständische Unternehmen in Süd­eu-ropa – in Griechenland sogar jedes zweite – klagt über gravierende Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten. In Deutschland liegt die Quote hingegen je nach Unternehmensgröße nur bei 20% bis 25%. So manches Exportgeschäft mit südeuropäischen Kunden wird nicht deshalb vereitelt, weil die Nachfrage nicht hoch genug oder kein Ertragspotential erkennbar wäre, sondern weil die Finanzierung entweder überhaupt nicht oder nur zu nachteiligen Konditionen zustande kommt.

Vor diesem Hintergrund dürfte es für deutsche Unternehmen überlegenswert sein, bei Exportgeschäften mit mittelständischen Kunden in Südeuropa nicht nur die Ware, sondern gleichzeitig auch eine maßgeschneiderte Finanzierungslösung mit anzubieten. Hier kann Finetrading als bankenunabhängiges Instrument für die Exportfinanzierung Mehrwert für alle Beteiligten schaffen.

Beim Finetrading erfolgt die Finanzierung nicht über eine Bank, sondern über den Finetrader, der als Zwischenhändler in das Geschäft mit eintritt. Er erwirbt die Ware vom Lieferanten und veräußert sie im gleichen Zuge an den Abnehmer weiter. Als Finanzierungskomponente fungiert dabei das Zahlungsziel: Während die Rechnung des Verkäufers umgehend beglichen wird, erhält der Endabnehmer ein Zahlungsziel, das bis zu sechs Monate – bei Investitionsgütern sogar bis zu zwölf Monate – beträgt. Sicherheiten brauchen bei dieser Finanzierungsform nicht gestellt zu werden, so dass der Spielraum bei bereits bestehenden oder geplanten Bankfinanzierungen erhalten bleibt. Darüber hinaus bieten Finetrading-Finanzierungen ein hohes Maß an Flexibilität: Die Finanzierung einzelner Exportgeschäfte ist ebenso möglich wie das Einräumen einer Einkaufslinie, innerhalb derer der importierende Kunde seine Wareneinkäufe bedarfsgerecht finanzieren kann.

Speziell beim Export in die südeuropäischen Länder kommen sowohl für den Lieferanten wie auch für den Abnehmer weitere Vorteile hinzu. Weil der Lieferant den in Rechnung gestellten Betrag umgehend vom Finetrader erhält, braucht er das Ausfallrisiko der Forderung nicht in sein eigenes Finanzierungskonzept mit einzubeziehen – ein Pluspunkt, der auch in der Verhandlung mit der Hausbank zum Tragen kommen kann, wenn es um die Auftragsfinanzierung geht. Gerade bei Exporten nach Südeuropa neigen manche Banken dazu, Forderungen mit längeren Zahlungszielen von vornherein als besonders risikobehaftet einzustufen, auch wenn die individuelle Bonitätssituation des Kunden von hoher Qualität ist.

Der Kunde wiederum profitiert davon, dass er ein großzügiges Zahlungsziel ­nutzen kann. Damit kann er nicht nur die landestypischen Zahlungsfristen kompensieren, sondern im Idealfall auch den Zeitraum zwischen Import und Weiterverkauf zwischenfinanzieren. Das macht ihn unabhängig von seiner Hausbank, die unter Umständen aufgrund ihrer eigenen prekären Lage restriktive Anforderungen an die Kreditsicherheiten stellen und hohe Zinsen verlangen würde.

Kontakt: doh[at]dft-ag.de

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