Die Geschäftstätigkeit in fast allen Ländern und Sektoren dürfte langfristig beeinträchtigt bleiben, die Zahl der Insolvenzen voraussichtlich stark ansteigen. Exportierende Unternehmen sind deshalb gut beraten, die Bonität ihrer Kunden intensiv zu prüfen.

Die globale Rezession im Zuge der Coronakrise führt sowohl in Nordamerika als auch in Asien zu historischen Wachstumseinbrüchen und beeinträchtigt die Zahlungsfähigkeit in vielen Branchen. Es drohen höhere Ausfallrisiken für Exporteure.

Das Jahr 2020 dürfte als ein weiteres „Annus horribilis“ in die Chroniken der Weltgeschichte eingehen – auch in Bezug auf die Weltwirtschaft. Bereits im zweiten Quartal haben sich die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in den beiden bedeutendsten Volkswirtschaften, den USA und China, statistisch manifestiert: Die USA vermeldeten Ende Juli den größten Einbruch der Wirtschaftsleistung des Landes seit 1947: Um fast 10% ist die US-Ökonomie zwischen April und Juni geschrumpft. Auch in China hat sich das Wachstumsklima im Jahresverlauf erheblich eingetrübt: Im ersten Halbjahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt lediglich um 1,6%. Auch bei anhaltender wirtschaftlicher Erholung rechnen Experten für das Gesamtjahr lediglich mit einem BIP-Plus von 2% bis 3% – im Vergleich zu den 6,1% im Vorjahr ein erheblicher Einschnitt. Für ganz Asien sagte der IWF das erste Jahr ohne Wirtschaftswachstum seit 60 Jahren voraus.

Zyklische Branchen unter Druck

Schaut man sich die Entwicklung etwas genauer an, erkennt man, dass die Vereinigten Staaten erheblich mit strukturellen Problemen zu kämpfen haben. So sind durch die Coronakrise neben dem Investitionsgüterbereich auch die Hersteller langlebiger Konsumgüter sowie die Textilbranche unter Druck geraten. Hier wirkten sich die Lockdown-Maßnahmen, die grassierende Arbeitslosigkeit und die in direkter Folge davon stark zurückgehenden Konsumausgaben belastend auf die in diesem Sektor tätigen Unternehmen aus. Allein im zweiten Quartal verringerte sich der private Konsum um rund 35%. Auch die Stahlindustrie leidet als besonders konjunkturabhängige Branche stark unter der drastisch gesunkenen Nachfrage seitens der Automobil- und Energiewirtschaft. Selbst wenn das dritte Quartal voraussichtlich etwas wirtschaftliche Erholung mit sich bringen wird, bedeutet dies, aufs Jahr gerechnet, dennoch keine wesentliche Entspannung der wirtschaftlichen Lage.

Schaut man auf die Nachbarn der USA auf dem nordamerikanischen Kontinent, fällt auf, dass vor allem in Mexiko in vielen Branchen die Zeichen auf Sturm stehen. Die Investitionstätigkeit ist erheblich vermindert, die Wirtschaftsleistung geht stark zurück. Grund ist auch die starke Abhängigkeit von Exporten in die USA, die aufgrund der dortigen schwächelnden Wirtschaft eingebrochen sind. Für das zweite Quartal verzeichnete Mexiko im Jahresvergleich einen Rückgang des BIP um fast 19%. Für 2020 gehen die Ökonomen von einem Rückgang des BIP von 7,2% aus. Besonders in zyklischen Branchen wie Maschinenbau, Metallherstellung und -verarbeitung sowie Stahl wirken sich neben einer Nachfrageschwäche die Abwertung des Mexikanischen Peso sowie die Volatilität der Stahl- und Metallpreise negativ auf die Geschäftsaussichten aus.

Beim nördlichen Nachbarn Kanada sind vor allen Dingen die Automobilwirtschaft, die Stahlindustrie sowie die Papierbranche die Leidtragenden. Während sich im Automobilbereich die bereits 2019 rückläufige Nachfrage noch weiter verringerte, spüren die Papierhersteller den geringeren Papierbedarf im Zuge der weiter fortschreitenden Digitalisierung. Im Stahlbereich sorgen sinkende Bestellungen der Autohersteller sowie der Öl- und Gaswirtschaft für eingetrübte Geschäftsaussichten. Die Exporte zum Nachbarn USA sind stark gesunken. Die Verluste der gesamten Wirtschaft durch Corona werden, hochgerechnet aufs Jahr, für einen Einbruch des BIP von 6% bis 8% sorgen.

Mehr offene Rechnungen

Die wirtschaftlichen Entwicklungen in Nordamerika beeinflussen auch die Liquidität der Unternehmen. So war ein Ergebnis der jährlich von Atradius erhobenen Studie zum Zahlungsverhalten im Firmengeschäft in diesem Jahr, dass in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 43% aller ausgestellten Rechnungen in der Region zum Fälligkeitstag noch nicht beglichen waren. Im Vergleich zum Vorjahr (25%) hat sich deren Anteil damit erheblich erhöht. Der Anteil der Rechnungen, die mehr als 90 Tage überfällig sind, lag mit 13% sogar doppelt so hoch wie noch ein Jahr zuvor. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Lieferanten: Sie mussten in Summe 4% ihrer Forderungen in der Region als uneinbringlich abschreiben. In den USA stiegen die Zahlungsausfälle mit einem Plus von 72% besonders stark an. Besonders auf kleine und mittelständische Unternehmen werden sich zunehmende Zahlungsverzögerungen und Zahlungsausfälle auswirken.

China: Überkapazitäten belasten den Markt

Die eingangs erwähnte Einschätzung des IWF, dass es in Asien ein Nullwachstums geben wird, spiegelt sich auch in der Branchenentwicklung der Region und besonders in der Chinas wider. So verzeichnen in der größten Volkswirtschaft der Region nicht nur der Automobil- und Transportsektor, sondern auch die Bauwirtschaft und die Konsumgüterbranche rückläufige Geschäftszahlen. Während sich bereits 2019 die Handelsstreitigkeiten mit den USA negativ ausgewirkt hatten, leidet das Land derzeit unter der wirtschaftlichen Unsicherheit und der damit einhergehenden geringeren Nachfrage. Dies gilt auch für die Bereiche Papier, Dienstleistungen sowie Textilien, wo das Geschäftsklima ebenfalls schlecht ist. Besonders schwierig ist die Lage in den zyklischen Branchen Metall und Stahl, wo Überkapazitäten und ein hoher Verschuldungsgrad die Unternehmen belasten. Auch wenn sich die Wirtschaft in China langsam wieder erholt, bleiben Risiken und Unsicherheiten. Die Inlandsnachfrage stagniert, und der Export leidet unter der eingeschränkten Nachfrage und beeinträchtigten Lieferketten. Zudem bleiben die Gefahr einer zweiten Infektionswelle und die politischen Spannungen mit den USA weiterhin bestehen.

Zahlungsmoral verschlechtert sich

Dass sich die vielerorts schlechte Branchenentwicklung auch in Asien negativ auf die Zahlungsmoral auswirkt, zeigt das „Atradius Zahlungsmoralbarometer“ für die Region: Während die Verkäufe von Waren und Dienstleistungen auf Ziel gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 14% stiegen, nahm der Wert der am Fälligkeitstag noch nicht bezahlten Rechnungen im gleichen Zeitraum um 56% zu. Insgesamt zeigte sich, dass in Asien vor allen Dingen in der Textilindustrie verspätete Zahlungen an der Tagesordnung sind. Hier waren 22% des Gesamtwertes aller offenen Forderungen mehr als 90 Tage überfällig, 6% der Forderungen mussten abgeschrieben werden. In der Chemie- und Elektroindustrie blieb mehr als jede siebte Rechnung (15% bzw. 16%) auch mehr als 90 Tage nach Fälligkeit noch unbezahlt, und im Chemiebereich mussten Gläubiger im Schnitt auf 4% ihrer Forderungen verzichten. Auswirkungen hat dies besonders auf kleine und mittelständische Privatunternehmen. Für das Jahr 2020 wird deshalb mit einem Anstieg der Insolvenzen in China von 23% gerechnet.

Absicherung ist Trumpf

Die Analyse der Branchen- und Zahlungsentwicklung in Nordamerika und Asien hat deutlich gemacht, dass trotz leichter Erholungstendenzen im laufenden Jahr mit einer erheblichen Anzahl von Forderungsausfällen zu rechnen ist. Die Auswirkungen der globalen Rezession werden noch längere Zeit zu spüren sein. Die Geschäftstätigkeit in fast allen Ländern und Sektoren dürfte langfristig beeinträchtigt bleiben, die Zahl der Insolvenzen voraussichtlich stark ansteigen. Exportierende Unternehmen sind deshalb gut beraten, die Bonität ihrer Kunden intensiv zu prüfen und gegebenenfalls entsprechende Absicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um auch 2021 sicher und erfolgreich im Außenhandel aktiv zu bleiben.

 


Autor

Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius KreditversicherungDr. Thomas Langen,
Senior Regional Director Deutschland,
Mittel- und Osteuropa,
Atradius Kreditversicherung

 

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