Am 23. und 25. Februar 2022 haben die EU-Mitglieder weitreichende Sanktionen gegen Russland (und z.T. gegen besetzte Ukraine-Gebiete) beschlossen, als Antwort auf den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine und die völkerrechtswidrige Anerkennung zweier Regionen als unabhängige Staaten. Was bedeuten diese neuen Russland-Sanktionen für Exporteure in der EU?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall 1: D in Deutschland unterhält langjährige Geschäftsbeziehungen mit Firmen in Russland und in der Ukraine. Im Ukraine-Geschäft spielt die Krim-Region keine Rolle. Die Geschäftsbeziehungen werden auf russischer Seite von der Bank Rossiya betreut. Kann D diese Geschäfte fortsetzen?

Abwandlung zu Fall 1: Eines der Partnerunternehmen von D ist das in Donezk ansässige ukrainische Unternehmen U. Für die Abwicklung dieses Geschäftes werden nur deutsche und ukrainische Banken benutzt. Ist eine Fortführung dieser Geschäftsbeziehungen möglich?

Ausgangsfall 2: D in Deutschland betreibt seit Jahren ein Russland-Geschäft und möchte R in Russland mit einer gelisteten Maschine beliefern, die nach einer Prüfung durch D nur nicht-militärisch verwendet werden kann; R ist auch kein militärischer Endverwender. Ist dieses Geschäft zulässig?

Die Russland-Sanktionen vom 23. Februar 2022

An diesem Tag wurden fünf EU-Verordnungen und vier GASP-Beschlüsse veröffentlicht. Drei EU-Verordnungen befassen sich mit zusätzlichen Listungen in der Ukraine-VO 269/2014.

Durch die EU-VO 2022/260 werden vier Einrichtungen und 22 Personen gelistet. Die 22 natürlichen Personen sind überwiegend hohe Militärangehörige Russlands, Stabchefs und der Verteidigungsminister Russlands. Zu den vier Einrichtungen gehören neben der Internet Research Agency, die für Russland Online-Einflussnahme-Operationen durchführt, vor allem die folgenden drei russischen Banken: Bank Rossiya, die persönliche Bank hoher Beamter Russlands; die Promsvyaz-Bank, eine russische Staatsbank, die das russische Militär unterstützt; die Bank VEB.RF, ein großes russisches Finanzentwicklungsinstitut, das direkte Anweisungen von Putin erhält (wegen eines Befreiungstatbestands bzgl. der Listung dieser drei Banken bzgl. der Erfüllung von Altverträgen vgl. EU-VO 2022/259).

Mit der VO 2022/261 wurden 336 Mitglieder der russischen Staatsduma in der VO 269/14 gelistet, da sie für die Anerkennung der Separatistengebiete als unabhängige Staaten gestimmt haben. Mit der VO 2022/262 kommt es zu einer kleinen Änderung der Russland-VO 833/2014 (Einfügen eines neuen Art. 5 a) – dies soll weiter unten im Zusammenhang mit der großen Änderungs-VO Russland thematisiert werden. Besonders wichtig ist die neue VO 2022/263 (Donezk und Luhansk-VO). Sie entspricht inhaltlich weitgehend der Krim-VO (VO 692/2014); denn genau wie diese VO enthält sie ein EU-Einfuhrverbot von Waren mit Ursprung „in diesen spezifizierten Gebieten“.

Es besteht ein Verbot der Ausfuhr und des Verkaufs (und von technischer Hilfe und Finanzhilfen) bzgl. der in Anhang II genannten Güter aus vier Schlüsselbereichen (Verkehr, Telekommunikation, Energie, Öl) an Personen in Donezk und Luhansk oder für den Gebrauch in diesen Regionen. Es besteht ein Verbot von tourismusbezogenen Aktivitäten sowie von Investitionen in diesen Gebieten. Ausnahmen bestehen vor allem für Altverträge (geschlossen vor dem 23. Februar 2022 und zu erfüllen bis 24. Mai 2022 bzw. bis 24. August 2022), sofern diese Ausnahmen dem BAFA zehn oder fünf Arbeitstage vorher gemeldet wurden. Für medizinische und humanitäre Zwecke können Ausnahmegenehmigungen erteilt werden.

Lösung Ausgangsfall 1

Durch die EU-VO 2022/260 wurde die Bank Rossiya in der VO 269/2014 gelistet; damit wurde ihr Vermögen in der EU eingefroren. Dadurch besteht ein Verbot, dieser Bank „unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder ihr zugutekommen zu lassen“. Da D für die Dienste der Bank Rossiya Gebühren zahlen müsste, würde D gegen das Bereitstellungsverbot verstoßen. Ausnahmen sind nur für wenige Zwecke (Grundbedürfnisse, juristische Dienstleistungen etc.) vorgesehen, die hier im Zweifel nicht vorliegen. Allenfalls über die Altvertragsregelung könnte noch eine Befreiung erreicht werden.

Lösung der Abwandlung zu Fall 1

Durch die EU-VO 2022/263 wurden bestimmte Geschäfte in den „spezifizierten Gebieten“ (Donezk und Luhansk) verboten. D könnte ihre Geschäfte mit U nur dann fortsetzen, wenn sie keine Güter nach Anhang II in diese Regionen (bzw. zum dortigen Gebrauch) ausführt bzw. verkauft, wenn sie keine EU-Einfuhr mit Ursprung in Donezk und Luhansk betreibt und wenn sie keine verbotenen Investitionen durchführt. Gerade Letzteres ist hier sehr genau zu prüfen, weil es neben dem Erwerb von Eigentum an Immobilien in Donezk und Luhansk u.a. auch um den Erwerb einer neuen Beteiligung (bzw. Ausweitung einer Beteiligung) an Unternehmen in Donezk und Luhansk oder das Abschließen von Kreditvereinbarungen für Einrichtungen in beiden Städten geht. Notfalls ist die Altvertragsregelung zu prüfen (Meldung hierfür nicht vergessen!).

Die Russland-Sanktionen vom 25. Februar 2022

Hier geht es um drei EU-Verordnungen und vier GASP-Beschlüsse. Mit der EU-VO 2022/332 werden 98 natürliche Personen in der Ukraine-VO 269/2014 gelistet; zu ihnen gehören weitere Mitglieder der russischen Staatsduma, die die Beschlüsse zu Donezk und Luhansk unterstützt haben, sowie mehrere militärische Machthaber sowie Minister und Beauftragte des russischen Präsidenten, inklusive Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergei Lawrow. Auch ihr Vermögen in der EU wird eingefroren, sodass sie ab sofort nicht mehr darüber verfügen können.

Durch die GASP-Beschlüsse 2022/329 und 2022/333 wurde geklärt, dass den Verantwortlichen und denjenigen, die die Untergrabung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine unterstützen, die Einreise verweigert werden kann (u.a. auch den Gelisteten), ebenso Geschäftsleuten, die mit den Separatisten im Donezk-Becken Geschäfte treiben oder die eine wichtige Einnahmequelle für die russische Regierung darstellen. Gleichzeitig erfolgte eine Teilaussetzung des Visa-Abkommens zwischen der EU und Russland, sodass auch Besuche von Geschäftsleuten aus Russland und von Delegationen der russischen Regierung in der EU schwieriger werden dürften.

Am wichtigsten für das Russland-Geschäft dürfte die EU-VO 2022/328 sein: Es ist die große Änderungs-VO zur Russland-VO 833/2014. Sie enthält so viele Verschärfungen der Ausfuhr und der Geldmarktinstrumente, dass sie einem Fast-Total-Embargo entspricht. Die wichtigsten neuen Ausfuhrbeschränkungen sind:

• grundsätzliches Verbot des Verkaufs und Exports aller gelisteten Dual-Use-Güter (sowie der technischen Hilfe und der Finanzmittel) nach Art. 2 – es sei denn, der Ausführer weist einen der folgenden nicht-militärischen Zwecke nach: Humanitäres, Medizin, Nachrichtenmedien, Softwareaktualisierungen, Verbraucherkommunikationsgeräte, Informationssicherheit bzw. persönlicher Gebrauch für Russland-Reisende

• spezifisches Verbot des Verkaufs und Exports aller in Anhang VII genannten Güter (sowie der technischen Hilfe und der Finanzmittel), die zur militärischen/technischen Stärkung Russlands beitragen können (Art. 2 a). Für in Anhang IV genannte militärisch geprägte Einrichtungen werden Lieferungen von gelisteten Dual-Use-Gütern und von Anhang-VII-Gütern nur in Extremfällen genehmigt

• spezifisches Verbot des Verkaufs und Exports aller in Anhang X genannten Güter (sowie der technischen Hilfe und der Finanzmittel), die für Erdölraffination verwendet werden könnten (Art. 3 b)

• spezifisches Verbot des Verkaufs und Exports aller in Anhang XI genannten Güter (sowie der technischen Hilfe und der Finanzmittel), die in der Luft- und Raumfahrt verwendet werden könnten (Art. 3 c)

• Verbot, öffentliche Finanzmittel oder Finanzhilfen für den Handel mit Russland oder für Investitionen in Russland bereitzustellen (Art. 2 e); Ausnahmen für prioritäre Güter (Lebensmittel, Landwirtschaft, Medizin, Humanitäres)

Für alle Verbote bestehen Altvertragsregelungen (für Verträge, die vor dem 26. Februar 2022 geschlossen wurden), sofern eine Genehmigung vor dem 1. Mai 2022 beantragt wird bzw. sofern das Geschäft bis zum 28. März 2022 oder  27. Mai 2022 erfüllt wird.

Die wichtigsten neuen Verschärfungen für Geldmarktinstrumente u.Ä. sind:

• Verbot des Verkaufs/Kaufs von Geld-marktinstrumenten nach dem 12. April 2022, wenn sie von bestimmten Instituten in Russland (Anhang XII: Alfa Bank, Bank Otkritie, Bank Rossiya, Promsvyaz-Bank) oder ihren Auslandstöchtern begeben wurden (Art. 5 Abs. 2)

• Verbot des Verkaufs/Kaufs von Geld-marktinstrumenten nach dem 12. April 2022, wenn sie von bestimmten Firmen in Russland (Anhang XIII: Almez-Antey, Kamaz, Seehandelshafen Novorossiysk, Rostec, Russische Eisenbahn, JSC PO Sevmash, Sofcomflot, United Shipbuilding Corporation), sofern diese sich unter öffentlicher Kontrolle mit Gewinnbeteiligung für die russische Regierung oder Zentralbank befinden, oder ihren Auslandstöchtern begeben wurden (Art. 5 Abs. 4)

• Verbot, an EU-Handelsplätzen übertragbare Wertpapiere von russischen Unternehmen, die sich zu mindestens 50% in öffentlicher Inhaberschaft befinden, zu notieren und hierfür Dienstleistungen zu erbringen (Art. 5 Abs. 5)

• Verbot der Neuvergabe von Krediten an die Einrichtungen nach Abs. 1 bis 4 (Banken nach Anhang III und nach Anhang XII, Firmen mit militärischer Ausrichtung nach Anhang V, Ölfirmen nach Anhang VI, Firmen nach Anhang XIII; Art. 5 Abs. 6). Dies gilt nicht für Kredite, die vor dem 26. Februar 2022 vereinbart wurden, sofern alle Bedingungen danach nicht mehr verändert wurden.

• Verbot, übertragbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente, die nach dem 9. März 2022 begeben wurden, unmittelbar bzw. mittelbar zu kaufen, zu verkaufen oder hierfür Hilfsdienste zu erbringen, wenn sie von der Regierung Russlands, der Zentralbank Russlands oder von einer Einrichtung in ihrem Namen (Art. 5 a) begeben wurden (vgl. hierfür auch die Altvertragsregelung)

• Verbot für Zentralverwahrer in der EU, nach dem 12. April 2022 Wertpapierdienstleistungen an in Russland ansässige Personen zu erbringen (Art. 5 e)

• Verbot, auf Euro lautende Wertpapiere, die nach dem 12. April 2022 begeben wurden, an in Russland ansässige Personen zu verkaufen (Art. 5 f)

Neu sind auch die Einschränkungen für „Oligarchen“-Einlagen:

• Es ist verboten, Einlagen von Russen über 100.000 EUR entgegenzunehmen (Art. 5 b). Nur aus abschließend aufgezählten Gründen (Grundbedürfnisse, juristische Dienstleistungen, amtliche Tätigkeiten, Humanitäres, Förderung von Rechtsstaatlichkeit oder für außerordentliche Ausgaben – hier nur mit Sondergenehmigung) kann eine solche Einlage genehmigt werden.

• Kreditinstitute sind verpflichtet, bis zum 27. Mai 2022 und anschließend jährlich an die deutsche Behörde und die EU-Kommission eine Liste der Einlagen von in Russland Ansässigen über 100.000 EUR vorzulegen und an die deutsche Behörde Einlagen über 100.000 EUR von Russen, die im Rahmen eines Investorenprogramms die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben (Art. 5 g).

• Es scheint Konsens zu bestehen, dass die „goldenen Pässe“, also der Verkauf von „EU-Pässen“ an vermögende Russen, in der Praxis beendet werden sollen.

Lösung Ausgangsfall 2

Bisher war es nur erforderlich, dass zumindest dann, wenn das Portfolio des Kunden in Russland z.T. militärisch war, nachgewiesen wurde, dass es nicht um eine militärische Verwendung und nicht um einen militärischen Endverwender geht (vgl. unseren Beitrag in: Export-Manager 7/2015). Jetzt muss D erst einmal prüfen, ob es nicht um eines der Güter geht, die in weiteren Anhängen der Russland-VO 833/2014 (u.a. in den neuen Anhängen VII, X und XI) gelistet sind, und D muss nachweisen, dass es um einen der in Art. 2 abschließend genannten nicht-militärischen Zwecke (Humanitäres, Medizin, Nachrichtenmedien, Softwareaktualisierungen, Verbraucherkommunikationsgeräte, Informationssicherheit bzw. persönlicher Gebrauch für Russland-Reisende) geht. Sollte dieser Nachweis nicht möglich sein, muss D auf die Altvertragsregelung setzen, für die eine Genehmigung vor dem 1. Mai 2022 beantragt werden muss.

Resümee

Angesichts des Umstandes, dass die russische Regierung gegen zwingendes Völkerrecht (das Gewaltverbot) verstoßen hat, wodurch das Leben von vielen Menschen, die keinen Anlass für diesen Krieg gegeben haben, gefährdet wird, mussten die EU-Mitglieder eine entschlossene und zielgerichtete Antwort geben. Weil eine militärische Intervention ausschied, musste die Antwort durch die Stärke des Embargo-Rechts erfolgen. Diese Antwort ist gelungen. Die EU-Mitglieder haben es geschafft, innerhalb von zwei Tagen ein Fast-Total-Embargo gegen Russland zu verhängen, um durch den weitgehenden Abbruch des Handels Russland die wirtschaftliche Möglichkeit zu nehmen, diesen Krieg länger fortzuführen.

Besonders hervorzuheben ist der neue Anhang VII, der die Ausfuhr von Gütern verbietet, die zur militärisch-technischen Stärkung Russlands beitragen können. Dies ist absolut zielgenau, weil es die Fortführung eines Krieges erschwert. Weiter hervorzuheben ist das „Austrocknen“ der Einnahmequellen für die russische Regierung und für die Zentralbank Russlands; auch das wird dazu beitragen, die Fortführung eines Krieges zu erschweren.

EU-Unternehmen, deren Ausfuhren jetzt unter eine der vielen Verbotspositionen fallen und die den für Altverträge wichtigen Stichtag verpassen (vor allem die Beantragung einer Ausfuhrgenehmigung vor dem 1. Mai 2022) – hier ist viel Eile erforderlich! –, werden sich als Leidtragende des verschärften Russland-Embargos sehen. Solange die Gefahr von nicht gerechtfertigten Gewaltverstößen der Regierung Putin besteht, solange wird es kaum ohne ein solch verschärftes Russland-Embargo gehen.

Die Verhältnismäßigkeit dürfte erfordern, diese verschärften Regelungen aber dann abzumildern, sobald die russische Kriegsgefahr nicht mehr akut ist. Dass die EU und die deutsche Regierung auch an die Verhältnismäßigkeit denken, sieht man nicht nur an den Altvertragsregelungen, sondern u.a. auch daran, dass von der EU beschlossen wurde, nicht ganz Russland von SWIFT abzukoppeln, sondern nur einzelne russische Banken – vor allem solche, die gelistet sind (dadurch bleibt der erlaubte Russland-Handel weiter möglich). Alle deutschen Exporteure, die ihr Russland-Geschäft vor dem 23. Februar 2022 überprüft haben, sollten jetzt noch einmal prüfen, ob das Geschäft – wegen des verschärften Russland-Embargos – noch umgesetzt werden darf.

Wegen aktueller Hinweise zum Russland-Embargo vgl. HIER und zum EU-Exportrecht (inkl. Blocking-VO) vgl. HIER.

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