Mittel- und Osteuropa holt auf und gewinnt stetig Marktanteile bei den Ausfuhren deutscher Unternehmen. Der Exportmarkt ist vielfältig und ein Großteil davon liegt praktisch vor der Haustür. Akkreditive und Garantien sind die Absicherungsmittel der Wahl – sie schützen nicht nur vor Risiken, sondern erhöhen auch die Liquidität.
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Der wichtigste Exportmarkt liegt direkt nebenan: Zwischen Januar und September 2024 exportierten deutsche Unternehmen mehr Güter in unser Nachbarland Polen als nach China. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Insgesamt stieg im ersten Halbjahr 2024 der Wert der Exporte in Länder Mittel- und Osteuropas, während die deutschen Ausfuhren insgesamt rückläufig waren. Das zeigt eine Auswertung des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, die ebenfalls auf Daten des Statistischen Bundesamtes beruht.
Die Zahlen sind keine statistischen Ausreißer, sondern ein Trend. Im ersten Halbjahr 2024 exportierte Deutschland zusammengenommen mehr in die Gruppe der Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei als in die USA und mehr als doppelt so viel wie nach China. Polen und Tschechien sind aufgerückt in die Top 10 der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, Polen auf dem fünften und Tschechien auf dem zehnten Platz. Deutlich an Bedeutung gewonnen haben neben diesen beiden Platzhirschen aber auch kleinere Länder aus dem Westbalkan: Die deutschen Exporte in den Kosovo stiegen in den ersten drei Jahresquartalen 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 18%. Die Exporte nach Albanien legten im selben Vergleichszeitraum um rund 12% zu, Bosnien und Herzegowina verzeichnete ein Plus deutscher Exporte um gut 4%.
Zunehmende Integration des Westbalkans
Die Zeichen stehen gut für eine zunehmende Integration des Westbalkans. So wurden mit Albanien im Juli 2022 und mit Bosnien und Herzegowina im März 2024 EU-Beitrittsverhandlungen begonnen. Im Dezember 2022 hat der Kosovo einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Während EU-Aufnahmeverfahren naturgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen, geht die Integration beim Zahlungsverkehr deutlich schneller voran: Das European Payment Council (EPC) hat am 21. November 2024 beschlossen, dass Albanien und Montenegro im April 2025 dem SEPA-Zahlungsverkehrsraum beitreten werden. Und auch wirtschaftlich geht es voran: Öffentliche und private Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare-Energie-Projekte bieten zudem Geschäftschancen für ausländische Unternehmen. In der jüngeren Vergangenheit hat sich darüber hinaus ein Technologiefokus herausgebildet: Antriebe für E-Autos, Bordsysteme, Straßenbahnen oder IT-Unternehmen, vieles kommt mittlerweile vom Balkan.
Insb. für technologieaffine Unternehmen sind die Länder ein idealer Markt. Eine gut ausgebildete junge Bevölkerung stellt Arbeitskraft zu Verfügung und kurbelt den Binnenkonsum an. So hat z.B. das deutsche Tech-Start-Up Celonis insgesamt 20 Standorte weltweit – einen davon in Pristina, der Hauptstadt Kosovos. Das Münchner Unternehmen steuert Geschäftsprozesse seiner Kunden mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) und gilt als eines der wertvollsten jungen IT-Unternehmen Deutschlands. Mit rund 1,6 Millionen Einwohnern ist der Kosovo zwar nicht der größte Markt auf dem Westbalkan, aber einer, der ein konstant hohes Wachstum verzeichnet. Die Wirtschaft soll 2024 laut Weltbankdaten insgesamt um 3,8% zunehmen. Für die kommenden Jahre erwarten Experten ein stabiles jährliches Wirtschaftswachstum von rund 4%.
Albanien wird von Infrastrukturprojekten geprägt
Albanien ist mit einer Bevölkerung von gut 2,8 Millionen Menschen größer, beim Wirtschaftswachstum bleibt das Land etwas hinter dem Kosovo zurück. Im Jahr 2024 erwarten Germany Trade & Invest (GTAI) sowie Weltbank ein BIP-Wachstum von 3,3%. Im Jahr 2025 soll die Wirtschaft weiterwachsen, Experten gehen von 3,4% aus. Auch in Albanien werden Infrastrukturprojekte die kommenden Jahre prägen. Mit Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur soll der Anschluss an internationale Straßenkorridore gelingen. Projekte in den Bereichen Schiene, Luft und Wasser sollen vorankommen. Die albanische Regierung und internationale Investoren planen aktuell Infrastrukturinvestitionen im Wert von rund 3,7 Mrd EUR. Bei den erneuerbaren Energien setzt das Land bislang v.a. auf gigantische Wasserkraftprojekte. Künftig sollen aber auch Wind- und Solarkraft eine größere Rolle spielen.
Bosnien und Herzegowina ist deutlich größer als Albanien und der Kosovo. In dem Land leben 3,2 Millionen Menschen. Das Jahr 2024 dürfte das Land mit einem Wirtschaftswachstum von rund 5% abschließen. Auch für die kommenden Jahre bis 2029 prognostizieren Experten ein jährliches Wachstum von gut 5%. Die Wirtschaft prägen neben der Metallverarbeitung, der Holzmöbelproduktion und einer aufstrebenden IT-Branche auch die Autozuliefererindustrie. Für deutsche Exporteure bietet sich in all diesen Branchen Geschäftspotenzial, denn Maschinen, Anlagen und Ausrüstung aus dem Ausland sind gefragt und deutsche Produkte genießen einen guten Ruf.
Akkreditive erhöhen Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit
Zuletzt wurden einige der langfristigen Länderratings angehoben, bspw. von Albanien: im Oktober 2024 von Ba2 auf Ba1 durch Moody’s sowie im März 2022 von B+ auf BB– durch S&P. Auch wenn die Entwicklung positiv ist, bleiben Bonitätsrisiken zumindest auf dem Papier bestehen. Zur Absicherung im Auslandsgeschäft sind Akkreditive besonders beliebt, auch Letters of Credit (L/C) genannt. Beim Akkreditiv übernimmt die Bank des Importeurs (Issuing Bank) gegenüber dem Exporteur ein abstraktes Zahlungsversprechen. Das heißt: Statt des Kunden ist dessen Bank in der Pflicht. Die Bank überweist die vereinbarte Summe, sobald ihr die im Akkreditiv vereinbarten Dokumente fehlerfrei vorliegen und alle Bedingungen daraus erfüllt sind. Bei einer sog. Bestätigung des Akkreditivs wird statt der Hausbank des Importeurs die Bank des Exporteurs (Confirming Bank) in die Pflicht genommen. Sie übernimmt das Ausfallrisiko, das damit vom Ausland ins Inland verlagert wird. Und sie überprüft, ob die eingereichten Dokumente mit dem Akkreditiv übereinstimmen. Anschließend bekommt der Kunde sein Geld.
Auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bietet ihren exportierenden Kunden diese Absicherung an. In einigen Fällen trägt sie das Risiko nicht allein, sondern lässt ihr eigenes Risiko wiederum absichern, etwa von überregionalen Instituten wie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).
Die lokalen Banken im Westbalkan sind i.d.R. etablierte Finanzinstitute: Banken wie die Intesa Sanpaolo Banka in Sarajevo, die ProCredit Bank in Pristina oder die Sparkasse Bank in Skopje haben daher selbst Förderlinien bei der EBRD. Beansprucht die lokale Bank im Westbalkan einen Teil ihrer Förderlinie für ein Auslandsgeschäft, prüft die EBRD das Geschäft. Fällt die Prüfung positiv aus, schickt die europäische Förderbank innerhalb kurzer Zeit einen Standby Letter of Credit (SLOC) an die LBBW und sichert so einen Teil der Forderung ab. Kurzum: Sollten sowohl der Importeur als auch dessen Bank ausfallen, springt die LBBW beim deutschen Exporteur für den Zahlungsausfall ein und die EBRD wiederum bei der LBBW – zumindest teilweise.
Due Diligence hat viele Vorteile
Um an dem Programm teilzunehmen, müssen sich sowohl die Issuing Banks als auch die Confirming Banks vorab einer Due Diligence der EBRD unterziehen. Der Vorteil: Alle beteiligten Parteien sind bekannt und bereits überprüft, die Absicherung läuft schnell und professionell ab. Für Exporteure hat dieses Vorgehen einen entscheidenden Vorteil: Sie müssen nicht monate- oder gar jahrelang auf ihr Geld warten, selbst wenn sie großzügige Zahlungsziele eingeräumt haben. Das steigert nicht nur die Liquidität, sondern stärkt dank langer Zahlungsziele auch die Wettbewerbsfähigkeit. Aufgrund ihres guten Ratings kann die LBBW attraktive Konditionen anbieten, daher wird sie weltweit gern als Garantiesteller akzeptiert.
Die LBBW-Westbalkan-Experten sind Muttersprachler und decken sämtliche Sprachen dieser Region ab, u.a. Albanisch, Bosnisch, Nordmazedonisch und Serbisch. Sie wissen: Das Vertrauen der regionalen Partner muss man sich erarbeiten. Auch die Zusammenarbeit mit den deutschen Auslandshandelskammern spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg in der Region: Während die AHK in Sarajevo mit Bosnien und Herzegowina das größte der drei Länder vertritt, steht die AHK in Skopje neben Nordmazedonien auch für Albanien und den Kosovo zur Verfügung. Genau wie die LBBW-Länderexperten am Hauptsitz der Landesbank in Stuttgart berät, betreut und vertritt auch das AHK-Netzwerk deutsche Unternehmen, die ihr Auslandsgeschäft auf- oder ausbauen wollen.