Der Wachstumsausblick für Frankreich, Italien und Spanien ist von den lange andauernden Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung geprägt. 2020 dürfte das Minus im zweistelligen Bereich liegen. Das hat Auswirkungen auf die Nachfrage nach deutschen Exportgütern in den wichtigen Absatzmärkten.

Der Lockdown zeigt deutliche Spuren in der deutschen Ausfuhrstatistik: Die deutschen Exporte nach Italien sanken im März um 19,7% und im April um 40,1% zum Vorjahr. Frankreich nahm im März 18,5% weniger deutsche Waren ab, im April betrug das Minus 48,3%. Für Spanien wurde im März ein Rückgang der deutschen Exporte um 15,7% und im April eine Verringerung um 48,4% ausgewiesen. Mit der beginnenden Normalisierung dürfte die Nachfrage wieder anziehen. Das signalisieren die Exporterwartungen der deutschen Industrie, die das ifo Institut im Mai erhoben hat.

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Das neuartige Coronavirus hat in Italien und Spanien nach offiziellen Zahlen bislang rund 240.000 Menschen infiziert. In Frankreich und Deutschland waren es etwa 190.000. In vielen europäischen Ländern wurden strenge Kontaktbeschränkungen verhängt, die weitere Infektionen verhindern sollten. Dadurch kam das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand, und die Wirtschaftsleistung ging stark zurück.

Erst stockt die Produktion, …

Die ersten Auswirkungen der Verbreitung von Covid-19 spürten die Importeure chinesischer Waren bereits im Januar und Februar 2020. Die Abriegelung von Städten und Provinzen unterbrach wichtige Lieferketten und ließ die chinesischen Exporte um 17% sinken. In den europäischen Fabriken fehlten in der Folge wichtige Zulieferprodukte, das bremste die Produktion. Im März zwang die Verbreitung des Coronavirus auch in der EU viele Mitarbeiter in die heimische Isolation, und es fehlten nicht nur Teile sondern auch Mitarbeiter.

In Deutschland machten sich der Produktionsstopp und die Unterbrechung von Lieferketten besonders stark bemerkbar, denn die exportstarke Industrie baut auf eine engmaschige Vernetzung von Produktionsschritten unterschiedlicher Standorte in Deutschland, der EU und weltweit. Für den Ausfall einzelner Zulieferer ist man zwar gerüstet, eine weltweite Unterbrechung über Wochen wirft aber die besten Pläne über den Haufen. Die Folge: Im März 2020 ging die Produktion im verarbeitenden Gewerbe um 8,9% zum Vormonat zurück. Im April folgte ein weiteres Minus von 17,9%. Die Automobilproduktion sank um 74,6%.

… dann fehlt die Nachfrage

Nachdem die schlimmste Ansteckungsgefahr in der EU überwunden ist, stehen Verbraucher und Investoren vor einer großen Ungewissheit. Entscheidend ist die Frage, welche Einkommen und Umsätze in den kommenden Monaten erzielt werden können. Staatliche und europäische Hilfsmaßnahmen werden zwar einen Teil der finanziellen Engpässe vorübergehend ausgleichen. Aber nur mit einer stabilen Beschäftigungsperspektive kann sich die Nachfrage wieder erholen. Im weltweiten Maßstab bestimmt diese Perspektive auch die Exportmöglichkeiten der Unternehmen.

Besonders deutlich zeigte sich diese Entwicklung in der Automobilindustrie. Zunächst wurde die Produktion im März heruntergefahren, weil Zulieferteile fehlten. Als die Produktion im Mai wieder anlaufen sollte, mangelte es an der Nachfrage. Die Neuzulassungen in der EU sind im April 2020 nach Angaben des Branchenverbands VDA um 76,3% gesunken. In den USA lag das Minus bei 46,6% und in China noch bei 2,3%. Für die ersten Monate summierten sich die Rückgänge in der EU auf 38,5%, in China auf 35,1% und in den USA auf 21,2%.

In den von Covid-19 am stärksten betroffenen Ländern der EU zeigte sich im April ein besonders krasser Rückgang: In Italien sanken die Neuzulassungen um 98%, in Spanien um 97% und in Frankreich um 89%. Das frühere EU-Mitglied Großbritannien verzeichnete ein Minus von 97%. In Deutschland fiel der Rückgang mit 61% noch relativ mild aus.

Für den Maschinenbau stellt sich die Situation ebenfalls dramatisch dar: Der Export ging im ersten Quartal 2020 um 6,6% zurück. Der Wert der Lieferungen nach Italien sank um 16,1%, Frankreich nahm 14,8% weniger ab und Spanien 13,9%. Damit war der Absatz in den EU-Staaten stärker betroffen als der in den wichtigsten Überseemärkten. In Richtung China betrug der Exportrückgang 8,9%, und die Ausfuhr in die USA stieg sogar um 0,5%. Für das zweite Quartal rechnet der Branchenverband VDMA allerdings mit kräftigen Einbußen im US-Geschäft. Dagegen dürfte sich der chinesische Markt erholen.

Wiederaufbau mit Milliarden Euro

Das erste Quartal zeigt in den am stärksten betroffenen EU-Staaten bereits deutliche Spuren in der Wirtschaftsrechnung. Das reale BIP in Frankreich sank um 5,4%, das in Italien um 4,8%, und in Spanien fiel die Wirtschaftsleistung um 4,1%. Dadurch fallen staatliche Einnahmen weg, und gleichzeitig wurden zusätzliche Ausgaben nötig. Nun schlägt die EU-Kommission einen Wiederaufbaufonds über 750 Mrd EUR vor. Davon sollen 500 Mrd EUR als nicht rückzahlbare Zuschüsse und 250 Mrd EUR als Kredite vergeben werden. Insbesondere das stark verschuldete Italien könnte diese zusätzlichen Mittel zur Unterstützung von Verbrauchern und Unternehmen einsetzen.

Dienstleistungen leiden am stärksten

Der Wachstumsausblick für Frankreich, Italien und Spanien ist von den lange andauernden Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung geprägt. Vor allem für das zweite Quartal 2020 ist mit einem deutlichen Rückgang des realen BIP im Bereich von 20% zu rechnen. Für das Gesamtjahr dürfte das Minus ebenfalls im zweistelligen Bereich liegen. Auch 2021 dürfte der Ausfall wohl nur teilweise wieder aufgeholt werden, da sich der Konsum und die Beschäftigung nur langsam erholen.

Allerdings konzentriert sich der Nachfragerückgang auf den Dienstleistungssektor. Die Industrieproduktion sollte sich in den drei Ländern früher und kräftiger erholen. Damit geht auch eine weniger starke Beeinträchtigung der Lieferbeziehungen mit Deutschland einher. Die deutschen Exporte nach Frankreich, Italien und Spanien dürften sich daher nicht ganz so stark vermindern wie die dortige Wirtschaftsleistung.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

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