Trotz der schwachen Entwicklung ihres wichtigsten Handelspartners Deutschland konnte die polnische Wirtschaft insb. im zweiten Halbjahr 2024 wachsen. Ein Rekordanstieg der Reallöhne kurbelte die Kaufkraft der privaten Haushalte an, wodurch der private Konsum zum wichtigsten Wachstumstreiber wurde. Für 2025 erwartet Polen einen stärkeren Zufluss von EU-Geldern, der die öffentlichen Investitionen beflügeln soll.

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Angetrieben vom privaten und öffentlichen Konsum wuchs die polnische Wirtschaft 2024 preisbereinigt um 2,9% zum Vorjahr. Der bedeutende Beitrag des Konsums wurde durch eine Normalisierung der Kaufkraft der privaten Haushalte möglich – die Reallöhne stiegen um 9,8% im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig blieb der Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosenquote von 4,9% im Jahresdurchschnitt angespannt. Ein starker Złoty und die schwache Auslandsnachfrage – insb. aus Deutschland – wirken sich negativ auf die polnische Wirtschaft aus. Auch die Investitionstätigkeit blieb verhalten, eingeschränkt durch eine restriktive Geldpolitik.

Im Jahr 2025 dürfte die polnische Wirtschaft weiter Fahrt aufnehmen, dieses Mal getragen von öffentlichen Investitionen. Coface prognostiziert ein Wirtschaftswachstum von 3,6% im Jahresvergleich. Maßgeblich hierfür sind die EU-Fördermittel innerhalb des Europäischen Entwicklungsfonds, die für das Jahr 2025 mit einem Umfang von 3,6% des BIP besonders hoch ausfallen. Zusätzliche öffentliche Investitionen werden auf kommunaler Ebene erwartet. Die ungewöhnlich hohen Bargeldbestände der Kommunen deuten darauf hin, dass neue öffentliche Projekte bald realisiert werden dürften. Das Wachstum privater Investitionen bleibt jedoch verhalten – ohne EU-Förderung wird es für Unternehmen aufgrund der hohen Zinsen durch die restriktive Geldpolitik weiter teuer sein, externe Finanzierungen zu erhalten.

Die letzten Meter im Kampf gegen die Inflation

Nach einem starken Rückgang der Inflation von durchschnittlich 11,4% im Jahr 2023 auf 3,6% 2024 erlebte Polen zu Beginn des Jahres 2025 einen moderaten Anstieg der Teuerungsrate. Dieser vorübergehende Anstieg, der voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte seinen Höhepunkt erreicht, ist hauptsächlich auf die Abschaffung der Strompreisbremse und die Rückkehr zu den normalen Mehrwertsteuersätzen zurückzuführen. Diese Phase dürfte jedoch kurzlebig sein, und der allgemeine Trend der rückläufigen Inflation sollte mit Blick auf die Stabilisierung der globalen Energiemärkte in der zweiten Jahreshälfte dominieren. Dennoch wird es voraussichtlich bis 2026 dauern, bis das Inflationsziel der Polnischen Nationalbank (NBP) in einem Band von 2,5% (+/–1 Prozentpunkt) erreicht wird.

Obwohl die Inflation allgemein rückläufig ist, befindet sich die Geldpolitik weiterhin auf einem hohen Niveau ihres Zinserhöhungszyklus. Nach dem Höchststand von 6,75% (2022/23) wurde der Leitzins nur zwei Mal im Jahr 2023 um insgesamt einen Prozentpunkt gesenkt und ab Oktober 2023 von der NBP unverändert bei 5,75% gehalten, um die Inflation weiter in Richtung des Zielbandes zu drücken. Die Fortschritte bei der Preisteuerung sind beachtlich, weshalb Coface mit einem vorsichtigen Zinsschritt von 25 Basispunkten zum Ende des Jahres 2025 rechnet. 2026 sollten diese langsamen Schritte fortgesetzt werden.

Schwierige Bedingungen für polnische Exporteure

Im Jahr 2025 wird das polnische Leistungsbilanzdefizit voraussichtlich einen neuen Rekordstand erreichen, bedingt durch mehrere wirtschaftliche Faktoren. Das schwache Wachstum wichtiger Handelspartner – insb. Deutschlands, Frankreichs und der Tschechischen Republik – wird die externe Nachfrage nach polnischen Exporten dämpfen. Gleichzeitig sollten Importe von Waren und Dienstleistungen steigen, da inländische Investitionen zunehmen. Hierzu werden auch die beispiellos hohen Verteidigungsausgaben Polens, die 2025 voraussichtlich 4,7% des BIP erreichen werden, erheblich beitragen. Denn die Beschaffung von Verteidigungsgütern ist stark importabhängig.

Polnische Exporteure haben dagegen weitere Probleme: Durch die im Vergleich zum Euro-Raum relativ hohen Realzinsen kam es zu erheblichen Kapitalzuflüssen privater Anleger nach Polen, die den Złoty auf den höchsten Stand seit 2008 gebracht haben. Dadurch werden polnische Waren im Vergleich zu bspw. den deutschen Wettbewerbern teurer, was den finanziellen Druck auf die Exporteure erhöht. Eine Rekordzahl von Unternehmen hat angegeben, dass sich der aktuelle EUR/PLN-Wechselkurs einer kritischen Schwelle nähert, bei der Exporte möglicherweise nicht mehr rentabel sind.

Trzaskowskis Sieg könnte politische Blockade durchbrechen

Die Regierungskoalition, bestehend aus insgesamt sechs verschiedenen Parteien – aufgegliedert in drei Fraktionen, die vom christ-demokratisch agrarischen Spektrum über eine wirtschafts- und sozialliberale bis hin zur grünen und sozialdemokratischen Ausrichtung reichen –, befindet sich in der Mitte ihrer vierjährigen Amtszeit und steht vor großen Herausforderungen. Sie ergeben sich aus den unmittelbar ideologischen Differenzen zwischen der Regierung und dem Staatspräsidenten.

So hat Präsident Andrzej Duda, der der rechts-nationalistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) nahesteht, mittels seines Vetorechts wichtige Gesetzesinitiativen blockiert und eine politische Pattsituation herbeigeführt. Darüber hinaus hat die heterogene Zusammensetzung der Koalition zu Streitigkeiten geführt, die es schwieriger machen, größere politische Maßnahmen umzusetzen – insb. bei umstrittenen gesellschaftlichen Themen wie z.B. Schwangerschaftsabbrüchen.

Positionen der PiS in den Umfragen geschwächt

Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Mai 2025 könnten zumindest einen Teil der Herausforderungen abbauen. Es wird allgemein erwartet, dass der Kandidat von Ministerpräsident Donald Tusks liberalkonservativer Bürgerkoalition, der Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski, die Wahl gewinnt.

Mehrere Faktoren sprechen für Trzaskowski: Der amtierende Präsident Duda darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren und die PiS hat daraufhin mit Karol Nawrocki einen in der Politik relativ unbekannten Kandidaten aufgestellt. Sein Mangel an politischer Erfahrung zusammen mit der Strategie, mehr gemäßigtere Positionen einzunehmen, um für die breite Bevölkerung wählbarer zu werden, haben die Position der PiS in den Umfragen geschwächt und Trzaskowski zum klaren Favoriten gemacht. Obwohl der Präsident formal politisch unabhängig ist, würde ein Sieg Trzaskowskis den Gesetzgebungsprozess vereinfachen und eine effektivere Umsetzung der politischen Agenda der Regierung ermöglichen.

Mehr Informationen zu Polen und weitere Coface-Länderrisikoeinschätzungen HIER

mateusz.dadej[at]coface.com

www.coface.de

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