Keine Frage: Osteuropa holt wirtschaftlich mehr und mehr auf. Doch allzu schnell geht der Blick in diesem Zusammenhang nur in das benachbarte Polen. Dabei bieten auch Länder wie Ungarn oder die Tschechische Republik deutschen Unternehmen viele Anreize
für erfolgreiches Arbeiten – und das hat nicht nur historische Gründe. Der folgende Beitrag macht eine Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit mit beiden Ländern.

Sven Gohlke, Regional Manager Europe, Commerzbank AG Mittelstandsbank International

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Das Verhältnis zwischen Ungarn und Deutschland ist schon historisch bedingt ein ganz besonderes. Denn die Ungarn öffneten am 10. September 1989 für Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR ihre Grenzen zu Österreich und haben somit maßgeblichen Anteil am Fall des Eisernen Vorhangs. Deutschland versprach Ungarn damals Hilfe bei der Annäherung an Europa und legte damit den Grundstein einer engen Verbindung beider Länder. 26 Jahre später ist dieses Verhältnis sogar noch enger geworden. Heute gehört Deutschland zu den bedeutendsten Handelspartnern Ungarns, rund ein Viertel des ungarischen Außenhandels wird mit der Bundesrepublik abgewickelt. Daneben ist Deutschland mit einem Anteil von 25% der größte ausländische Direktinvestor des Landes.

Vorteile für beide Seiten

Die ungarischen Exporte nach Deutschland lagen 2014 bei rund 23,3 Mrd EUR und legten im Vorjahresvergleich um 2,3 Mrd EUR zu. Ebenso stiegen die Importzahlen aus Deutschland: von rund 19,8 Mrd EUR im Jahr 2013 auf knapp 21 Mrd EUR im Jahr 2014. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern florieren also. Das zeigt sich vor allem in der Automobilbranche, die der wichtigste Zweig der ungarischen Wirtschaft ist und 21% des Exportgeschäfts ausmacht. Ob Opel, Audi oder Mercedes – deutsche Unternehmen treffen in Ungarn auf fruchtbaren Boden.

Ungarns Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. In meinen Gesprächen mit produzierenden Unternehmen vor Ort spürte ich immer wieder eine große Aufbruchstimmung. Diese Aufbruchstimmung manifestiert sich nicht nur in Worten, sondern auch in Zahlen. Die Arbeitslosigkeit hat sich von 10,4% im Jahr 2009 auf aktuell 7,8% ­verringert. Die Auslandsverschuldung ist im gleichen Zeitraum um ein Drittel gesunken, das Wachstum hat sich nach dem ­Einbruch 2012 (–1,5%) inzwischen wieder auf 2,4% erholt. Sowohl großen Unter­nehmen als auch kleinen und mittel­ständischen Firmen wird eine breite Palette an Investitionsanreizen zur Ver­fügung gestellt.

Großzügige Förderung

So profitieren Investoren von Subventionen, von denen einige als Zuschüsse gewährt werden und nicht zurückgezahlt werden müssen. Diese Förderung umfasst die Unterstützung bei der Finanzierung von Gebäuden, aber auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder die Ausbildung von Arbeitnehmern. Außerdem zahlt der ungarische Staat 24 Monatslöhne sowie die Sozialabgaben der Angestellten, die in den ersten drei Jahren von ausländischen Unternehmen eingestellt werden.
Weitere finanzielle Anreize, die die ungarische Regierung den Unternehmen in Zusammenarbeit mit der EU bietet, sind steuerliche Vorteile und Niedrigzins­darlehen. Besonderen Wert legt sie dabei auf die Förderung von Forschung und Entwicklung. Zum Beispiel gibt es Programme, in deren Mittelpunkt eine Kooperation von Unternehmen mit Hochschulen steht. Als Anreiz dafür werden ­Firmen bei dem Erwerb und der Finan­zierung von Bauland unterstützt. All das führt dazu, dass es in Ungarn mittlerweile fast 6.000 ganz oder teilweise mit deutschem Kapital gegründete Unternehmen gibt, die zusammen über 300.000 Personen Arbeit geben.

Die positive Entwicklung wird durch die andauernde Ukraine-Krise jedoch etwas getrübt. Dieser Konflikt bremst die ungarische Wirtschaft, die mit Russland und der Ukraine in engen Handelsbeziehungen steht. Durch die Auseinandersetzungen beider Länder stocken die ungarischen Exporte, da die Nachfrage der östlichen Nachbarn ausbleibt. Umso wichtiger ist es deshalb, das enge Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn aufrechtzuerhalten und sogar noch zu stärken.

Enge historische Verbindung nach Tschechien

Obwohl das Land direkter Nachbar Deutschlands ist, denkt man bei den wichtigsten Handelspartnern der Bundesrepublik nicht sofort an Tschechien. Dabei rangiert das Land innerhalb Mittel- und Osteuropas an zweiter Stelle. 2013 erreichten die tschechischen Exporte ins westliche Nachbarland einen Wert von 27,7 Mrd EUR, die Importe betrugen sogar gut 38 Mrd EUR. Damit ist Deutschland der wichtigste Außenhandelspartner für Tschechien – die Geschäfte mit deutschen Unternehmen machten fast ein Drittel des gesamten Außenhandels der Tschechischen Republik aus.

Ähnlich wie Ungarn ist diese enge Kooperation auch historisch bedingt. Nach der Wende bildete der „Vertrag über gute Nachbarschaft“, der 1992 unterzeichnet wurde, die Basis der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien. Noch heute finden regelmäßig Treffen auf allen politischen Ebenen statt, hinzu kommen die ausgezeichnete Zusammenarbeit in der EU und anderen internationalen Organisationen sowie gemeinsame Initiativen im gesellschaftlichen Bereich.

Die Krise überwunden

Für eine enge Verbindung sprechen aber nicht nur geographische Nähe und historischer Kontext. Tschechien hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Von der aktuellen Krise in der Ukraine zeigt sich unser östlicher Nachbar relativ unbetroffen. Nach BIP-Rückgängen in den Jahren 2012 und 2013 hat Tschechien im vergangenen Jahr die Rezession überwunden: Das BIP wuchs um 2,0%. Für 2015 rechnet das tschechische Finanzministerium mit einem Anstieg auf 2,7%. 2014 betrug die Inflationsrate 0,4%, in diesem Jahr soll sie ähnlich niedrig bleiben. Auch die Arbeitslosenquote erreichte im Oktober 2014 mit 5,6% erstmals wieder das Niveau, auf dem sie vor der Wirtschafts- und Finanzkrise gelegen hatte. Damit diese positive Entwicklung so weitergeht, lockt die Republik ausländische Unternehmen mit besonderen Anreizen.

Dabei konzentriert sie sich besonders auf die verarbeitende Industrie, strategische Dienstleistungen und Technologiezentren. Ausländischen Investoren wird eine breite Palette von Investitionsanreizen angeboten: Körperschaftsteuernachlässe, Förderung für die Schaffung von Arbeitsplätzen, Förderung von Umschulungen, Bereitstellung des Standortes oder Beschaffung der Grundstücke zu günstigen Bedingungen und vieles mehr. Auch die Tatsache, dass es in Tschechien bei einem niedrigen Lohnniveau gut ausgebildete Arbeitskräfte gibt – der durchschnittliche Monatsbruttolohn im Jahre 2013 betrug ca. 930 EUR –, trägt sicherlich dazu bei, dass das Land für deutsche Unternehmen ein recht beliebter Markt ist.

Osteuropa im Auge behalten

Ob Tschechische Republik oder Ungarn: Der Blick in die östlichen Regionen Europas ist für deutsche Unternehmen sicherlich lohnenswert. Wichtig ist jedoch, sich im Vorfeld des Gangs in diese Märkte ausführlich über lokale Besonderheiten zu informieren. Neben den Auslandshandelskammern (AHKn) stehen dafür auch Kreditinstitute zur Verfügung. Die Commerzbank hat deutschsprachige Teams und Country-Manager in beiden Ländern, die das Geschäft verantworten und weiterentwickeln. So können Unternehmen sicher sein, dass sie auch vor Ort einen kompetenten Finanzpartner an ihrer Seite haben.

Kontakt: sven.gohlke[at]commerzbank.com

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