Gibt es genügend Maßnahmen gegen Umgehungslieferungen? Muss die No Russia Clause aus Art. 12g verschärft werden? Dies sind einige der Fragen, die vom Ende Juni verabschiedeten 14. Sanktionspaket thematisiert werden. Was bedeutet das neue Sanktionspaket für Exporteure?

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall 1: Das Logistikunternehmen D-GbR ist ein in Europa operierendes Kraftverkehrsunternehmen (vgl. Art. 1 lit. w des Russland-Embargos). Die Gesellschafter sind drei Deutsche und ein russischer Staatsangehöriger (R). R hat zusätzlich noch die Staatsangehörigkeit von Kasachstan. Welche Auswirkungen hat das 14. Paket auf die D-GbR?

Ausgangsfall 2: Der Förderverein V, der Mediendienstanbieter M und die Partei P erhalten je eine Spende von 10.000 EUR vom Spender S. S handelt für die Donation Corp., die zu 51% mittelbar von der OOO-R in Russland gehalten wird, die ihrerseits zu 50% in öffentlicher Inhaberschaft steht. Wie müssen sich die drei Empfänger verhalten? Abwandlung: Was wäre, wenn die Spende an eine Privatperson ginge?

Ausgangsfall 3: Die D-GmbH in Deutschland verlangt von ihren außereuropäischen Töchtern, sich nach besten Kräften zu bemühen, sich nicht an Handlungen zu beteiligen, welche im Widerspruch zur Russland-VO stehen könnten. Müssen auch die folgenden Töchter dies beachten?: I, eine 100%-ige Tochter in Indonesien, B in Brasilien, an der D zu 51% beteiligt ist, sowie A in Algerien, an der D nur zu 30% beteiligt ist. Bei Letzterer hat D aber das Recht, die Mehrheit des Aufsichtsorgans zu bestellen und abzuberufen und die Vermögenswerte von A zu nutzen. Bei diesen drei Töchtern besteht kein besonderer Russland-Bezug.

Ausgangsfall 4: D in Deutschland verkauft weltweit handgeknüpfte Luxus-Teppiche der ZTN 5701. Nachdem diese in Anhang XVIII des Russland-Embargos gelistet wurden, stellte D den Handel mit Russland ein. Vor 2022 war Russland der größte Abnehmer für diese Waren. Nach einem erheblichen Umsatzeinbruch gibt es jetzt Bestellungen aus Kasachstan, das vorher unbedeutende Bestellmengen abgenommen hatte; jetzt sind die Mengen in gleicher Größe wie die bisherigen Verkäufe nach Russland. D geht daher davon aus, dass seine Waren den Weg nach Russland finden könnten, weiß dies aber nicht sicher. Darf D den Verkauf fortsetzen?

Ausgangsfall 5: Die Firma D in Deutschland, die langjährige Geschäftsbeziehungen zu R in Russland unterhielt, ist (nach dem Embargo) in rechtliche Auseinandersetzungen mit R verwickelt worden. In der Folge sind zugunsten von R in Russland durch Entscheidung des russischen Präsidenten gem. Erlass Nr. 302 Vermögenswerte von D beschlagnahmt und unter die Verwaltung von R gestellt worden. R befriedigte seine Forderungen aufgrund seiner Verwaltungsbefugnis unter Rückgriff auf die Vermögenswerte und Beteiligungen, die D noch in Russland hielt. Wie kann D, die weiß, dass R noch Vermögenswerte in der EU besitzt, ihren erlittenen Schaden ersetzt verlangen?

Die wesentlichen Inhalte des 14. Sanktionspakets

Zunächst zur Ukraine-VO: Mit einer neuen Durchführungs-VO (VO 2024/1746) zur Ukraine-VO 269/2014 sind weitere Listungen erfolgt, nämlich von 69 Personen und 47 Einrichtungen. Jetzt sind 1.823 Personen und 473 Einrichtungen auf der Ukraine-VO gelistet. Mit der VO 2024/1739 kommt es zu einigen Änderungen der Ukraine-VO, u.a. einer Verschärfung des Umgehungsverbots (Art. 9) und der Einräumung eines Klagerechts (Art. 11a), die denen der Russland-VO entsprechen.

Zur Russland-VO: Durch die VO 2024/1745 kommt es zu erheblichen Veränderungen bei der Russland-Verordnung 833/2014. Die wichtigsten Änderungen sind die folgenden:

Änderung 1: Es kommt zu zahlreichen Neufassungen und Änderungen der Russland-Anhänge: Eine Neufassung erfolgt v.a. für Anhang IV (militärische Endverwender – hier sind jetzt 675 Unternehmen gelistet!), Anhang VII (strategische Güter, für welche ein Ausfuhrverbot nach Russland besteht) und Anhang XXIII (Ausfuhrverbot für Güter zur Stärkung der industriellen Kapazität Russlands – hier wird auch ein Anhang XXIII C angefügt). Neu sind Anhang XLII (Listung von Schiffen nach Art. 3s) und die noch nicht befüllten Anhänge XLIII bis XLV (Liste der Einrichtungen nach Art. 5 ab, 5 ac und 5 ad). Änderungen finden vor allem bei folgenden Anhängen statt: Anhang VIII (Liste der Partnerländer: ergänzt um Liechtenstein), Anhang XXI (Einfuhrverbot in die EU für Güter, die Russland erhebliche Einnahmen bringen können), Anhang XL (Liste der Güter und Technologien für die No Russia Clause aus Art. 12g). Güterbezogen geht es um neue Ausfuhrverbote nach den Anhängen VII und XXIII, u.a. für bestimmte Werkzeugmaschinen, geländegängige Fahrzeuge, bestimmte Chemikalien, Kunststoffe, Erdbewegungsmaschinen, elektrische Ausrüstung. Die Einfuhrverbote nach Anhang XXI werden u.a. auf Helium-Produkte ausgedehnt.

Änderung 2: Beschränkungen beim Handel mit russischem Flüssiggas (LNG): Es gibt kein umfassendes EU-Einfuhrverbot für russisches LNG, sondern nur punktuelle Verbote. Verboten ist die Erbringung von Wiederverlade-Diensten für russisches LNG auf dem Gebiet der EU, und zwar für Schiff-zu-Schiff- und Schiff-zu-Land-Umladungen (neuer Art. 3r, ausgenommen sind v.a. Vorgänge, die für die Bunkerung von mit LNG betriebenen Schiffen erforderlich sind). Zudem bestehen Einfuhrbeschränkungen für russisches LNG über bestimmte Terminals, die nicht an das Erdgasnetz angeschlossen sind (neuer Art. 3u). Hinzu kommt ein Lieferverbot für Güter und Dienstleistungen für bestimmte LNG-Projekte in Russland (Art. 3t). Es war wichtig, dass diese Beschränkungen für Russlands milliardenschweres Geschäft mit LNG eingeführt wurden, weil Häfen wie Zeebrugge (Belgien) für die Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten (wie China, Indien, Türkei) genutzt wurden. Diese Beschränkungen sollen dazu führen, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger LNG verkaufen und damit weniger Geld für seinen Angriffskrieg einnehmen kann.

Änderung 3: Verschärfung der No Russia Clause Art. 12g: Die No Russia Clause (vgl. hierzu unseren Beitrag in Ausgabe 1/2024, S. 21 f.) wird wie folgt verschärft. Erstens: Der Anwendungsbereich wird erweitert durch die Güter-Ergänzungen in Anhang XL („gemeinsame vorrangige Güter“), wobei für einige dieser Positionen Ausnahmen und für andere Übergangsregelungen bis zum 1. Januar 2025 gelten (vgl. Art. 12g Abs.2). Gleichzeitig wird klargestellt, dass die No Russia Clause grundsätzlich nicht für öffentliche Aufträge gilt, die mit einer Behörde im Drittland oder einer internationalen Organisation abgeschlossen wurden (Art. 12g Abs. 2a). Zweitens: Der neue Art. 12ga weitet die No Russia Clause auch auf IP-Rechte ab dem 26. Dezember 2024 aus. Auch bei der Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums an Vertragspartner aus Drittstaaten müssen EU-Unternehmen die Nutzung dieser Rechte im Zusammenhang mit Gütern nach Anhang XL für den russischen Markt untersagen.

Drittens: Für die Ausfuhr von Gütern nach Anhang XL in ein Drittland werden in Art. 12gb spezielle Schritte einer Risikominimierung zur Verhinderung einer Umleitung verlangt. Hier geht es um besondere Due-Diligence-Maßnahmen für die Güter nach Anhang XL. Es müssen dem Risiko angemessene Schritte einer Risikominimierung ergriffen werden, um so weit als möglich eine Umgehungslieferung zu vermeiden. Ohne das Ergreifen solcher Maßnahmen besteht die Gefahr, dass Exporteuren der Vorwurf der Fahrlässigkeit für einen erfolgten Sanktionsverstoß gemacht wird, wenn das Gut durch Umleitungen Dritter in Russland ankommt. Hinzu kommt, dass grundsätzlich auch außereuropäische Töchter verpflichtet sind, ab dem 26. Dezember 2024 solche speziellen Schritte zur Risikominimierung für Anhang-XL-Güter einzuführen (Art. 12gb Abs. 3) – diese Verpflichtung ist sehr weitgehend. Hier findet sich eine „abgespeckte“ Version des (von Deutschland abgelehnten) EU-Vorschlags, alle Tochtergesellschaften auf die Einhaltung der No Russia Clause zu verpflichten.

Änderung 4: Allgemeines Umgehungsverbot und allgemeine Steuerung von Tochtergesellschaften: Das bisherige allgemeine Umgehungsverbot von Art. 12 („Es ist verboten, sich wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten zu beteiligen, mit denen die Umgehung der in dieser Verordnung vorgesehenen Verbote bezweckt oder bewirkt wird.“) wird jetzt präzisiert durch den Zusatz im neuen Art. 12: „… auch wenn mit der Beteiligung an solchen Tätigkeiten dieser Zweck oder diese Wirkung nicht absichtlich angestrebt wird, es aber für möglich gehalten wird, dass sie diesen Zweck oder diese Wirkung hat, und diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen wird.“ Diese Präzisierung (mit dem dolus eventualis = Eventual-Vorsatz) führt dazu, dass schon das bloße „Für-möglich-Halten“ einer Umgehungslieferung zumindest dann zu einem Verbot bzgl. dieser Handlung führt, wenn dieser Umgehungserfolg billigend in Kauf genommen wird. Nach Erwägungsgrund 37 hat sich der EU-Gesetzgeber hier vom Sinterofen-Urteil des EuGH (RS C-72/11) leiten lassen.

Für die allgemeine Steuerung von Tochtergesellschaften ist der neue Art. 8a zu beachten: Demnach müssen sich natürliche und juristische Personen „nach besten Kräften bemühen sicherzustellen“, dass sich außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, „die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben“. Hiermit fordert die EU, dass EU-Unternehmen durchführbare Maßnahmen ergreifen, die die Einhaltung des Russland-Embargos auch in ihren außereuropäischen Tochtergesellschaften sicherstellen sollen. Zwar ist diese Pflicht etwas soft formuliert („nach besten Kräften“), aber klar ist auch: Die EU-Unternehmen sollten hierfür alle ihre Möglichkeiten nutzen.

Änderung 5: Verbot der Nutzung des russischen Zahlungsverkehrssystems und Transaktionsverbote: Der neue Art. 5ac verbietet EU-Unternehmen außerhalb Russlands ab dem 25. Juni 2025 die Nutzung des Zahlungsverkehrssystems SPFS der russischen Zentralbank. Hieraus folgen nach Art. 5ac auch Transaktionsverbote für Geschäfte mit Unternehmen aus Drittländern, die diese Zahlungssysteme weiter nutzen und die daher unter Anhang XLIV gelistet werden. Der neue Art. 5ad schafft Transaktionsverbote für Geschäfte mit Unternehmen aus Drittländern, bei denen es sich um Finanzinstitute handelt, die an Transaktionen mit Embargoware beteiligt sind und daher unter Anhang XLV gelistet sind. (Art. 5ad ist etwas unklar formuliert, sodass nicht ganz ausgeschlossen ist, dass das Transaktionsverbot auch schon Rechtswirkungen entfaltet, bevor eine Finanzinstitution auf Anhang XLV gelistet ist.)

Weitere Transaktionsverbote nach dem neuen Art. 5ab gelten für Geschäfte mit solchen in Anhang XLIII gelisteten Unternehmen, die bestimmte Privilegien der russischen Schiedsgerichtsbarkeit nutzen, um Ansprüche durchzusetzen, deren Erfüllung das Erfüllungsverbot von Art. 11 Russland-VO verhindern möchte. Die Anhänge XLIII bis XLV sind derzeit noch leer.

Änderung 6: Sanktionen für Schiffe, Kraftverkehr und Flüge: Der neue Art. 3s führt für die in Anhang XLII genannten Schiffe bestimmte Schiffssanktionen ein. Diesen Schiffen darf kein Zugang zu Häfen, Ankerzonen und Schleusen im Unionsgebiet mehr gewährt werden; auch zahlreiche Geschäftshandlungen für diese Schiffe sind verboten. Das Beförderungsverbot für die Union galt bisher nur für in Russland niedergelassene Kraftverkehrsunternehmen; durch den neuen Art. 3l wird es jetzt erstreckt auf EU-Unternehmen, an denen ein russischer Gesellschafter mind. 25% Anteile hält. In Art. 3d wird der Anwendungsbereich der Start-, Lande- und Überflugverbote für Luftfahrzeuge (und der entsprechenden Meldepflichten) erweitert.

Änderung 7: Zuwendungen Russlands und Patentanmeldungen durch Russen: Nach dem neuen Art. 5t, der die demokratischen Prozesse in der Union vor dem Einfluss Russlands schützen soll, gilt Folgendes: Akteuren der politischen Parteien und der öffentlichen Meinungsbildung wird die Entgegennahme von Zuwendungen von der russischen Regierung oder russischen Staatsunternehmen untersagt. Bemerkenswert ist, dass die zuständigen Behörden für Zuwendungen, die demokratische Prozesse nicht beeinträchtigen und demokratische Grundlagen nicht untergraben, eine Ausnahme genehmigen können.

Nach dem neuen Art. 5s nehmen die europäischen Ämter für Rechte des geistigen Eigentums keine Anträge auf Eintragung von Marken, Patenten und vergleichbaren Schutzrechten mehr an, wenn diese von russischen Staatsangehörigen, von Personen mit Wohnsitz in Russland oder von russischen Unternehmen eingereicht werden.

Änderung 8: Schadenersatzansprüche für EU-Rechtsunterworfene wegen russischer Inanspruchnahme in Drittländern ohne Rechtsschutzmöglichkeit: Der neue Art. 11a begründet einen Anspruch auf Ausgleich solcher Schäden, die deswegen entstanden sind, weil sich der EU-Rechtsunterworfene nicht wirksam gegen die gerichtliche Inanspruchnahme in einem Drittland im Zusammenhang mit einem vom Embargo betroffenen Geschäft verteidigen konnte, sofern ein Zugang zu wirksamen Rechtsbehelfen im Drittland versperrt war. Weil nach Art. 11 jegliche Kompensation für die Nichterfüllung von Verträgen (inkl. der Rückzahlung von Anzahlungen) verboten ist, müssen international tätige Unternehmen die Vollstreckung in Vermögenswerte (z.B. Grundstücke) in Drittstaaten (wie etwa China) fürchten.

Der Schadensanspruch aus Art. 11a soll diese negativen Konsequenzen wohl abfedern, ändert aber nichts daran, dass die betroffenen Unternehmen wertvolle Assets in Drittstaaten verlieren können. Zudem ist ungewiss, ob eine potenziell zu verklagende russische Person überhaupt noch Vermögenswerte in der EU hat. Der neue Art. 11b betrifft den Ausgleich von Schäden, die EU-Rechtsunterworfene dadurch erlitten haben, dass russische Personen nach Art. 11 in völkerrechtswidriger Weise von der Anordnung vorübergehender Verwaltung nach dem russischen Dekret 302 vom 25. April 2023 profitiert haben.

Lösung Ausgangsfall 1 (Logistikunternehmer-Fall)

Zu Änderung 6: Ab dem 26. Juli 2024 ist es diesem Kraftverkehrsunternehmen verboten, im Gebiet der Union Güter auf der Straße – einschließlich zu Zwecken der Durchfuhr – zu befördern, da es zu mind. 25% im Eigentum einer russischen Person ist (Art. 3l Abs. 1c). Die Eigentumsverhältnisse sind nach Aufforderung der Behörden darzulegen. Auch die zweite Staatsangehörigkeit von R von Kasachstan ändert an diesem Ergebnis nichts; anders wäre es bei einer zweiten Staatsangehörigkeit eines EU-Landes.

Lösung Ausgangsfall 2 (Spenden-Fall)

Zu Änderung 7: Gem. Art. 5t sind die Zuwendungen an V, M und P verboten: P ist eine Partei, M ist ein „Mediendienst-Anbieter“ nach EU-VO 2024/1083 und V ist eine Nichtregierungsorganisation. Nach Abs. 3 würde ausnahmsweise eine Genehmigungsmöglichkeit bestehen. In der Abwandlung würde kein solches Verbot bestehen, weil Privatpersonen von diesem Verbot nicht betroffen sind. (Kritisch lässt sich einwenden, dass zumindest Politiker und Abgeordnete noch in dieses Verbot einbezogen werden sollten).

Lösung Ausgangsfall 3 (Töchter-Fall)

Zu Änderung 4: D muss sich nach Art. 8a bemühen sicherzustellen, dass seine ausländischen Tochtergesellschaften sich nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen nach der Russland-VO untergraben. Nach Erwägungsgrund 30 müssen hierfür alle geeigneten/notwendigen und durchführbaren Maßnahmen ergriffen werden, die ein Untergraben dieser restriktiven Maßnahmen verhindern. Für I und B bestehen exakt die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Norm, da hier Eigentum von D von mind. 50% besteht. Weiter lässt sich aus Erwägungsgrund 28 ableiten, dass an die Stelle des Eigentums von mind. 50% auch eine Kontrolle treten kann, u.a. die Befugnis, die Mitglieder des Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzurufen; das ist bei A der Fall. Für das Auslösen der Pflichten nach Art. 8a ist u.E. nicht erforderlich, dass D einen Russland-Handel ihrer Töchter befürchtet. Stattdessen hat D die Kontrolle präventiv dahingehend auszuüben, eine mögliche Umgehung des Russland-Embargos zu verhindern.

Lösung Ausgangsfall 4 (Teppichhandel-Fall)

Zu Änderung 4 (vgl. auch Änderung 3): Nach dem neu formulierten Art. 12 ist eine verbotene Umgehung schon dann zu bejahen, wenn eine Weiterleitung nach Russland für möglich gehalten wird und D diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen hat. D hält hier eine Weiterleitung nach Russland für möglich; verboten wäre ihm diese Handlung dann, wenn er diese Möglichkeit billigend in Kauf nehmen würde. Hier ergibt sich eine praktische Schwierigkeit: Es gibt zahlreiche unterschiedliche Auslegungsmethoden und somit Unsicherheiten dafür, wann eine solche Billigung vorliegt. Von daher dürfte eine solche Billigung nicht immer nachweisbar sein. Unternimmt D jedoch keine Schritte, um seinem kasachischen Kunden die Weiterlieferung der Güter zu untersagen, obwohl er die Möglichkeit einer Weiterlieferung nach Russland sieht, könnte darin im Zweifel eine Billigung gesehen werden.

Lösung Ausgangsfall 5 (Schadenersatz-Fall)

Zu Änderung 8: Hier geht es um eine Klage nach Art. 11b, weil R vom russischen Dekret 302 profitiert hat. Die D-GmbH ist eine nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründete juristische Person; sie ist somit eine Person nach Art. 13 lit. d der Russland-VO. R ist eine Person nach Art. 11 Abs.1 lit.b der Russland-VO. D ist ein Schaden aufgrund der Russland-VO 833/2014 und der Anwendung des russischen Dekrets 302 entstanden, D hatte keine Verteidigungsmöglichkeiten und v.a. keinen Zugang zu den russischen Gerichten. Daher kann D den erlittenen Schaden vor den deutschen Gerichten einklagen.

Resümee

Das 14. Sanktionspaket ist ein wichtiger Schritt, um Schlupflöcher für Umgehungslieferungen zu schließen. Neben den Beschränkungen bei LNG-Transaktionen (Änderung 2) geht es hier v.a. um die Verschärfung der No Russia Clause (Änderung 3) – v.a. durch die Notwendigkeit spezifischer Risikomaßnahmen nach Art. 12gb –, um das allgemeine Umgehungsverbot und um die allgemeine Steuerung von Tochtergesellschaften (Änderung 4): Dies wird zu umfassenden Handlungspflichten bei den Exporteuren führen, die sich – gerade wegen der Weite der Handlungspflichten – anwaltlich beraten lassen sollten, wie diese Pflichten am besten umzusetzen sind.

Um Umgehungslieferungen zwischen Belarus und Russland zu verhindern, wäre es gut, wenn künftig die Anhänge beider Embargo-VO exakt angeglichen würden. Dass sich das Verbot bestimmter Zuwendungen Russlands (Art. 5t, Änderung 7) – zum Schutz demokratischer Prozesse in der EU – nicht gegen Politiker und Abgeordnete richtet und dass die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung besteht, erscheint bedenklich. Die neuen Klage-möglichkeiten nach Art. 11a und 11b (Änderung 8), um sich vor völkerrechtswidrigen/embargowidrigen Schäden durch Russland zu schützen, sind zwar gut, beruhen aber auf einem Wunschdenken der EU-Kommission.

Abgesehen von eingefrorenen Geldern wird es in den meisten Fällen unmöglich sein, noch Vermögenswerte russischer Personen in der EU zu finden. Wünschenswert wäre eine Fortentwicklung im Sinne eines Schadenersatzanspruchs gegen die EU oder den betroffenen Mitgliedstaat, da der Verlust von Vermögenswerten in Russland oder einem Drittland unter bestimmten Voraussetzungen ein Sonderopfer darstellt, das nicht dem Einzelnen, sondern der Gemeinschaft, aufgebürdet werden soll.

Wegen aktueller Hinweise zum Russland-Embargo vgl. HIER

info[at]hohmann-rechtsanwaelte.com

www.hohmann-rechtsanwaelte.com

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