Die AGG 28 betrifft in erster Linie die Lieferung von Gütern, die zum Einbau in Frankreich bestimmt sind, wenn dem Nutzer durch das einbauende Unternehmen in Frankreich (Integrator) unter Beifügung einer „Integrationserklärung“ mitgeteilt wurde, dass der Wert der Güter inländischer Unter­nehmen einen wertmäßigen Anteil von maximal 20% am Gesamtsystem nicht überschreitet.

Im Februar 2020 ist die Allgemeine Genehmigung Nr. 28 (AGG 28) in Kraft getreten. Sie erfasst als Folge des deutsch-französischen „Abkommens über Ausfuhrkontrollen im Rüstungsbereich“ aus dem Oktober 2019 bestimmte Fälle von Rüstungsgüterzulieferungen nach Frankreich und soll diese entsprechend vereinfachen.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall

Die Firma D in Deutschland möchte Teile, die als Rüstungsgüter auf Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (AL) gelistet sind, an F in Frankreich liefern. F möchte diese Güter in ein Rüstungssystem einbauen und dieses dann an Endverwender A in den USA exportieren. D fragt sich, ob sie hierfür die AGG 28 verwenden kann. Abwandlung: Der Endverwender des Rüstungssystems ist die Firma S in Saudi-Arabien.

Informationen zu Allgemeinen Genehmigungen (AGGs)

Generell ist bei den Allgemeingenehmigungen zu unterscheiden zwischen solchen der EU (EU001–EU006) und den nationalen deutschen AGGs (AGG 12–28 und AGG 30). Nationale Allgemeingenehmigungen bestehen sowohl für den Export von Dual-Use-Gütern (z.B. AGG Nr. 12 für Güter mit geringem Wert) als auch für den von Rüstungsgütern (z.B. AGG Nr. 19 für geländegängige Fahrzeuge). Die AGGs müssen nicht beantragt werden. Sie wirken aber, sofern das genehmigungspflichtige Exportvorhaben ihre Voraussetzungen erfüllt, wie eine erteilte Einzelausfuhrgenehmigung der zuständigen Behörde. Greift also eine AGG für ein Exportvorhaben ein, kann der Ausführer liefern, ohne vorher ein Antragsverfahren durchlaufen zu müssen. Aus dieser zeitlichen Ersparnis resultieren Vorteile für das exportierende Unternehmen.

Für die Benutzung der AGGs sind jedoch auch einige Punkte zu beachten. Erstens ist zu prüfen, ob sie von den erfassten Gütern und den erfassten Bestimmungsländern her passen und ob kein Ausnahmetatbestand eingreift. Zweitens sind die Nebenbestimmungen zu prüfen: So existieren regelmäßig bestimmte Registrierungs- und zum Teil auch Meldepflichten, die dem BAFA gegenüber erfüllt werden müssen, und in der Ausfuhranmeldung ist für die Nutzung jeder AGG ein bestimmter Atlas-Code (z.B. „X002/A12“ für die AGG 12) einzutragen.

Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, besteht die Gefahr, einen sanktionsbewehrten Tatbestand (etwa den der ungenehmigten Ausfuhr) zu erfüllen, wie aktuelle Erfahrungen immer wieder zeigen. Bei der Organisation ihrer internen Kontrollprozesse sollten exportierende Unternehmen deshalb darauf achten, passende Vorgaben zur Prüfung der Voraussetzungen und der entsprechenden Dokumentation zu installieren.

Informationen zur AGG 28

Die AGG 28 kann für Verbringungen von Rüstungsgütern (Güter in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste) nach Frankreich genutzt werden (mit Ausnahme von Gütern auf der Kriegswaffenliste). Diese AGG betrifft in erster Linie die Lieferung von Gütern, die zum Einbau in Frankreich bestimmt sind, wenn dem Nutzer durch das einbauende Unternehmen in Frankreich (Integrator) unter Beifügung einer „Integrationserklärung“ mitgeteilt wurde, dass der Wert der Güter inländischer Unter­nehmen einen wertmäßigen Anteil von maximal 20% am Gesamtsystem nicht überschreitet. Hier kommt eine De-minimis-Regelung zur Anwendung, wie sie auch aus dem US-Exportkontrollrecht bekannt ist. Für die Integrationserklärung ist (ähnlich wie bei Endverbleibserklärungen) ein Formularmuster zu nutzen, das auf den Briefbogen des Integrators zu übertragen ist. Dabei stellen sich einige praktische Fragen: So muss z.B. beachtet werden, dass die zutreffende der drei Alternativen in Sektion C (Verpflichtungserklärung bzgl. der Integration von Gütern) – je nach der Fallgruppe – ausgewählt wird. Aus deren Wortlaut ergibt sich, dass für die Reexporte französisches Recht eingehalten werden muss. Die Zustimmung des BAFA für Reexporte, die in anderen Endverbleibsdokumenten vorgesehen ist (z.B. im  EUC A1 für die Verbringung von Rüstungsgütern), wird dagegen nicht gefordert. Wenn ein Vorverfahren stattfindet, sollten die Angaben in den Abschnitten A und B der Integrationserklärung mit den entsprechenden Angaben in der Sonstigen Anfrage übereinstimmen.

Zu den Nebenbestimmungen

Eine Besonderheit ist, dass die Registrierung für die Nutzung der AGG 28 zwingend vor der ersten Lieferung zu erfolgen hat. Die bei anderen AGGs bestehende Möglichkeit, die Registrierung binnen 30 Tagen nach der ersten Inanspruchnahme vorzunehmen, ist hier nicht gegeben. Die halbjährlichen Meldepflichten sind zu beachten.

Ein besonderes Vorverfahren ist dann zu durchlaufen, wenn der Verwender dieser AGG Kenntnis davon hat, dass die von ihm nach Frankreich gelieferten Güter nach dem Einbau in ein Gesamtsystem oder als Ersatzteile zu einer endgültigen Verwendung in Ländern bestimmt sind, die nicht zu den folgenden unproblematischen Endverwendungsländern im Sinne der AGG 28 gehören: EU-Mitgliedstaaten, EU001-Länder sowie drei weitere Länder: Albanien, Island und Montenegro.

Lösung Ausgangsfall

Weil die Waren, die D an F in Frankreich senden möchte, auf der AL gelistet sind, besteht nach § 11 Abs. 1 der AWV eine Genehmigungspflicht für diese Verbringung. Anstelle einer Einzelausfuhrgenehmigung (EAG) kann D für diese Verbringung nach Frankreich möglicherweise die AGG 28 nutzen. Es sollen hier auf der AL genannte Teile, die keine Kriegswaffen sind, an F in Frankreich verbracht werden, und F will diese Güter in ein Rüstungssystem einbauen.

Wenn D von F mittels einer Integrationserklärung mitgeteilt wird, dass die zuzuliefernden Güter einen Wertanteil von 20% am Gesamtsystem nicht überschreiten, ist eine der von der AGG 28 begünstigten Fallgruppen gegeben. Es geht um eine Verbringung nach Frankreich, welches das einzige zugelassene Bestimmungsziel im Rahmen der AGG 28 ist. Weil die endgültige Verwendung in den USA stattfindet, ist kein Vorverfahren zu durchlaufen.

Allerdings muss D darauf achten, die von F bereitgestellte Integrationserklärung zu den Geschäftsunterlagen zu nehmen; sie ist dem BAFA auf Verlangen vorzulegen. Außerdem ist die Einhaltung der übrigen Voraussetzungen und Nebenbestimmungen (z.B. Registrier- und Meldepflicht) sicherzustellen. Demnach kann D hierfür die AGG 28 ohne ein Vorverfahren verwenden.

Lösung Abwandlung

Weil es jetzt um eine Weiterlieferung an S in Saudi-Arabien geht, ist ein Vorverfahren erforderlich, da dieses Land nicht zu den unproblematischen Endverwendungsländern im Sinne der AGG 28 gehört.  In diesem Fall ist die Integrationserklärung im Rahmen einer „Sonstigen Anfrage“ über das ELAN-K2-System hochzuladen. Es wird dann geprüft, ob die Anwendung der AGG 28 in diesem Fall unmittelbare Interessen oder die nationale Sicherheit Deutschlands beeinträchtigt. Möglicherweise werden die Prüf­befugnisse Deutschlands durch das deutsch-französische Abkommen etwas eingeschränkt, so dass eventuell nur „erhebliche“ nationale (Sicherheits-)Interessen Deutschlands ausreichend sein dürften – dies ist aber nicht sicher.

Eine Nutzung der AGG 28 kann dann erst nach der Mitteilung des BAFA darüber, dass keine entsprechenden Beeinträch­tigungen bestehen, erfolgen. Diese ­Rückmeldung soll spätestens binnen 45 Kalendertagen nach Eingang der entsprechenden Mitteilung beim BAFA eintreffen. Wird das Vorverfahren in den genannten Fällen nicht durchlaufen, ist die AGG 28 für dieses Geschäft nicht anwendbar.

Praxisfragen bei der Anwendung

Eine erste Frage ist, wann der Exporteur „Kenntnis“ davon hat, welches das Endverwendungsland ist. Über die positive Kenntnis hinaus dürfte hierfür auch das Kennenmüssen ausreichen, wenn also entsprechend deutliche Anhaltspunkte für einen solchen Reexport bestehen. Eine zweite Frage ist, welche Grundsätze für die De-minimis-Berechnung in diesem Fall gelten. Nicht ganz klar ist, ob hier die Berechnung wie im US-Reexportrecht stattfindet. Eine dritte Frage ist, ob auch für Güter, die nicht in Frankreich eingebaut werden, die Notwendigkeit eines solchen Vorverfahrens bei einer Weiterlieferung in ein nicht unproblematisches Endverwendungsland besteht. Dies betrifft etwa in Teil I A gelistete Güter, die für den Einbau, die  Reparatur oder die Wartung des Gesamtsystems genutzt werden, oder Ersatzteile, die für solche Einbauten erforderlich sind; sie fallen in den Güterkreis der AGG 28, ohne dass sie in Frankreich in ein Rüstungsgut eingebaut werden. Vom Sinn und Zweck her dürfte hier ebenfalls ein Vorverfahren erforderlich sein. Eine vierte Frage entsteht, wenn ein deutscher Exporteur Anhaltspunkte dafür hat, dass der französische Integrator F einen Wertanteil von maximal 20% auf dem Integrationszertifikat bescheinigt, obwohl F von einem höheren deutschen Wertanteil ausgeht. In diesem Fall dürfte der deutsche Exporteur im Zweifel nicht blind auf das Integrationszertifikat vertrauen, das einen maximalen Wertanteil von 20% bescheinigt, weil sich ihm die fehlerhafte Bescheinigung hätte aufdrängen müssen.

Resümee

Es handelt sich um eine innovative deutsche Allgemeingenehmigung, die für die Exportpraxis bei deutsch-französischen Rüstungskooperationen eine sehr große Bedeutung entfalten kann. Zustimmungserfordernisse des BAFA für Reexporte, die sich bei Einzelverbringungsgenehmigungen ergeben können, werden nun dadurch ersetzt, dass der Reexport im Einklang mit französischem Recht stehen muss.

Es ist u.E. noch fraglich, ob die AGG „im Ergebnis einen erheblichen internen Prüf-, Organisations- und Abstimmungsaufwand mit dem Integrator“ verlangt, weswegen die verfahrenserleichternde Wirkung der AGG „eher bescheiden“ ausfällt, so dass der deutsche Exporteur ein Wahlrecht haben sollte, die AGG 28 oder eine Einzelverbringungsgenehmigung zu nutzen (Damm/Esser in: AW-Prax 10/2020, S. 425 ff.). Liefern verschiedene deutsche Unternehmen einem Integrator in Frankreich zu, kann sich tatsächlich ein gewisser Abstimmungsaufwand zwischen Integrator und deutschen Unternehmen ergeben. Solange aber der französische Integrator seinen Prüfpflichten bei der Ausfüllung des Integrationszertifikats nachkommt, dürfte u.E. der Aufwand für den deutschen Zulieferer nicht sehr hoch sein und die Zeitersparnis bestehen. Dies zeigen unsere ersten Erfahrungen.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER.

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

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