Die globalen Aussichten für die Entwicklung erneuerbarer Energien sind mittel- bis langfristig positiv. Der Erfolg oder Misserfolg ihrer künftigen Entwicklung wird stark vom lokalen politischen und regulatorischen Umfeld abhängen.

Die Nutzung und der Anteil erneuerbarer Energien haben in den vergangenen 20 Jahren global stark und schnell zugenommen. Das gilt insbesondere für die Stromerzeugung, wo die „Renewables“ gegenüber den traditionellen Energiequellen wie Kohle, Öl und Atomkraft zunehmend Marktanteile gewinnen konnten.

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Die Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz ist für die Regierungen weltweit, sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern, keine bloße Option mehr, auch wenn sie in einigen Regionen mit starkem Gegenwind konfrontiert sind. Das gilt auch für Lateinamerika. Dort ist die ­Wasserkraft, historisch und geologisch gesehen, die wichtigste erneuerbare Stromquelle, derweil die Entwicklung von Solar- und Windprojekten dank ihrer Kosteneffizienz beschleunigt wird.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bezogen viele lateinamerikanische Länder dank des großen Wasserpotentials des Kontinents bereits den größten Teil ihrer Elektrizität aus erneuerbaren Quellen. Im Jahr 2000 wurde mehr als die Hälfte (54%) der Elektrizität Lateinamerikas aus Wasserkraft gewonnen. In dem Jahr waren in Ländern wie Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Paraguay und Uruguay über 50% der installierten Energiekapazität an erneuerbare Ressourcen gebunden – hauptsächlich dank der Wasserkraft. Dennoch begann Lateinamerika, ähnlich wie andere Regionen, in den folgenden Jahren auch mit der Entwicklung anderer Quellen erneuerbarer Energien.

Die Coronakrise hat erhebliche Auswirkungen auch auf dieses Segment des Energiesektors, da die Pandemie die Lieferketten und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften unterbrochen bzw. erschwert hat. Auch der Zugang zu Finanzmitteln wurde hart getroffen. Investitionen und Versteigerungen neuer Energieträger wurden verschoben. Diese jüngsten Tendenzen haben sich auf bereits genehmigte sowie auf in Planung befindliche Projekte ausgewirkt. Die geringe Nachfrage und das Überangebot während der Lockdowns in der ganzen Welt haben die Strompreise sinken lassen. Sie dürften weiter stark volatil bleiben.

Dennoch bleiben die globalen Aussichten für die Entwicklung erneuerbarer Energien mittel- bis langfristig insgesamt positiv. Der Erfolg oder Misserfolg ihrer künftigen Entwicklung wird stark vom lokalen politischen und regulatorischen Umfeld abhängen.

Im Vergleich: Brasilien, Chile, Mexiko

In den drei größten lateinamerikanischen Energiemärkten – Brasilien, Chile und Mexiko – verzeichneten die erneuerbaren Stromkapazitäten in den vergangenen 20 Jahren eine relativ starke Entwicklung. Der Blick auf die Anteile der genutzten Energiearten zeigt, dass Chile – wie Mexiko – anteilig noch deutlich mehr fossile Stoffe verwendet als etwa Brasilien. Dort ist Wasser der größte Energierohstoff. Der Energiemix der drei Länder im Jahr 2019 ist in der Grafik auf Seite 7 abgebildet.

In Chile stiegen die Kapazitäten für erneuerbare Energien in dem Zeitraum von 2001 bis 2019 um 158%, in Mexiko um 136% und in Brasilien immerhin um 123%. Während in Brasilien die Investitionen in erneuerbare Energien hauptsächlich von der Wasserkraft angetrieben wurden mit 77% der gesamten erneuerbaren Kapazität, die in diesem Zeitraum in das Netz eingespeist wurde, begann auch die Entwicklung der Wind- und Bioenergie mit einem Beitrag von 11% bzw. 10%. In Chile hingegen kamen die Investitionen hauptsächlich aus der Solarenergie (38%), gefolgt von der Wasserkraft (32%) und der Windenergie (23%). In Mexiko schließlich wurden sie von der Windkraft angeführt (44%), gefolgt von der Sonnen- (30%) und der Wasserkraft (20%).

Chile mit ehrgeizigen Zielen

Chile scheint der für die nächsten Jahre am besten positionierte lateinamerikanische Markt für die Entwicklung erneuerbarer Energien zu sein. Nach Schätzungen der nationalen Energieregulierungsbehörde des Landes, der Comisión Nacional de Energía (CNE), hat das Land das Potential, 40 GW Windkraft, 12,5 GW Wasserkraft, über 1.000 GW Solarenergie und 2 GW geothermische Energie zu entwickeln. Chile hat zudem einen sehr guten Ruf hinsichtlich der Regulatorik und fühlt sich der globalen Notwendigkeit zur Dekarbonisierung offensichtlich stärker verpflichtet als Mexiko und Brasilien.

Als Beispiel für das nachdrückliche Interesse an der Entwicklung erneuerbarer Energien im Land präsentierte Chile im April 2020 seine geplanten national festgelegten Beiträge (INDC) als Teil des Pariser Klimaabkommens – einschließlich Investitionsmöglichkeiten, die bis 2050 auf 27,3 bis 48,6 Mrd USD geschätzt werden. Der Plan sieht ein CO2-Reduktionsziel von rund 30% bis 2030 und eine Klimaneutralität ab 2050 vor.

Darüber hinaus wird sich der Plan auf sechs Schlüsselbereiche konzentrieren: Effizienzsteigerung im Bergbau und in der Industrie mit 25% der Gesamtemissionsreduzierung, Produktion und Verbrauch von Wasserstoff (21%), Standards für nachhaltiges Bauen für Haushalte, gewerbliche und öffentliche Gebäude (17%), elektrifizierter Verkehr (17%), die Stilllegung von Kohlekraftwerken bis 2040 (13%) und andere Effizienzmaßnahmen (7%). Diese Werte sind in einem Gesetzentwurf enthalten, der derzeit im Kongress diskutiert wird.

Allerdings haben die massiven sozialen Proteste im Jahr 2019 und der Ausbruch von Covid-19 Besorgnis erregt. Im April 2020 schickten mehrere Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien eine Protestnote an den Energieminister. Sie kritisierten Änderungen der Vorschriften in den Jahren 2019 und 2020, insbesondere den im vergangenen Jahr eingerichteten Preisstabilisierungsfonds –  einen Übergangsmechanismus, um Preiserhöhungen für Haushalte zu verhindern – und die Entscheidung, den Verteilungsunternehmen zu untersagen, Familien, die ihre Rechnungen während des Ausnahmezustands nicht bezahlt haben, den Strom abzuschalten. Diese Maßnahmen hatte die Regierung am 18. März zur Bekämpfung der Coronapandemie verhängt.

Die ausführliche Studie auf Englisch finden Sie auf www.coface.de.

patricia.krause@coface.com

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