Während in Europa über Deglobalisierung und strategische Autonomie diskutiert wird, erlebt Südasien weiterhin eine Phase wirtschaftlicher Öffnung. Europäische Exporteure können von Südasiens Handelsliberalisierung profitieren.

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Länder wie Indien, Bangladesch und Pakistan gehören zu den dynamischsten Volkswirtschaften weltweit – mit wachsenden Mittelschichten, steigender Industrialisierung und einem hohen Bedarf an Importgütern. Diese Entwicklung schafft attraktive Chancen für europäische Exporteure. Eine zentrale Rolle spielen dabei Freihandelsabkommen (FHA): Sie erleichtern den Marktzugang, reduzieren Zölle und schaffen berechenbarere rechtliche Rahmenbedingungen. Auch Investoren profitieren zunehmend von verbesserten Standortbedingungen.

Gleichzeitig bestehen weiterhin Herausforderungen: Bürokratische Hürden, fragmentierte regulatorische Standards und geopolitische Spannungen verlangen nach einer differenzierten Exportstrategie. Dieser Artikel zeigt, welche FHA für Südasien besonders relevant sind, welche Chancen sie eröffnen – und wie Unternehmen sich strategisch aufstellen sollten, um davon zu profitieren.

Relevante Freihandelsabkommen mit Südasien

Südasien ist handels- und außenwirtschaftlich vielfältig vernetzt. Für Exporteure aus Europa besonders bedeutsam sind folgende multilaterale und bilaterale Vereinbarungen:

• SAFTA (South Asian Free Trade Agreement): SAFTA wurde 2006 von den acht Mitgliedern der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) ins Leben gerufen. Ziel ist der schrittweise Abbau von Zöllen innerhalb der Region. Die Umsetzung ist allerdings lückenhaft – politische Spannungen, z.B. zwischen Indien und Pakistan, bremsen die wirtschaftliche Integration.
Für europäische Firmen ist das Abkommen relevant, wenn sie mit Partnern innerhalb der SAARC-Region handeln oder lokale Produktionsstandorte betreiben.

• Indiens bilaterale Handelsverträge und das geplante EU-Indien-Abkommen: Indien hat in den vergangenen Jahren eine aktive Handelspolitik verfolgt – mit Abkommen etwa mit ASEAN, Südkorea, Japan, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Besonders im Fokus steht derzeit das geplante Freihandelsabkommen mit der EU. Nach jahrelanger Pause wurden 2022 die Verhandlungen wieder aufgenommen.
Für europäische Unternehmen könnten daraus substanzielle Zollvergünstigungen, Investitionsschutz und regulatorische Erleichterungen resultieren – etwa im Maschinenbau, in der Medizintechnik oder im Bereich Umwelttechnologien.

• Bangladesch im „Everything But Arms“-Programm (EBA): Als am wenigsten entwickeltes Land profitiert Bangladesch im Rahmen des EBA-Programms der EU von zollfreiem Zugang für fast alle Waren. Besonders stark ist der Textilsektor, der mehr als 80% der Exporte des Landes ausmacht.
Für europäische Hersteller von Textilmaschinen oder Chemikalien bietet dies attraktive Anknüpfungspunkte – ihre Kunden haben direkten Zugang zum EU-Markt.

• Pakistans bilaterale Freihandelsbeziehungen: Pakistan unterhält Freihandelsabkommen mit China, Malaysia, Sri Lanka und anderen Ländern. Mit der EU bestehen Handelspräferenzen im Rahmen des GSP+-Programms, einer Sonderregelung der EU im Rahmen des Generalised Scheme of Preferences (GSP).
Chancen ergeben sich u.a. für Hersteller von pharmazeutischen Grundstoffen, Agrartechnik oder Infrastrukturkomponenten.

Ergänzend sei auf weitere Länder wie Nepal, Sri Lanka oder Bhutan verwiesen – kleinere Märkte, die jedoch im Kontext regionaler Wertschöpfungsketten zunehmend interessant werden, etwa im Bereich erneuerbare Energien oder Digitalisierung.

Auswirkungen auf europäische Exporteure

Freihandelsabkommen senken nicht nur Zölle – sie schaffen neue Marktzugänge, verringern regulatorische Komplexität und stärken die Rechtssicherheit für internationale Geschäfte.

Ein Vorteil für Exporteure besteht darin, dass die Reduzierung von Zöllen und Handelsbarrieren zu niedrigeren Einfuhrabgaben führt, wodurch die Preisposition im Vergleich zu Wettbewerbern aus Drittländern verbessert wird. Südasien zeichnet sich durch wachstumsstarke Branchen mit hoher Nachfrage aus, insb. in den Bereichen Maschinenbau, Energietechnik, IT und Gesundheit, wo erhebliche Investitionen getätigt werden. Viele Länder bieten zudem verbesserte Investitionsbedingungen: Darunter sind attraktive Steuervergünstigungen, garantierter Kapitaltransfer und Schutz vor Enteignung.

Freihandelsabkommen schaffen langfristige Planungssicherheit, indem sie transparente Rahmenbedingungen für mittelfristige Engagements bereitstellen.

Gleichzeitig bestehen weiterhin strukturelle Herausforderungen, die das Exportmanagement beeinflussen. Komplexe Bürokratien stellen eine erhebliche Belastung dar, da Lizenzen, Importpapiere und Ursprungsnachweise trotz Freihandelsabkommen einen hohen Aufwand verursachen können.

Auch die regulatorische Fragmentierung stellt Unternehmen vor Herausforderungen: Unterschiede bei Standards, Produktspezifikationen und Konformitätsbewertungen erfordern oft umfangreiche Anpassungen. Makroökonomische Risiken wie Wechselkursvolatilität, politische Unruhen oder instabile Banken können zudem zu Zahlungsverzögerungen führen. Darüber hinaus spielen kulturelle Unterschiede eine Rolle, da sich Geschäftsmentalität, Vertragsverhandlungen und Zahlungsmoral teilweise deutlich von europäischen Gepflogenheiten unterscheiden.

Strategische Handlungsempfehlungen für Exporteure

Damit Freihandelsabkommen nicht nur Potenzial, sondern tatsächlichen Mehrwert bieten, sollten exportorientierte Unternehmen folgende strategischen Schritte erwägen:

• Gezielte Marktanalysen und Aufbau lokaler Netzwerke: Die Märkte in Südasien sind heterogen. Eine differenzierte Marktanalyse – kombiniert mit zuverlässigen lokalen Partnern – erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit erheblich.
Beispiel: Ein europäischer Hersteller von Umwelttechnik erschloss den indischen Markt durch eine Joint-Venture-Partnerschaft mit einem regionalen EPC-Dienstleister.

• Einsatz professioneller Handelsfinanzierungsinstrumente: Absicherungslösungen wie Akkreditive (LCs), Forfaitierungen, Exportkreditgarantien und Wechselkurs-Hedging bieten effektiven Schutz gegen finanzielle Risiken.

• Zoll- und Ursprungsmanagement aktiv gestalten: Eine Analyse der FHA-Präferenzregeln (z.B. Ursprungslanddefinitionen) ermöglicht, Produktionsprozesse und Lieferketten so zu optimieren, dass die Zollvorteile besser genutzt werden.

• ESG-Kriterien als Wettbewerbsvorteil begreifen: Nachhaltigkeitsanforderungen steigen – sowohl bei Kunden als auch auf regulatorischer Seite. Indien etwa hat ESG-Pflichten für börsennotierte Unternehmen eingeführt, und auch öffentliche Ausschreibungen werden zunehmend an ESG-Kriterien geknüpft.
Unternehmen, die Nachhaltigkeit glaubwürdig umsetzen, verbessern ihre Marktzugänge.

• Interkulturelle Kompetenz stärken: Erfolgreiches Geschäft in Südasien erfordert Verständnis für lokale Gepflogenheiten – z.B. in Verhandlungsführung, Entscheidungshierarchien oder Umgang mit Behörden. Investitionen in interkulturelle Schulungen zahlen sich aus.

Fazit

Südasien ist eine Wachstumsregion mit großem Potenzial für europäische Exporteure – und Freihandelsabkommen sind ein zentrales Instrument, um diese Chancen zu erschließen. Doch der Erfolg hängt auch davon ab, wie gut sich Unternehmen auf die Bedingungen vor Ort einstellen und die komplexen Vorteile der FHA strategisch nutzen.

Frühzeitige Vorbereitung, ein gezieltes Risikomanagement, starke Partner und die Integration moderner Finanzierungslösungen sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Wer zusätzlich Nachhaltigkeit und kulturelle Sensibilität in seine Strategie integriert, sichert sich einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.

Die LBBW unterstützt seit Jahrzehnten europäische Exporteure bei ihrem Markteintritt in Asien und bietet passgenaue Finanzierungs- und Absicherungslösungen. Mit einem breiten Spektrum an Bankprodukten wie Akkreditiven, Garantien und langfristigen Exportfinanzierungen ermöglicht die LBBW ihren Kunden eine sichere und effiziente Handelsabwicklung. Dank Niederlassungen in Singapur, Seoul und Schanghai sowie fünf weiteren Repräsentanzen in Asien ist die LBBW vor Ort vertreten und steht ihren Kunden als erfahrener Partner zur Seite. Darüber hinaus bietet die LBBW in ihren Niederlassungen auch lokale Finanzierungen für ihre europäischen Kunden an.

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