Die Europäische Union hat sich auf ein 17. Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. Neben Maßnahmen gegen die sog. Schattenflotte werden die güterbezogenen Sanktionen ausgeweitet und an Umgehungsversuchen beteiligte Akteure sanktioniert.
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Die „umfassendste Runde von Sanktionen seit Beginn des Krieges“ nennt die Hohe EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Katja Kallas, das 17. Sanktionspaket der Europäischen Union gegen Russland. Inhaltlich umfasst das neueste Paket insgesamt zwei Verordnungen und vier Durchführungsverordnungen, die die verschiedenen Teilbereiche der Sanktionsmaßnahmen enthalten und bestehende Sanktionsverordnungen ergänzen.
• Verordnung (EU) 2025/932 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 enthält allgemeine restriktive Maßnahmen sowie Einfuhr- und Ausfuhrverbote.
• Verordnung (EU) 2025/964 und Durchführungsverordnung (EU) 2025/965 zur Änderung/Durchführung der in Verordnung (EU) 2024/2642 enthaltenen Maßnahmen gegen gezielte destabilisierende Maßnahmen Russlands gegen Drittstaaten
• Verordnung (EU) 2025/933 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 enthält allgemeine Finanzsanktionen gegen aufgeführte Personen, Organisationen und Einrichtungen.
• Verordnung (EU) 2025/958 des Rates vom 20. Mai 2025 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2024/1485 enthält Maßnahmen gegen Menschenrechtsverletzung und interne Repression durch Akteure des russischen Staates.
• Durchführungsverordnung (EU) 2025/959 des Rates vom 20. Mai 2025 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2018/1542 führt weitere restriktive Maßnahmen gegen die Verbreitung und den Einsatz chemischer Waffen ein.
Maßnahmen gegen die Schattenflotte
Kern der Sanktionen ist die Aufnahme von 189 weiteren Schiffen der russischen „Schattenflotte“. Diesen Schiffen ist u.a. das Einlaufen in Häfen in der EU verboten. Treffen dürfte die Betreiber der Schattenflotte zudem, dass europäische Unternehmen gegenüber den gelisteten Schiffen keine Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Schifffahrt mehr anbieten bzw. diesen gegenüber erbringen dürfen.
So soll es Russland durch die Listung der Schiffe erschwert werden, den sog. Ölpreisdeckel zu umgehen. Neben der Beschränkung weiterer Exportmöglichkeiten und Sanktionsumgehung zielen diese Maßnahmen auch auf die Minimierung von Risiken für die Schifffahrt und Umwelt ab. Viele Schiffe der Schattenflotte werden nicht von westlichen Reedereien betrieben bzw. sind nicht ausreichend versichert. Sie entsprechen nicht mehr den technischen Standards und bergen oft ein hohes Risiko für die Umwelt.
Gelistet werden teilweise auch Betreiber von Schiffen mit dem Ziel, das hinter der Schattenflotte stehende System zu schwächen. Insb. sollen die Sanktionen neben der Verringerung russischer Einnahmen auch die gezielte Zerstörung von Unterwasserinfrastruktur wie Seekabel erschweren. Daneben werden die Maßnahmen gegen die Schattenflotte von der Listung bestimmter Fischereibetriebe flankiert, denen in diesem Zusammenhang Sabotage von Seeinfrastruktur vorgeworfen wird. Zuletzt war in diesem Kontext auch vermehrt zivile Infrastruktur das Ziel von Spionage- oder Sabotageoperationen.
Weitere Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen
Weiterhin umfasst das Paket eine Reihe von Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen in Russland und einigen Drittstaaten. So wurden mehr als 45 weitere Individuen und Vereinigungen gelistet, die im Zusammenhang mit dem russischen Militär bzw. Industriekomplex stehen. Sie versorgen die russische Armee mit Drohnen, Waffen, Munition oder sonstiger militärischer Ausrüstung. In ihrem Besitz oder Eigentum befindliche Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen müssen eingefroren werden, und es dürfen auch keine neuen Ressourcen bereitgestellt werden. Zudem werden auch Visasperren für weitere ranghohe russische politische Beamter bzw. Geschäftsleute verhängt.
Die EU verfolgt mit diesen Sanktionen auch weiterhin das Ziel, möglichst die Unternehmen und Individuen zu treffen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine durch ihre Handlungen erst ermöglichen. Dies kann im Einzelfall durch finanzielle Beiträge, aber auch durch direkte Lieferungen, Unterstützung bei Umgehungsmaßnahmen oder Propaganda erfolgen.
Zu den gelisteten Einzelpersonen zählen russische Propagandisten, aber auch IT-Unternehmer, denen eine Rolle in der hybriden Kriegsführung Russlands vorgeworfen wird.
Zu den gelisteten Unternehmen zählt ein prominenter Akteur des russischen Energiesektors. Das Sanktionspaket umfasst Maßnahmen gegen das russische Ölunternehmen Surgutneftegas. Durch seine Umsätze mit dem Verkauf von Rohstoffen hatte dieses Unternehmen maßgeblich zur Finanzierung des Angriffskrieges gegen die Ukraine beigetragen. Daneben sind nun auch einzelne russische Transporteure von russischem Rohöl gelistet.
Eine weitere Neuerung stellen Sanktionen gegen Unternehmen in Drittstaaten dar, die Russland bei der Umgehung der Sanktionen unterstützen. Dies betrifft 31 Unternehmen. Neben russischen Firmen sind auch einige Unternehmen in China und den Vereinigten Arabischen Emiraten gelistet, denen die Beteiligung an Sanktionsumgehungen vorgeworfen wird. Zusätzlich gelistet werden direkte Unterstützer des russischen Militärs u.a. in Serbien, der Türkei, Vietnam und Usbekistan.
Maßnahmen gegen russische Propaganda
Weitere Maßnahmen des Sanktionspakets richten sich gegen Organisationen und Personen, die an der Verbreitung von russischer Propaganda oder Desinformation beteiligt sind. Dies betrifft sowohl die Verbreitung bestimmter russischer Medien im Ausland als auch die allgemeine Verbreitung von Falschnachrichten. Es ist insb. verboten, Inhalte der gelisteten Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu senden oder deren Sendung zu ermöglichen, zu erleichtern oder auf andere Weise dazu beizutragen.
Hier werden erstmals auch einige Influencer mit europäischen Staatsbürgerschaften sanktioniert, die Russland-freundliche Inhalte verbreiten. Prominentestes Beispiel ist hier die Sanktionierung des Medienkanals „Voice of Europe“ und der dahinterstehenden Personen.
Weitere Sanktionen betreffen die Unterstützung von Menschenrechtsverstößen oder Manipulationsversuchen durch den russischen Staat, seine Institutionen und verbundene Personen. Hiervon sind mehrere Personen, Organisationen oder Einrichtungen betroffen, die u.a. gewaltsame Demonstrationen in Drittstaaten erleichtern, Informationen manipulieren oder Einschüchterungsmaßnahmen vornehmen.
Auch sind Maßnahmen gegen die Verfolgung der Opposition durch die russische Justiz enthalten. Rund 20 Richter und Ankläger werden gelistet, die an dem juristischen Kampf gegen die russische Opposition beteiligt sind. Diese waren in der Vergangenheit insb. in den Verfahren gegen Vladimir Kara-Murza und den Kremlkritiker und Oppositionsführer Alexei Navalny tätig.
Exportverbote für bestimmte Güter und weitere Maßnahmen
Exportverbote für Chemikalien und andere Güter werden durch das Paket ausgeweitet. Dies betrifft zum einen bestimmte Chemikalien, die zur Herstellung von Waffen benötigt werden. Zum anderen sind auch zusätzliche Beschränkungen für Dual-Use-Güter enthalten, die der militärischen Infrastruktur Russlands nicht zur Verfügung gestellt werden sollen. Daneben wird auch die Liste einzelner Materialien, Güter oder Technologien erweitert, die nicht nach Russland oder zur Verwendung in Russland verkauft, geliefert, verbracht oder ausgeführt werden dürfen. Beide Maßnahmen richten sich gegen die russische Rüstungsindustrie und deren Fähigkeit zur Produktion von Hochtechnologie sowie konventionellen und chemischen Waffen.
Weitere Maßnahmen richten sich gegen die gezielte Entwendung ukrainischer Kulturgüter und die Beanspruchung landwirtschaftlicher Kapazitäten in den besetzten Gebieten Luhansk, Donezk sowie auf der Krim.
Fazit
Insgesamt enthält das Sanktionspaket nur in wenigen Bereichen gänzlich neue Maßnahmen und hat verglichen mit bisherigen Paketen einen eher durchschnittlichen Umfang. Dennoch stellt das Paket einen weiteren wichtigen Schritt dar, um bestehende Sanktionen auszuweiten und zu stärken. Dies ist auch im Zusammenhang mit dem Plan der EU zu sehen, eine Abhängigkeit von russischer Energie bis 2027 vollständig zu beenden. Zu betonen ist insb. die Listung einiger nicht-russischer Akteure, die den russischen Angriffskrieg direkt oder indirekt unterstützen. Für Unternehmen ist vor diesem Hintergrund auch bei Geschäften ohne erkennbaren Russland-Bezug Vorsicht geboten.