Wenn ein Exportunternehmen ausländische Investoren beteiligen will, sind viele Vorschriften der Investitionskontrolle zu beachten. Im Zweifel kann ein Prüfverfahren beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) erforderlich werden.
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Ausgangsfall: D stellt maßgeschneiderte Komponenten für zivile und militärische Flugzeuge her. Es handelt sich um Dual-Use-Güter (gelistet oder nicht) und um Rüstungsgüter. Da D viel investieren und vorfinanzieren muss, sucht er einen ausländischen Investor. Dabei ist er noch unentschieden, ob es um einen Finanzinvestor oder einen strategischen Investor gehen soll. Was muss D hierfür beachten?
Investitionskontrolle in der AWV
Die Außenwirtschaftsverordnung enthielt schon länger in den §§ 55 ff. AWV und §§ 60 ff. AWV die Prüfung von „Unternehmenserwerben“, also von Investitionen ausländischer Erwerber. Nachdem es zu einer Reihe von spektakulären ausländischen (v.a. chinesischen) Beteiligungen/Erwerben kam (z.B. Hamburger Hafen, Oktober 2022), wurde das Recht der Investitionskontrolle in der AWV zuletzt am 27. September 2023 novelliert. Systematisch wird zwischen der sektorübergreifenden Prüfung (§§ 55–59a AWV) und der sektorspezifischen Prüfung unterschieden (§§ 60–62 AWV).
Die sektorübergreifende Prüfung umfasst den Erwerb von grundsätzlich allen Unternehmen und ihren Anteilen durch unionsfremde Ausländer (also durch Ausländer aus Drittstaaten). Dies ist nicht beschränkt auf Unternehmen in bestimmten Wirtschaftsbereichen. Das Verfahren kann entweder von Amts wegen oder aufgrund einer Meldung (§ 55a Abs. 4 AWV) bzw. durch einen Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 58 AWV) eingeleitet werden. Die sektorspezifische Prüfung – sie ist für Erwerbe durch alle Ausländer (also auch für Ausländer aus EU-Mitgliedstaaten) anwendbar – gilt nur für bestimmte Rüstungsgüter und IT-Sicherheitsprodukte (§ 60 AWV), sodass diese Vorschrift als lex specialis gegenüber der sektorübergreifenden Prüfung nach § 55 AWV gilt. Die Prüfung der Investitionskontrolle wird in Deutschland durch das BMWE durchgeführt.
Weitere gesetzliche Grundlagen der Investitionskontrolle
Mit der Screening-VO (EU-VO 2019/452) wurde ein europäischer Rahmen für die nationale Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen geschaffen, der den Schutz strategischer Interessen der EU zum Ziel hat. So müssen bei Transaktionen von grenzüberschreitender Bedeutung die EU-Kommission und die betroffenen Mitgliedstaaten informiert werden (vgl. Art. 6). Die EU-Kommission kann dann eine Stellungnahme zum Prüfverfahren abgeben, wenn sie der Auffassung ist, dass voraussichtlich die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in mehr als einem Mitgliedstaat beeinträchtigt wird.
Die BSI-KritisV ist die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik). Diese vom Bundesinnenministerium erlassene Rechtsverordnung definiert den Begriff der „kritischen Infrastruktur“ in § 2 Abs. 10 BSI-Gesetz. Und § 55a Abs. 1 Nr. 1 AWV nimmt hierauf Bezug.
Lösung des Ausgangsfalls
Die sektorspezifische Investitionskontrolle gilt nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 AWV u.a. für Unternehmen, die Rüstungsgüter nach Teil I A der Ausfuhrliste entwickeln oder herstellen. Das liegt bei D vor; hierfür reicht es, wenn D u.a. auch Rüstungsgüter herstellt. Nach § 60 AWV kann das BMWE prüfen, ob
• der Erwerb eines solchen deutschen Unternehmens oder
• der Erwerb einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung (von mindestens 10% der Stimmrechte, vgl. § 60a AWV) – bei der sektorübergreifenden Prüfung würde es um 10, 20 oder 25% der Stimmrechtsanteile (§ 56 AWV) gehen – an einem solchen deutschen Unternehmen oder
• der Erwerb bestimmter Assets (eines abgrenzbaren Betriebsteils oder der wesentlichen Betriebsmittel) dieses deutschen Unternehmens
durch einen Ausländer „wesentliche Sicherheitsinteressen der BR Deutschland voraussichtlich beeinträchtigt“. Die Frage des Umsatzes ist für das Prüfungsrecht des BMWE irrelevant, weil die Prüfung von § 60 AWV unabhängig von bestimmten Schwellenwerten erfolgt. Da es um den Erwerb von mindestens 10% Stimmrechtsanteilen geht, spricht dies dafür, dass vor allem strategische Investoren angesprochen werden, da sie eher daran interessiert sind, das deutsche Unternehmen in die eigene Unternehmensstruktur einzugliedern. Das BMWE hat aber bestätigt, dass dies auch für Finanzinvestoren gilt, da diese meist stimmrechtsähnliche Vorteile oder vergleichbare Kontrollrechte erwerben.
Sofern der ausländische Investor von D insgesamt oder mindestens 10% der Stimmrechtsanteile oder einzelne Assets von D erwerben will, wird ein Prüfungsrecht des BMWE begründet. Ein solcher Erwerb wäre dem BMWE unverzüglich nach Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags zu melden. In der Meldung an das BMWE durch den Erwerber sind u.a. folgende Angaben zu machen: der Erwerb, der Erwerber, das inländische Unternehmen und die Beteiligungsstrukturen des Erwerbers sowie die betroffenen Geschäftsfelder. Das Prüfverfahren des BMWE besteht aus einer Vorprüfung von zwei Monaten und einer Hauptprüfung von vier Monaten; bei besonderen Schwierigkeiten der Prüfung kann dies noch um drei Monate verlängert werden. Bei Investoren aus der EU kann das Prüfverfahren häufig im Rahmen der Vorprüfung (von zwei Monaten) behandelt werden.
Sollte ein Prüfungsrecht des BMWE bestehen, dann geht es v.a. um die Prüfung der Kriterien nach § 60 Abs. 1b und § 60 Abs. 2 AWV:
Hiernach wird berücksichtigt, ob
• der Erwerber unmittelbar oder mittelbar von der Regierung/staatlichen Stellen eines Drittstaates kontrolliert wird; diese Kontrolle kann auch schon bejaht werden bei einer Finanzausstattung durch die Regierung/staatliche Stellen (Kriterium 1),
• der Erwerber bereits an Aktivitäten beteiligt war, die nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung/Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines EU-Mitgliedstaates hatten (Kriterium 2),
• ein erhebliches Risiko besteht, dass der Erwerber oder die für ihn handelnden Personen an Aktivitäten beteiligt waren oder sind, die in Deutschland eine Straftat nach § 123 GWB oder eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit nach dem AWG/KWWG erfüllen würden (Kriterium 3) oder
• es Anzeichen für eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft gibt, dass die Prüfung nach § 60 Abs.1 AWV unterlaufen werden soll (Kriterium 4).
Wegen Kriterium 1 können Probleme v.a. bei Investoren aus Ländern wie China entstehen, weil dort ein sehr enges Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft besteht, bei dem die Regierung die Wirtschaft auch zwingen kann, Beiträge zum militärischen Fortschritt zu erbringen (Konzept der zivilmilitärischen Fusion). Selbst bei einem Investor aus den USA können Schwierigkeiten etwa wegen der Anwendung der International Traffic in Arms Regulations (ITAR) entstehen (vgl. Kriterium 3).
Resümee
Ein Prüfverfahren des BMWE wegen ausländischer Investoren ist v.a. für den Bereich von Rüstungsgütern und IT-Gütern (vgl. § 60 AWV) von hoher Bedeutung, weil aus Sicherheitsgründen erreicht werden muss, dass Rüstungsgüter und Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen (nach dem BSI-Gesetz, u.a. Kryptosysteme) nicht unter ausländische Kontrolle fallen. Vor allem aus Gründen der Indus-triepolitik und der Sicherheitsrelevanz ist es auch wichtig, dass über Rüstungsgüter/IT-Güter hinaus eine sektorübergreifende Prüfung stattfindet:
1. Zum Schutz der Daseinsvorsorge und der öffentlichen Willensbildung vor gezielter ausländischer Einflussnahme ist zunächst der Schutz der kritischen Infrastrukturen (§ 55a Abs. 1 Nr. 1 AWV) und Medienunternehmen erforderlich.
2. Für die wirtschaftliche Stärke und Technologieführerschaft Deutschlands müssen allen voran die Schlüsseltechnologien geschützt werden. Denn für die wirtschaftliche Entwicklung eines Industrielandes ist eine „technologische Souveränität“ v.a. bzgl. der Schlüsseltechnologien unerlässlich, zumal diese potenziell auch militärisch genutzt werden können.
Fragen kann man sich, ob Schwellenwerte eingeführt werden sollten, weil sonst bei kleinsten Unternehmen auch Prüfverfahren wegen eines ausländischen Investors erforderlich werden können. Dies erscheint aber unverhältnismäßig, wenn Kleinunternehmen einen Minimalumsatz unterschreiten.
Der Schutz der Investitionskontrolle durch die Prüfverfahren des BMWE wird sehr effektiv gehandhabt. Vor allem aus Gründen der Sicherheitsrelevanz und der Industriepolitik dürfte auch künftig eine Investitionskontrolle unvermeidlich sein.
Hierauf deutet der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hin („Ausländische Investitionen, die unseren nationalen Interessen widersprechen, in kritische Infrastruktur und in strategisch relevanten Bereichen, wollen wir effektiv verhindern“ – wobei die Industriepolitik hier nicht sehr deutlich wird). Betroffene Unternehmen sollten daran denken, dass das Engagieren eines ausländischen Investors im Zweifel zu einem Prüfverfahren des BMWE führen kann.
Wegen aktueller Hinweise zum Außenwirtschaftsrecht vgl. HIER
info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com
www.hohmann-rechtsanwaelte.com







