Banken und Industrie befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Erfüllen von Anforderungen und dem Streben nach Transformation. Kriterien und Standards sollen Transparenz schaffen. Eine Transformationsstrategie geht jedoch über das Einhalten von Mindeststandards hinaus.

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Wofür die drei Buchstaben ESG stehen, ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Environmental, Social, Governance oder zu Deutsch: Umwelt, Soziales und (gute) Unternehmensführung. Schwieriger ist es, einheitliche Standards für die Umsetzung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zu finden. Die Versuche mündeten in den vergangenen Jahren in Richtlinien und Verordnungen, vielfach in Bezug auf die Offenlegung von Wirtschaftsaktivitäten.

Banken stehen noch stärker als die Industrie im Fokus der Regulatorik, weil der Finanzbranche eine Schlüsselrolle bei der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft beigemessen wird. Dies mündet in einen Compliance-Druck in Bezug auf Transparenzanforderungen bei Finanztransaktionen einer Bank. Zudem entsteht ein innovationstreibender Wettbewerbsdruck: Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Finanzinstitute sich in Sachen nachhaltige Finanzierungen gut am Markt positionieren.

Auch die Industrie ist gefordert: Das 2021 verabschiedete Lieferkettengesetz ist ein Meilenstein in puncto Achtung der Menschenrechte und Erfüllung von bestimmten Umweltanforderungen. Das deutsche Klimaschutzgesetz fordert Treibhausgasneutralität bis 2045. Insb. Unternehmen aus dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau – dem exportstärksten Industriezweig Deutschlands – wird eine entscheidende Rolle bei der Klimatransformation der Wirtschaft beigemessen: Klimafreundliche Produktionstechnologien sind ein wesentlicher Transformationshebel.

EU-Taxonomieverordnung als Klassifizierungshilfe

Seit Juni 2020 ist die EU-Taxonomieverordnung, ein Kernstück der europäischen Klimapolitik, beschlossene Sache. Mit ihrem Inkrafttreten gelten seit dem 1. Januar 2022 klare Kriterien, wann eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig einzustufen ist. Bei der Unternehmensfinanzierung in Deutschland und der EU schlägt diese Regelung unmittelbar durch, da Banken verpflichtet sind, ihre laut Taxonomie nachhaltigen Aktivitäten offenzulegen.

Außerhalb der Europäischen Union gilt die EU-Taxonomie nicht. Für die Exportfinanzierung charakteristische Bestellerkredite in Entwicklungs- und Schwellenländer unterliegen stattdessen der freiwilligen nicht-finanziellen Offenlegung für nachhaltige Aktivitäten. Hier existieren international gültige Standards und Richtlinien. Sobald internationale Geldgeber und eine staatliche Risikodeckung (ECA-Deckung) im Spiel sind, ist eine umfassendere Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung des gesamten Vorhabens erforderlich. Eine der Mindestanforderungen ist z.B. die Einhaltung von Performance Standards der International Finance Corporation (IFC), einer Tochter der Weltbank.

Doch was definiert einen nachhaltigen Mehrwert über die Mindestanforderungen hinaus? Eine nachhaltige Finanzierung muss nachweislich einen positiven Effekt auf mindestens eine der drei Dimensionen von ESG haben und darf keiner anderen davon signifikant schaden. Ausschlusskriterien sind ein erster wichtiger Schritt. Doch das kann komplex sein: Wie schwierig die politische Entscheidungsfindung ist, wird bspw. in Bezug auf eine klimaschädliche, aber notwendige Übergangstechnologie wie Gas sichtbar.

SDG bieten globale Orientierung für mehr Nachhaltigkeit

Darüber hinaus bieten die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDG) Orientierungspunkte, um den nachhaltigen Mehrwert einer Finanzierung zu beurteilen. Sie sind seit 2017 fest in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankert und schlagen eine internationale Brücke.

Die internationalen Richtlinien und die EU-Taxonomie verfolgen das gleiche Ziel: transparent definieren, welche Aktivitäten nachhaltig sind, und Finanzströme sowie Wirtschaftsaktivitäten dorthin lenken – ohne dabei in einer der anderen ESG-Dimensionen Schaden anzurichten. Die Tatsache, dass es für die Beurteilung von Projekten in Entwicklungs- und Schwellenländern kein vorgegebenes Klassifizierungsschema à la EU-Taxonomie gibt, befreit von dem regulatorischen Druck und birgt Chancen im Sinne der Flexibilität. Es birgt aber auch Risiken in Bezug auf Greenwashing. Bisher vorhandene Richtlinien wie die internationalen Principles für Green bzw. Social Loans oder Sustainability-linked Loans befeuern eine Standardisierung im Finanzsektor und liefern eine gute Orientierungshilfe.

Die Exportfinanzierung der LBBW ist bestrebt, positive ESG-Effekte über die Mindestanforderungen hinaus zu schaffen. Dafür betrachten LBBW-Expertinnen und -Experten sowohl das Projekt als auch den Kreditnehmer unter ESG-Gesichtspunkten und prüfen: Wo leisten Unternehmen und die jeweilige Geschäftsaktivität bereits einen guten ESG-Beitrag und wo sind noch Stellschrauben?

Werden bspw. Windturbinen für einen Windpark geliefert, ist das Projekt im Sinne der Kategorie Klima durch die CO2-Ersparnis offensichtlich nachhaltig und trägt zu SDG 7 „Saubere Energie“ bei. Bei anderen Exportgütern, wie etwa Medizintechnik, kann der Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Dimension Soziales liegen und so zur Erreichung des SDG 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ beitragen. Auch Projekte zur Finanzierung von Verpackungsanlagen oder Textilmaschinen können nachhaltig sein, wenn bspw. bioresorbierbare Materialien zum Einsatz kommen (SDG 12 „Nachhaltiger Konsum und Produktion“) oder Arbeitsplätze entstehen (SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ oder SDG 1 „Armutsbekämpfung“).

KPIs für die Finanzierungskonditionen

Neben dem Projekt selbst kann auch der Importeur in seiner Rolle als Kreditnehmer anhand von ESG-Ratings, -Scores, -Labels oder -Benchmarks als nachhaltig eingestuft werden. Eine fundierte Nachhaltigkeitsstrategie des Importeurs kann zum einen rechtfertigen, warum z.B. eine Übergangstechnologie förder- und finanzierungswürdig sein kann. Zum anderen können sein ESG-Rating oder seine individuellen Nachhaltigkeitsziele als Grundlage für die Definition von sog. Key Performance Indicators (KPIs) dienen. An solche KPIs lassen sich Finanzierungskonditionen knüpfen, die einen Anreiz für das Erreichen oder gar Übertreffen der Nachhaltigkeitsziele setzen können.

Die bisherige Erfahrung zeigt jedoch auch: Eine Hochglanz-Nachhaltigkeitsstrategie allein reicht nicht aus, um sinnvolle Nachhaltigkeits-KPIs zu definieren. Ob die darin definierten Ziele ambitioniert genug sind, ob die Strategie alle wesentlichen Bereiche des Unternehmens umfasst und ob die positiven Effekte signifikant in Relation zu den restlichen Aktivitäten des Unternehmens sind, muss sorgfältig geprüft werden. Und auch nach einem erfolgreichen Abschluss ist noch nicht alle Arbeit getan: Durch angemessenes Monitoring muss nachgehalten werden, wie gut die Strategie letztlich umgesetzt wird.

Als Bank ist die LBBW bestrebt, im Sinne der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft die von ihr finanzierten Projekte und Kunden aus ESG-Sicht zu beurteilen. Transformation erfordert ein Umdenken, weg vom reinen Umsetzen der Mindestanforderungen gem. Compliance und regulatorischen Vorgaben und hin zu einem tiefen Verständnis der Einflussbereiche eines Projektes sowie der Ambitionen der Unternehmen, die diese Projekte umsetzen.

valeria.krepis@lbbw.de

www.lbbw.de

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