Die Verhängung von Antidumpingzöllen ist ein höchst kontroverses Thema. Die einen, hierzu gehört die EU-Kommission, halten diese Maßnahmen für unerlässlich, um „Handelsgerechtigkeit“ für die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) ansässigen Unternehmen sicherzustellen. Andere sehen hierin den Beginn länger andauernder Handelskriege mit nachteiligen ­Folgen für die eigenen Exportinteressen.

Von Dr. Thomas, Volkmann-Schluck LL. M. (Harvard), Rechtsanwalt, Partner, Schrömbges + Partner

Jüngstes Beispiel ist die Verhängung von vorläufigen Antidumpingzöllen auf aus der Volksrepublik China stammende Photovoltaikmodule (Verordnung Nr. 513/ 2013 vom 14.06.2013). China konterte mit einem Antidumpinguntersuchungsverfahren wegen Einfuhren von Wein aus der EU. Über die Hälfte der Mitgliedsstaaten, so auch die Bundesrepublik Deutschland, lehnte die Einführung dieses Antidumpingzolls auch aus eigenen Exportinteressen ab. Mittlerweile ist der Streit durch einen Vergleich zwischen der Volksrepublik China und der Europäischen Union beigelegt worden.

Die Verhängung von Antidumpingzöllen zieht erhebliche rechtliche Probleme nach sich. Diese sollen hier am Beispiel der von der Europäischen Union verhängten Antidumpingzölle auf Verbindungselemente, insbesondere Schrauben, mit Ursprung in der Volksrepublik China, dargestellt werden. Diese Maßnahmen haben nämlich inzwischen zu zahlreichen finanz- und strafrechtlichen Verfahren geführt und viele Unternehmen in eine äußerst prekäre Lage gebracht.

Der Rat der Europäischen Union führte mit Verordnung vom 26.01.2009 (Nr. 91/ 2009) einen Antidumpingzoll von 85% auf Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China ein. Verbindungselemente aus nichtrostendem Stahl aus China belegte er mit Verordnung vom 04.01.2012 (Nr. 2/2012) mit einem Antidumpingzoll von 27,4%. Da die EU-Kommission den Verdacht hegte, dass der festgesetzte Antidumpingzoll durch Versand über Malaysia bzw. die Philippinen (Transshipments) umgangen wird, ordnete sie mit Verordnung vom 27.10.2010 (966/2010) für Malaysia und mit Verordnung vom 13.06. 2012 (Nr. 502/2012) für die Philippinen eine Untersuchung an. Gleichzeitig wies sie die Zollbehörden an, die aus Malaysia bzw. von den Philippinen versandten Einfuhren zollamtlich zu erfassen. Das Untersuchungsergebnis war, dass in Malaysia und auf den Philippinen der gegen die Volksrepublik China gerichtete Antidumpingzoll vielfach umgangen wurde. Auf dieser Grundlage erweiterte der Rat mit Verordnung vom 18.07.2011 (Nr. 723/ 2011) den Antidumpingzoll auf chinesische Produkte sogar rückwirkend auf die zollamtlich erfassten aus Malaysia versandten Einfuhren und mit Verordnung vom 07.03.2013 (Nr. 2005/2013) auf von den Philippinen versandte Einfuhren, und zwar egal, ob sie als Ursprungserzeugnisse von Malaysia bzw. der Philippinen angemeldet werden oder nicht.

Nach Art. 1 der Grundverordnung Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern kann ein Antidumpingzoll auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursacht. Eine Ware gilt als gedumpt, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr in die Gemeinschaft niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung bestimmt, dass die gemäß dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzölle auf die Einfuhren gleichartiger Ware oder von Teilen dieser Ware auf Drittländer ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung wird die Umgehung als eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft definiert, die sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergibt, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt.

Es müssen zum einen Beweise dafür vorliegen, dass die beabsichtigte Wirkung des Antidumpingzolls untergraben wird, und zum anderen Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten, die für gleichartige oder ähnliche Waren ­früher festgestellt wurden. Diese Vorschriften bilden also die Ermächtigungsgrundlage für die Erweiterung der auf die Verbindungselemente verhängten Antidumpingzölle mit Ursprung in der Volksrepublik China auf Einfuhren aus Malaysia und von den Philippinen.

Unternehmen, die aus diesen Ländern, z.B. aus Malaysia, Verbindungselemente bezogen haben, geraten schnell in den Verdacht, dass sie Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China erworben haben, die von Schanghai über Port Klang (Malaysia) zum Bestimmungsort, z.B. dem Hamburger Hafen, versandt wurden. Ermittlungsergebnisse des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) und der nationalen Fahndungsdienste im asiatischen Raum, aus Sicht der Zollbehörden verdächtiger E-Mail-Verkehr der betroffenen Unternehmen, Zeugenaussagen von (ehemaligen) Mitarbeitern etc. werden als Beweismittel dafür herangezogen, dass die fraglichen Verbindungselemente aus der Volksrepublik China stammen. Diese Erkenntnisse führen im Ergebnis dazu, dass von den Zollbehörden Nacherhebungsbescheide über den nach ihrer Ansicht zu entrichtenden Antidumpingzoll erlassen und strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Zollfahndung eingeleitet werden.

Die Nichtentrichtung von Antidumpingzoll stellt eine Steuerhinterziehung dar, die mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bzw. bei besonders schweren Fällen oder bei gewerbsmäßigem Handeln mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft wird (§§ 370, 373 AO), wobei ab 1 Mio EUR hinterzogenem Zoll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ohne Bewährung zu erwarten ist. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren sind höchst belastend, auch für die Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen. Kommt es zur Anklage und zu öffentlichen Strafgerichtsverfahren, nimmt die Belastung exponentiell zu; es steht einfach zu viel auf dem Spiel.

Angesichts einer solch bedrohlichen Situation ist es unerlässlich, sich beraten und verteidigen zu lassen; ansonsten, das zeigt unsere Praxis, wird man „überrannt“. Allgemeine Rechtskenntnisse reichen angesichts der speziellen und komplexen Problemstellungen nicht aus. Erschwerend kommt hinzu, dass OLAF über das Bundesministerium der Finanzen (BMF) erheblichen Druck ausübt, diese Verfahren rigoros zu betreiben. Es gilt also, den erhobenen Vorwürfen mit ausgefeilten zoll- und zollstrafrechtlichen Argumenten zu begegnen, die es in der Tat auch gibt. Dasselbe gilt für das Vorgehen gegen Nacherhebungsbescheide.

Zunächst ist zu untersuchen, ob die jeweilige Ausweitungsverordnung überhaupt von Art. 13 der Grundverordnung Nr. 384/ 96 gedeckt ist. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht Hamburg am 19.09.2012 (Az. 4 K 61/11) einen bemerkenswerten Beschluss verkündet. Hierbei geht es um die Verordnung Nr. 499/2009 des Rates vom 11.06.2009 zur Ausweitung des mit Verordnung Nr. 1174/2005 des Rates eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren manueller Palettenhubwagen und wesentlicher Teile davon mit Ursprung in der Volks­republik China auf die aus Thailand versandten Einfuhren der gleichen Ware, ob als Ursprungserzeugnis Thailands angemeldet oder nicht. Das Finanzgericht hat die Begründung dieser Ausweitungsverordnung sorgfältig analysiert und anhand der von der Kommission aufgeführten Zahlen und Statistiken festgestellt, dass es höchst zweifelhaft sei, dass die Veränderung im Handelsgefüge zwischen Thailand und der Europäischen Gemeinschaft ihre Ursache in einer Umgehung von geltenden Antidumpingmaßnahmen hat. Aus diesen Gründen hat das Finanzgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage nach der Gültigkeit der Ausweitungsverordnung vorgelegt. Es lohnt sich also, die Erweiterungsverordnungen minutiös auf ihre Begründungen und ihre Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen.

Des Weiteren ist die Behauptung der Zollbehörden, es handele sich um chinesische Ursprungsware, die lediglich über Port Klang (Malaysia) zum Bestimmungsort in der EU versandt wurde, kritisch zu durchleuchten. Grundlage hierfür ist das materielle Zollrecht, auch für zollstrafrechtliche Verfahren wegen Zollhinterziehung nach­
§ 370 AO, denn diese Vorschrift ist eine Blankettnorm, die durch das Zollrecht, auch hinsichtlich Beweisrechts, aufzufüllen ist, eine Rechtslage, die Staatsanwälte und Fahnder in aller Regel verkennen.

Die Ausweitungsverordnung Nr. 723/2011 hat im Zusammenspiel mit der ursprünglichen Verordnung Nr. 91/2009 einige Verwirrung gestiftet. Die Rechtsauffassung der Zollverwaltungen in den Mitgliedsstaaten, dass jeder Versand aus Malaysia dem Antidumpingzoll unterliegt, egal woher das Verbindungselement stammt, ist rechtlich nicht haltbar. Durch die Ausweitung von Einfuhren aus Malaysia kann das in der ursprünglichen Verordnung verankerte Ursprungskriterium nicht einfach verlorengehen. Denn die ursprüngliche Verordnung Nr. 91/2011 wurde auf Malaysia lediglich ausgeweitet, inhaltlich aber nicht geändert. Nach der Ausweitungsverordnung soll zwar der öffentliche Glaube, es handele sich um malaysische Ursprungserzeugnisse, beseitigt werden, es bleibt aber bei dem Erfordernis, dass der chinesische Ursprung bewiesen werden muss. Dieser Nachweis ist streng warenbezogen, also für jedes Verbindungselement zu führen. Auch die Tatsache, dass die betroffene Ware von Schanghai aus verschifft wurde, besagt nichts über ihren Ursprung. Nach Art. 26 ZK ist auf Ursprungszeugnisse und ähnlich aussagekräftige Dokumente abzustellen. Dabei ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) äußerst streng, wenn es sich um den nichtpräferenziellen Ursprung handelt. Das Kriterium der Nämlichkeit erfordert eine Rückverfolgbarkeit der konkreten Ware von der Art der Ursprungsbegründung über die Verschiffung, ggf. Umladung und die Lagerung in einem weiteren Hafen sowie die weitere Verschiffung bis zum Bestimmungsort – und dies stückbezogen; Mengen- und rechnerische Abgleiche reichen nicht aus. Ein Generalverdacht bzgl. aus Malaysia versandter Verbindungselemente lässt sich keinesfalls begründen. Denn dieser verstieße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das WTO-Recht. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Zollbehörden die Beweislast dafür tragen, dass die aus Malaysia versandten Verbindungselemente auch im Rahmen der Ausweitungsverordnung tatsächlich chinesischen Ursprung haben. Im Strafverfahren gilt dies wegen des Grundsatzes „in dubio pro reo“ erst recht. Ob den Zollbehörden bzw. der Staatsanwaltschaft dieser Nachweis gelingt, und zwar wegen des Nämlichkeitsprinzips für jedes Verbindungselement, ist sehr fraglich und hängt von den Einzelheiten und Beweismitteln im Einzelfall ab.

Eine maßgebliche Rolle spielt hierbei die Bedeutung des Formblatts A. Hierbei handelt es sich um von malaysischen Behörden ausgestellte Ursprungszeugnisse, die die Lieferungen begleiten und mit denen die Herstellung der Verbindungselemente in Malaysia bescheinigt wird. Diese Ursprungszeugnisse nach Formblatt A sind öffentliche Urkunden, die den vollen Beweis des durch die Erklärung der Behörde beurkundeten Vorgangs erbringen, also hier den malaysischen Ursprung der fraglichen Verbindungselemente belegen. Dies gilt jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ausweitungsverordnung am 27.07.2011, denn durch diese Verordnung sind sämtliche malaysischen Ursprungszeugnisse für unwirksam erklärt worden. In der Zeit davor hatten die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedsstaats nur die Möglichkeit, nach Art. 94 Abs. 3 und 5 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) in einem streng formalisierten Nachprüfungsverfahren die Geltung des öffentlichen Glaubens bzgl.der Ursprungserzeugnisse abzuerkennen, und zwar mit Wirkung ex nunc. Die Nacherhebung des Antidumpingzolls ist das Ergebnis dieses Nachprüfungsverfahrens, es lässt aber die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Einfuhrabfertigung unberührt. Dies bedeutet zugleich, dass die auf den Ursprungszeugnissen basierenden Zollanmeldungen richtig waren, sie werden lediglich im Nachhinein für die Zukunft korrigiert. Der nach § 370 AO erhobene Vorwurf, unrichtige Angaben gemacht zu haben, die zu einer Zollverkürzung geführt hätten, erweist sich danach als unbegründet. Außerdem durften die betroffenen Unternehmen auf die Authentizität und Richtigkeit der malaysischen Ursprungszeugnisse vertrauen. Eine Tatsache, die sowohl bei der strafrechtlichen Beurteilung als auch bei der zollrechtlichen Nacherhebung Relevanz entfaltet. Selbst wenn das formelle Nachprüfungsverfahren keine Bestätigung des malaysischen Ursprungs ergibt, liegt hierin kein Nachweis für den Warenursprung aus der Volksrepublik China (so ausdrücklich das Finanzgericht Düsseldorf in seinen Beschlüssen vom 05.06.2012, Az. 4 V 1279-1283/12).

Es gilt also, für alle finanz- und strafrechtlichen Verfahren, die Antidumpingzoll betreffen, auf der Grundlage des materiellen Zollrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung die richtigen Fragen zu stellen und jede Einfuhr kritisch zu durchleuchten. Nur so lässt sich eine erfolgreiche Verteidigung aufbauen.

Die wesentlichen Kriterien, die in finanz- und strafrechtlichen Verfahren, bei denen es um Antidumpingzölle geht, beachtet werden müssen, sind mithin die folgenden:

  • Prüfung der Wirksamkeit der jeweiligen EU-Verordnung anhand der Grundverordnung Nr. 384/96.
  • Zollbehörden und Staatsanwaltschaften tragen die Beweislast für den Ursprung der betroffenen Waren. Der Nachweis ist mit aussagekräftigen Dokumenten bei Beachtung des Nämlichkeitsprinzips zu führen, und zwar vom Herstellungs- bis zum Bestimmungsort.
  • Bedeutung von Ursprungszeugnissen nach Formblatt A, insbesondere Prüfung des Bestehens öffentlichen Glaubens.

Kontakt: info[at]schroembges.net

19 replies on “Antidumpingzoll im China- Geschäft”

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