Der Konflikt USA–China macht sich auch in Sanktionslisten bemerkbar: Im Mai 2024 hat China den weltweit drittgrößten Rüstungshersteller BDS (eine Boeing-Tochter) aus den USA auf einer chinesischen Sanktionsliste gelistet. Und im August 2024 haben die USA zahlreiche chinesische Firmen auf der US-Entity-Liste gelistet, darunter auch erstmals zwei reine Anschriften (ohne Nennung einer Firma). Was bedeuten diese neuen Einträge auf Sanktionslisten für EU-Exporteure?
Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)
Ausgangsfall 1: D in Deutschland möchte die Boeing Defense Space & Security Group (BDS) beliefern. Bei einem Screening gegen Sanktionslisten stellt D zu seiner Überraschung fest, dass dieser Kunde gelistet ist, und zwar auf der chinesischen Unreliable Entity List. Darf D noch diesen Kunden beliefern?
Ausgangsfall 2: D in Deutschland möchte anschließend C in Hongkong beliefern, der sein Geschäft unter folgender Anschrift betreibt: „7/F MW Tower, 111 Bonham Strand, Sheung Wan, Hong Kong“. Bei einem Screening gegen Sanktionslisten stellt D zu seiner Verwunderung eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Listung von C fest, weil allein die exakte Anschrift von C als „Address 10, 7/F MW Tower, 111 Bonham Strand, Sheung Wan, Hong Kong“ (also ohne Nennung einer Person oder einer Firma) auf der US-Entity-Liste gelistet ist. Darf D diesen Kunden noch beliefern?
Abwandlung: Was wäre, wenn der Kunde C umzieht? Muss D dann immer noch diese Listung beachten?
Blacklisting nach dem Export Control Law Chinas
In unserer Analyse des Export Control Law (ECL) Chinas 2020 (in: China Contact 3/2022, Seite 15 ff.) haben wir darauf hingewiesen, dass es zwei Möglichkeiten eines Blacklisting gibt: erstens nach Art. 18 ECL, wenn gegen Regelungen bzgl. Endverwendungen/Endverwendern oder bzgl. der nationalen Sicherheit/nationalen Interessen Chinas verstoßen wird oder wenn kontrollierte Güter für terroristische Zwecke verwendet werden. Firmen im China-Geschäft dürfen mit diesen Gelisteten keine Geschäftsbeziehungen eingehen, die kontrollierte Güter zum Gegenstand haben.
Eine zweite Möglichkeit für eine Erfassung auf einer Schwarzen Liste erlaubt Order 4/2020 des chinesischen Handelsministeriums MOFCOM mit der Unreliable Entity List (UEL), welche eigens für ausländische Unternehmen vorgesehen ist. Die Voraussetzungen der Listung sind in Art. 2 der MOFCOM-Order 4/2020 enthalten; die möglichen weitreichenden Konsequenzen sind in deren Art. 10 genannt: Verbot für das gelistete Unternehmen, am China-Handel teilzunehmen, Investitionsverbote in China, Einreiseverbote für Mitarbeiter des gelisteten Unternehmens, Einschränkungen für den Aufenthaltsstatus der Mitarbeiter des gelisteten Unternehmens, eine Geldbuße (je nach Schwere des Verstoßes) oder andere Maßnahmen.
Zur Listung der Boeing-Tochter
Boeing Defense Space & Security (BDS) ist eine Boeing-Tochter, die für die militärische Luft- und Raumfahrt zuständig ist. Sie ist der weltweit drittgrößte Rüstungshersteller. BDS wurde am 20. Mai 2024 auf der chinesischen UEL gelistet, weil es wiederholt Raketen, militärische Drohnen, Panzer und andere Rüstungsgüter an Taiwan verkauft hatte. Daraufhin wurden gegen BDS neben einer Geldbuße Einreise-, Aufenthaltsbeschränkungen und Investitionsverbote für China ausgesprochen; v.a. wurde BDS untersagt, Import- und Exportaktivitäten im Zusammenhang mit China durchzuführen.
Vorher hatte dies schon das US-Unternehmen Caplugs getroffen: Dieses US-Unternehmen steht nur deshalb auf einer Watch-List, weil es chinesische Güter an auf der UEL gelistete Unternehmen geliefert hatte. Das MOFCOM hat chinesische Unternehmen dazu verpflichtet, sich zusichern zu lassen, dass aus China erworbene Waren nicht an Unternehmen weitergegeben werden, die auf der UEL gelistet sind.
Neue China-Listungen auf der US-Entity-Liste (August 2024)
Das BIS (Bureau of Industry and Security) hat am 27. August 2024 beschlossen, für China zwei Adressen zu listen, nämlich die „Address 09“ und „Address 10“ mit folgender Begründung. „Diese Adressen sind für erhebliche Umgehungslieferungen sensitiver Güter nach Russland verantwortlich.“ Offensichtlich konnte das BIS allein die Anschriften herausfinden, ohne dass klar war, um welche Firmen es dabei ging.
Lösung Ausgangsfall 1
Die Listung auf der UEL führt grundsätzlich nicht zu einem weltweiten Handelsverbot. Es geht eher um eine Beschränkung des China-Handels. Wenn D BDS beliefern will, würde v.a. dann das Risiko einer eigenen Listung von D in China drohen, wenn ein China-Zusammenhang besteht, also v.a. dann, wenn es hier um Güter geht, die D aus China bezogen hat, oder wenn in die Transaktion Firmen aus China involviert sind. Dabei ist allerdings unklar, ob schon jeder China-Zusammenhang ausreicht, um eine eigene Listung von D in China zu begründen, oder ob dafür erforderlich ist, dass eine Vielzahl höherwertiger Güter aus China betroffen ist.
Ein klares Risiko besteht bei einem Bezug zu Taiwan; denn bisher scheint es sich bei allen Einträgen auf der UEL um US-Unternehmen zu handeln, die Rüstungsgüter nach Taiwan geliefert haben. Wenn ein solcher China- oder Taiwan-Zusammenhang besteht, dürfte das Risiko hoch sein, dass D selbst gelistet wird, wenn es an das gelistete BDS liefert.
Lösung Ausgangsfall 2
Die Anschrift des Kunden C entspricht exakt der gelisteten „Address 10“, sodass dieser Kunde auf der US-Entity-Liste gelistet ist. Dies muss von D allerdings nur dann beachtet werden, wenn es hier um auf der CCL (Commerce Control List) gelistete Güter oder um EAR99-Güter nach Anhang 7 zu Teil 746 EAR geht. Und der erforderliche US-Nexus besteht nur dann, wenn es um Güter unter EAR-Jurisdiktion geht. Bei Gütern „made in Europe“ wäre dies nur dann der Fall, wenn der US-Wertanteil mehr als minimal wäre, wenn er also die De-Minimis-Grenze von 25% (für China und Russland) überschreitet. Wenn es um direkte Produkte aus US-Technologie geht, kann der erforderliche US-Nexus auch aus den FDP(Foreign Direct Product)-Rules aus § 734.9 EAR abgeleitet werden. Wenn eine dieser Voraussetzungen besteht, muss D als Nicht-US-Person diese Listung von C beachten. Ansonsten kann das Risiko bestehen, dass D wegen der Weiterbelieferung von C selbst auf der US-Entity-Liste gelistet wird.
Abwandlung zu Ausgangsfall 2
Da allein die „Address 10“ gelistet ist, würde die Listung des C mit dessen Umzug zu einer neuen Anschrift wegfallen. Grundsätzlich braucht D dann diese bisherige Listung nicht mehr zu beachten. Allerdings hat D jetzt Red Flags, dass sein Kunde C in erhebliche Umgehungsgeschäfte nach Russland verstrickt ist. Wenn D dann C beliefert, stellt sich die Frage, ob ihm ein Verstoß gegen das EU-Russland-Embargo vorgeworfen werden kann: Dass D trotz bestehender Warnhinweise für eine Umgehungslieferung nach Russland C weiter beliefert, könnte ihm u.U. als ein bedingt vorsätzlicher Embargoverstoß gewertet werden, wenn D keine strikten Absicherungsmaßnahmen gegen eine Weiterlieferung nach Russland ergreift.
Resümee
Der Konflikt zwischen USA und China schlägt sich auch auf Sanktionslisten Chinas und der USA nieder. China listet jetzt auf der UEL v.a. Firmen wegen Geschäften, die einen deutlichen China- oder Taiwan-Bezug aufweisen, v.a. dann, wenn sie Rüstungsgüter nach Taiwan geliefert haben. Wenn EU-Exporteure diese auf der UEL Gelisteten weiter beliefern oder aber wenn sie Rüstungsgüter nach Taiwan liefern – in beiden Fällen: v.a. mit Gütern, die aus China kommen –, kann es sein, dass diese Exporteure in den Fokus der chinesischen Behörden geraten oder sogar selbst auf der UEL gelistet werden und daraufhin ihr China-Geschäft einstellen müssen, wie es jetzt der Boeing-Tochter BDS ergangen ist.
Die neuen Einträge, allen voran bzgl. China, auf der US-Entity-Liste sind insofern bemerkenswert, als diese sich z.T. allein mit der Listung der Adresse begnügen, was zu einem neuartigen Typ von Sanktionslistung führt, nämlich einem, der ohne die Nennung der Firma auskommt. Sofern Ihr Kunde exakt auf dieser Anschrift ansässig ist, wäre Ihr Kunde gelistet; dies müssen Sie als Nicht-US-Person dann beachten, wenn dieser Vorgang unter EAR-Jurisdiktion steht, wenn also die De-Minimis-Grenze überschritten wird oder wenn die FDP-Rules greifen. Bei einem Umzug des Kunden geht zwar die Listung unter; allerdings sollte jetzt unbedingt beachtet werden, dass der EU-Exporteur bzgl. dieses Kunden Warnhinweise für eine Umgehungslieferung nach Russland hat. Ohne strikte Absicherungsmaßnahmen dürfte eine Belieferung dieses Kunden zum hohen Risiko eines Verstoßes gegen das EU-Russland-Embargo führen.
Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER und zum US-Exportrecht vgl. HIER
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