Was können deutsche Exporteure tun, wenn sie feststellen, dass sie ihr Belarus-Geschäft wegen Listung ihrer Güter nach dem Belarus-Embargo nicht fortsetzen dürfen? Welche Möglichkeiten bestehen, die Tochter in Belarus noch mit etwas Gewinn zu verkaufen, ohne gegen das EU-Belarus-Embargo oder die Gegensanktionen von Belarus zu verstoßen?
Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)
Ausgangsfall: D in Deutschland betreibt in Belarus durch seine Tochter B eine Reparaturwerkstatt für Industrieanlagen. Inzwischen sind sowohl die von D hergestellten Industrieanlagen als auch die für Reparaturen benötigten Ersatzteile fast alle vom EU-Belarus-Embargo gelistet worden. Daher kann D weder Ersatzteile liefern noch Reparaturen durchführen, ohne gegen das EU-Belarus-Embargo zu verstoßen. Die gelisteten Ersatzteile sind vor dem Erlass entsprechender Exportbeschränkungen von D an B geliefert worden. Um wenigstens noch einen Teil seiner Vermögenswerte zu „retten“, möchte D die Tochter B in Belarus verkaufen, entweder im Rahmen eines sog. Share-Deals oder eines Asset-Deals. Ist dies nach dem EU-Belarus-Embargo und den Gegensanktionen in Belarus zulässig?
Vorgaben nach dem EU-Belarus-Embargo
Mit Änderungsverordnung vom 29. Juni 2024 (wirksam ab dem 1. Juli 2024) hat die EU parallel zum 14. Sanktionspaket des EU-Russland-Embargos das EU-Belarus-Embargo (EU-VO 765/2006) vollständig an das EU-Russland-Embargo angeglichen. Neben zahlreichen neuen Güterlistungen insb. für Industriegüter und Luxusgüter sind nunmehr auch ein Dienstleistungsverbot, umfangreiche Importverbote, die Pflicht zur Aufnahme einer „No-Belarus-Klausel“ für Güter von hoher Priorität sowie eine Meldepflicht für alle Informationen, die die Umsetzung dieser Verordnung erleichtern, in das EU-Belarus-Embargo aufgenommen worden. Die Güterlistungen beinhalten dabei auch ein Verbot der technischen Hilfe für gelistete Güter.
In ihren FAQ zu den Russland-Sanktionen, die sinngemäß auch für Belarus gelten, stellt die EU-Kommission ausdrücklich fest, dass die Sanktionen nicht extraterritorial und damit nicht für ausländische Töchter gelten. Allerdings wird von der Kommission darauf hingewiesen, dass europäische Mutterunternehmen Sanktionen nicht durch ihre ausländischen Töchter umgehen dürfen, indem z.B. sanktionsrelevante Entscheidungen an diese Töchter delegiert oder sanktionswidrige Entscheidungen genehmigt werden.
Damit sind zwar belarussische Angestellte eines Tochterunternehmens in Belarus für ihre Handlungen nicht nach dem EU-Belarus-Embargo verantwortlich. Da aber belarussische Töchter i.d.R. umfangreichen Weisungsrechten der europäischen Mütter unterliegen und diese weder sanktionsrelevante Tätigkeiten genehmigen noch eigene Entscheidungsbefugnisse an die Tochter abtreten dürfen, dürfte ein Weiterbetrieb belarussischer Tochterunternehmen auf die Dauer nicht möglich sein.
Hier hilft Art. 8da der EU-Belarus-Verordnung, wonach im Rahmen der Abwicklung belarussischer Tochtergesellschaften auch die Lieferung gelisteter Teile durch die national zuständigen Behörden (in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA) genehmigt werden kann. Zwar läuft die Frist nach Art. 8da bereits am 31. Dezember 2024 ab, wobei die Abwicklung der Transaktion noch bis zum 2. Januar 2025 möglich sein soll, wie sich einer Vorbemerkung der Änderungsverordnung entnehmen lässt. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass diese Frist, wie auch bereits beim EU-Russland-Embargo, kurzfristig noch einmal verlängert wird.
Vorgaben nach den Gegensanktionen von Belarus
Die belarussische Regierung hat seit Beginn des Ukraine-Krieges parallel zur russischen Regierung mehrere Maßnahmen getroffen, um dem Abzug von Investitionen aus dem eigenen Land entgegenzuwirken.
Ursprünglich hat die belarussische Regierung dazu eine Vielzahl von Unternehmen gelistet und für diese die Verfügung über Immobilien und Unternehmensanteile beschränkt. Mittlerweile sind diese Einzellistungen wieder aufgehoben worden, und es unterliegt jedwede Verfügung über Unternehmensanteile (inkl. einer Umstrukturierung) und Immobilien, die im Eigentum von ausländischen Personen oder Gesellschaften stehen, einem Genehmigungsvorbehalt in Belarus.
Der Erhalt einer entsprechenden Genehmigung ist mit einem Genehmigungsverfahren verbunden, das mindestens sechs Monate dauern dürfte. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass ein ausländischer Verkäufer eine Genehmigung nur unter der Auflage erhält, dass er eine Abgabe in Höhe von 25 bis 50% des von der zuständigen Kommission festgestellten Marktwertes zahlt. Für den Verkäufer kann dies zum wirtschaftlichen Totalverlust führen, weil der von der zuständigen Kommission festgestellte Marktwert bei einem Verkauf unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen in Belarus kaum zu erzielen sein dürfte. Allerdings wird die Abgabe erstattet, wenn die Transaktion scheitern sollte.
Die wirtschaftlichen Bedingungen für den Betrieb belarussischer Unternehmen haben sich zum einen deswegen verschlechtert, weil wegen der Sanktionen eine Belieferung mit allen für den Betrieb erforderlichen Gütern kaum mehr möglich sein dürfte. Zum anderen, weil Belarus vor dem Ukraine-Konflikt ein wichtiges Transitland zwischen Russland und der EU gewesen ist und diesen Status jetzt verloren hat.
Aber auch die Stilllegung eines belarussischen Tochterunternehmens wäre mit erheblichen Risiken verbunden. So sieht eine belarussische Verordnung vor, dass eine Gesellschaft mit ausländischen Eigentümern unter Zwangsverwaltung gestellt werden kann, wenn der Vorstand (oder andere Leitungsorgane) wirtschaftlich ungerechtfertigte Maßnahmen ergreift, die zu einer Liquidation, einem Konkurs oder zu einer tatsächlichen Einstellung der Tätigkeit führen. Ob dabei die Einstellung des Geschäftsbetriebes wegen zwingender Vorgaben des EU-Belarus-Embargos als gerechtfertigt oder ungerechtfertigt bewertet würde, ist bisher unklar.
Nach einer anderen Verordnung kann es bei unfreundlichen Handlungen sogar zu einer Beschlagnahme und damit Enteignung der Unternehmensanteile kommen. Völlig unklar ist dabei, unter welchen Voraussetzungen seitens der belarussischen Behörden eine unfreundliche Handlung angenommen wird. Bisher jedenfalls scheinen die zuständigen belarussischen Behörden von dieser Maßnahme gegen ausländische Unternehmen höchstens in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht zu haben.
Vorüberlegungen zum Ausgangsfall
D sollte im Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen in beiden Ländern zwischen einem Share-Deal und einem Asset-Deal unterscheiden.
Share-Deal: Ein Share-Deal hat den Nachteil, dass für jegliche Übertragung von Unternehmensanteilen und Immobilien in Belarus nach den Gegensanktionen eine Genehmigung erforderlich ist, die mit einem aufwendigen Genehmigungsverfahren und einer hohen Zwangsabgabe verbunden ist. Dafür hätte ein Share-Deal den Vorteil, dass zumindest in Deutschland hierfür keine Genehmigung erforderlich sein dürfte. Das BAFA hat zu erkennen gegeben, dass die Bundesregierung im Gegensatz zur EU-Kommission die Belarus/Russland-Embargoverordnungen nicht so auslegt, dass für eine Übertragung von Unternehmensanteilen im Wege eines Share-Deals eine BAFA-Genehmigung erforderlich ist.
Asset-Deal: Bei einem Asset-Deal würden, um das Genehmigungsverfahren in Belarus zu vermeiden, lediglich bewegliche Sachen verkauft und die Reparaturwerkstatt ggf. vermietet werden. Auf diese Art und Weise dürfte zwar das belarussische Genehmigungsverfahren zu umgehen sein, allerdings wäre eine BAFA-Genehmigung für die Übereignung gelisteter Güter erforderlich.
Hinweis: In Belarus ist wegen der sowjetischen Vorgeschichte bei Grundstücken zwischen dem Land und dem darauf errichteten Gebäude zu unterscheiden. Während das Gebäude im Eigentum einer privaten Gesellschaft oder Person stehen kann, muss das Land zusätzlich vom belarussischen Staat gepachtet werden, üblicherweise für entsprechend lange Zeiträume.
Lösung Ausgangsfall
Folgt man den Hinweisen der EU-Kommission, darf D den Weiterbetrieb der Reparaturwerkstatt seiner Tochter B weder billigen noch darf D insoweit seine Weisungsbefugnisse einschränken.
Das sicherste Vorgehen nach deutschem Recht wäre daher, dass D bis zum Ende des Embargos jedenfalls den Betrieb der Reparaturwerkstatt einstellt und damit seine Tochter B stilllegt. Bei einem solchen Vorgehen läuft D allerdings Gefahr, dass seine Tochter von den belarussischen Behörden unter Zwangsverwaltung gestellt und möglicherweise sogar beschlagnahmt wird.
Daher sollte D seine Tochter B entweder im Rahmen eines Share-Deals vollständig verkaufen oder im Rahmen eines Asset-Deals den Weiterbetrieb der Reparaturwerkstatt sicherstellen, damit es nicht zu Zwangsmaßnahmen seitens des belarussischen Staats kommt.
Ein Share-Deal wird dabei nur infrage kommen, wenn ein potenzieller Käufer ein Angebot macht, das jedenfalls über 50% des von den zuständigen belarussischen Behörden festgestellten Marktwertes liegt. Zudem ist das relativ aufwendige Genehmigungsverfahren in Belarus zu beachten, bei dem umfangreiche Unterlagen vorgelegt werden müssen. Schließlich sollte sich D vom BAFA bestätigen lassen, dass die in einem Share-Deal enthaltene Übereignung gelisteter Güter nicht genehmigungspflichtig ist.
Ein Asset-Deal unterliegt dagegen wegen der zahlreichen Güterlistungen in Deutschland einer Genehmigungspflicht beim BAFA. Die Genehmigung und die Transaktion müssen bis zum 31. Dezember 2024 bzw. 2. Januar 2025 abgeschlossen sein. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hat das BAFA insb. auch sicherzustellen, dass die gelisteten Güter nicht für einen militärischen Endnutzer oder eine militärische Endverwendung in Belarus (oder Russland) bestimmt sein könnten. Aus diesem Grund sind hinsichtlich des Käufers der gelisteten Anlagen, Maschinen und Ersatzteile bzw. des zukünftigen Betreibers und Mieters der Reparaturwerkstatt aussagekräftige Unterlagen von D vorzulegen.
Resümee
Seit Juli 2024 ist der Weiterbetrieb von Tochtergesellschaften in Belarus für deutsche Unternehmen kaum mehr möglich. Diese Töchter können in den seltensten Fällen noch mit Gütern beliefert werden, weil eine große Zahl von Gütern nunmehr auch vom EU-Belarus-Embargo erfasst ist. Zudem würde die Billigung des Weiterbetriebs einer Tochtergesellschaft, die gelistete Güter vertreibt oder technische Hilfe für gelistete Güter bzw. andere verbotene Dienstleistungen anbietet, ebenfalls gegen das EU-Belarus-Embargo verstoßen.
Wegen der Gegensanktionen in Belarus stecken deutsche Unternehmen dabei in einer Zwickmühle. Hier ist sorgfältig abzuwägen, ob die Abwicklung im Rahmen eines Asset-Deals oder eines Share-Deals erfolgen soll – oder ob ggf. der Betrieb stillgelegt werden und das Risiko der Zwangsverwaltung oder einer Beschlagnahme durch den belarussischen Staat in Kauf genommen werden soll.
Wegen aktueller Hinweise zum EU-Russland-Embargo vgl. HIER
info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com
www.hohmann-rechtsanwaelte.com