Der von Donald Trump angekündigte, aber noch ausgesetzte 25%-Importzoll auf mexikanische Produkte würde den südlichen US-Nachbarn vor eine Herausforderung stellen, die wegweisend für das künftige Wirtschaftsmodell Mexikos werden könnte. Im kommenden Jahr steht die Überprüfung des Freihandelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada (USMCA) zur Überprüfung an.

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Lange Zeit galt Mexiko als erste Adresse einer Nearshoring-Produktion für den US-Markt, insb. nach den Erfahrungen mit Liefer- und Produktionskettenschwierigkeiten. Neben der geografischen Nähe verfügt das Land über eine große und produktive Arbeiterschaft, Erfahrung beim Aufbau einer starken Produktionsbasis und durch die Handelsabkommen mit den USA einen bevorzugten Zugang zum US-Markt.

Jedoch hatte US-Präsident Donald Trump bereits vor seiner Amtseinführung Strafzölle auf mexikanische Produkte angekündigt. Der Vorwurf: Mexiko würde den Zufluss von Drogen und die illegale Migration in die USA nicht stoppen. Anfang Februar machte Trump seine Drohung wahr und brachte Einfuhrzölle in Höhe von 25% auf den Weg. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum wies die erhobenen Anschuldigungen zurück mit Verweis auf die rückläufige Zahl von Migranten und tausende Festnahmen im Umfeld des Drogenhandels. Darüber hinaus teilte Sheinbaum mit, dass sie ihren Wirtschaftsminister angewiesen habe, Gegenzölle zu verhängen und weitere Maßnahmen zum Schutz der Interessen Mexikos zu ergreifen. Doch schlussendlich verständigten sich Sheinbaum und Trump in letzter Minute in einem Telefonat, wodurch die Zölle für einen Monat ausgesetzt wurden, bislang also noch nicht in Kraft traten.

Zweitgrößtes Handelsdefizit der USA gegenüber Mexiko

Im Vorfeld wurde viel darüber spekuliert, ob die angedrohten Zölle feste Absicht oder lediglich eine Verhandlungstaktik sind. Optimisten verwiesen auf den Präzedenzfall während Trumps erster Amtszeit: Damals wurden die Drohungen, Pauschalzölle in Höhe von 5% gegen Mexiko zu erheben, fallen gelassen, nachdem eine Einigung über Grenzsicherheitsmaßnahmen mit Sheinbaums Vorgänger und politischem Mentor, Andrés Manuel López Obrador, erzielt wurde. Skeptische Beobachter hingegen verwiesen auf Trumps Überzeugung, dass ein Handelsdefizit gleichbedeutend mit einem Verlustgeschäft sei, und das zweitgrößte bilaterale Handelsdefizit der USA besteht gegenüber Mexiko. Eines dürfte feststehen: Mexikos exportorientiertes Wirtschaftsmodell wird unter der Last der Strafzölle leiden.

Zum besseren Verständnis lohnt sich ein Blick auf die historische Rolle, die der US-Markt für Mexikos Entwicklungsweg gespielt hat. Die jüngere Geschichte lässt sich dabei in drei Phasen unterteilen:

• Das mexikanische Wirtschaftswunder (1940er bis 1970er Jahre): In diesem Zeitraum war Mexiko eines der wenigen Länder in Lateinamerika, das die Industrialisierung durch Importsubstitution, also das Ersetzen eines Importguts durch ein (kostengünstiger) im Inland produziertes Gut, mit mäßigem Erfolg umsetzte. Zölle, Subventionen und Einfuhrkontingente für strategische Güter wie Textilien und Automobile erleichterten die Anfänge des Maquila-Booms* und ermöglichten zahlreiche staatlich geförderte Infrastrukturprojekte wie Staudämme, die Ausweitung der Erdölförderung, Autobahnen und Eisenbahnstrecken. In dieser Zeit kam es zur ersten Expansionswelle für Investitionen der großen amerikanischen Autokonzerne in Mexiko. Das Wirtschaftswachstum wurde somit durch die Inlandsnachfrage angekurbelt, die durch ein dynamisches Bevölkerungswachstum und öffentliche Investitionen getragen wurde.

• Das verlorene Jahrzehnt (frühe 1980er bis frühe 1990er Jahre): Die staatliche Unterstützungspolitik war teuer und dadurch häufte Mexiko eine erhebliche Schuldenlast an, wobei ein wachsender Anteil dieser Schulden aus dem Ausland stammte. Im August 1982 erklärte der Staat seine Zahlungsunfähigkeit und griff auf Notkredite des Internationalen Währungsfonds zurück. Dies führte zu einer Periode von Sparmaßnahmen und hohen Zinssätzen, mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit Mexikos an den internationalen Kapitalmärkten wiederherzustellen – jedoch zum Preis einer schmerzhaften Depression. Insgesamt wurde das Vertrauen der Investoren erschüttert und die indus-trielle Expansion beeinträchtigt.

• Liberalisierung des Handels (Mitte der 1990er Jahre bis heute): Trotz erneuter Turbulenzen des mexikanischen Peso während der Währungskrise von 1994 wurde mit der Unterzeichnung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) im Jahr 1992 die Grundlage für eine Ära der stärkeren Integration Mexikos in die amerikanische Wirtschaft gelegt. Das Wachstum richtete sich zunehmend auf den US-Markt aus. 2023 wurde Mexiko zum wichtigsten Handelspartner, nachdem es jahrelang Marktanteile von China gewonnen hatte. Mit dem pandemiebedingten Fokus auf die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten und der Verlagerung in die Nähe der Absatzmärkte (Nearshoring) scheint Mexiko einen Ausweg aus der „Middle-Income-Trap“** gefunden zu haben. Zwischen August 2022 und Dezember 2023 stiegen die Investitionen in den gewerblichen Bau um 57%, was v.a. auf Industrieanlagen und Lagerhäuser (sowie große öffentliche Infrastrukturprojekte) zurückzuführen ist.

Seit einigen Jahren schienen Investoren etwas unentschlossen zu sein oder zumindest eine abwartende Haltung einzunehmen. Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen (FDI) erreichten im zweiten Quartal 2022 rund 42 Mrd USD, blieben jedoch unter dem Höchstwert von 51 Mrd USD vom ersten Quartal 2014, der nach den Reformen zur Liberalisierung des Energiesektors verzeichnet wurde. Derzeit überwiegen Reinvestitionen von bereits im Land ansässigen Unternehmen gegenüber neuen Investitionen. Es scheint daher, dass Mexiko Anfang 2025 an einem Scheideweg steht.

Am Scheideweg mit begrenzten Möglichkeiten

Eine Rückkehr zum Wachstum, das durch die Inlandsnachfrage getrieben wird, scheint kein realistisches Szenario zu sein, da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter derzeit nur noch um 1% wächst – gegenüber 3 bis 3,5% in den 1960er und 1970er Jahren. Darüber hinaus kann Mexiko nur wenig tun, um seine Ausfuhren über die USA hinaus zu diversifizieren, da die Wachstumsaussichten in anderen Industrieländern aktuell ebenfalls getrübt sind. Die Anreize zur Rettung der Nearshoring-Produktion sind daher erheblich und dies erfordert eine funktionierende Beziehung zwischen den Staatschefs beider Nationen, die jeweils noch am Anfang ihrer Amtszeit stehen.

Eine Gelegenheit bietet sich 2026, wenn das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada (USMCA) zur Überprüfung ansteht. Das „United States-Mexico-Canada-Agreement“ wurde 2018 während Donald Trumps erster Amtszeit als NAFTA-Nachfolgeabkommen unterzeichnet und trat 2020 in Kraft, um für mindestens sechs Jahre ein stabiles Geschäftsumfeld zu gewährleisten. Das Vorgängerabkommen NAFTA hatte Trump 2016 im Wahlkampf als „das schlechteste Handelsabkommen aller Zeiten“ bezeichnet.

Mehr Informationen zu Mexiko und die Coface-Länderrisikoeinschätzung lesen Sie HIER

* Der „Maquila-Boom“ bezieht sich auf das rasante Wachstum von Montage- und Fertigungsbetrieben (Maquiladoras), die für den Export – v.a. in die USA – produzieren, begünstigt durch niedrige Löhne und Freihandelsabkommen wie NAFTA.

** Die „Middle Income Trap“-These besagt, dass es ein Land nach dem erfolgreichen Aufstieg zum Schwellenland schwer hat, den nächsthöheren Status eines Industriestaates zu erreichen. Möglich ist dies aber durchaus und etliche Länder haben diesen nächsten Schritt gemacht, indem sie ihre internen Rahmenbedingungen umfassend verbesserten.

marcos.carias[at]coface.com

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