Nach wie vor hängen die afrikanischen Länder südlich der Sahara sehr von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe ab. Während ihr Wachstum unlängst noch durch hohe Preise beschleunigt wurde, muss die Region nun mit den Folgen des niedrigen Ölpreises zurechtkommen. Coface hat in einer neuen Studie 45 Länder der Region Subsahara-Afrika untersucht. Die wichtigsten Trends werden im Folgenden zusammengefasst.
Von Dr. Dirk Bröckelmann, Economic Research, Coface, Niederlassung in Deutschland
Gleich mehrere Faktoren trugen seit 2008 zum beschleunigten Wachstum in Subsahara-Afrika um jährlich rund 5% bei. Dazu zählen strukturelle Anpassungen im Hinblick auf das relativ niedrige Pro-Kopf-Einkommen, hohe Investitionen aus dem Ausland, ein teilweise stabileres politisches Umfeld und mehrere Schuldenerlasse. Der Aufschwung wurde auch von den hohen Preisen für Rohstoffe vorangetrieben, die für die Region von zentraler Bedeutung sind. Fossile Brennstoffe, besonders Öl, machen 53% der Exporterlöse der Subsahara-Länder aus. Deutlich dahinter folgen Erze, Metalle und Edelsteine mit zusammen 17%, Lebensmittel und landwirtschaftliche Rohprodukte mit 11%. Für einige Länder ist der Brennstoffanteil noch größer: In Nigeria, im Tschad, in Äquatorial-Guinea und Angola macht er zwischen 60% und 100% aus.
13 Länder relativ robust
Entsprechend schwächten Ausmaß und Dauer des Preisrückgangs die Region. Die einzelnen Länder sind jedoch ganz unterschiedlich davon betroffen, je nachdem, ob sie nachwachsende oder nichterneuerbare Rohstoffe exportieren. Während für Lebensmittel oder landwirtschaftliche Grunderzeugnisse der Preisrückgang relativ moderat bleibt, befinden sich die Preise für Rohöl und Basismetalle im freien Fall. Unter den 45 Ländern, die wir untersucht haben, kristallisierten sich 13 heraus, die weniger stark betroffen sind: Äthiopien, São Tomé und Príncipe, Uganda, Malawi, die Kapverdischen Inseln, Kenia, Burundi, die Seychellen, die Zentralafrikanische Republik, Mauritius, Tansania, Swasiland und Togo. Sie alle profitieren davon, dass die erzielten Exportpreise nicht so stark fallen wie die zu zahlenden Preise für ihre Importgüter.
Gut aufgestellt:
Kenia, Äthiopien und Uganda
In einem weiteren Schritt zur Bestimmung der langfristigen Perspektiven in Subsahara-Afrika schauten wir uns die Diversifizierung der jeweiligen Volkswirtschaften an. Denn Diversifizierung unterstützt das Wachstum langfristig und lässt die Länder außenwirtschaftlich erstarken. Dabei kam heraus, dass nur drei Länder einen Grad an Diversifizierung erreicht haben, der sie auch kurzfristig wenig anfällig macht für die sinkenden Rohstoffpreise: Kenia, Äthiopien und Uganda.
Bereits im vergangenen Jahr hatten wir in einer Studie zu den New Emerging Countries, den Ländern also, die in der Lage sind, in die Fußstapfen der BRICS‘ zu treten, das große Potential von Kenia und Äthiopien herausgearbeitet. Uganda lässt sich sicherlich ergänzen. Jüngste Zahlen bestätigen das Potential der drei ostafrikanischen Länder für dynamisches Wachstum. 2014 stieg ihr Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Schnitt um annähernd 7%. Damit wird in diesen Ländern eine Wachstumsrate erreicht, die der von China entspricht.
Diversifizierungserfolge
In Äthiopien und Uganda stützt sich die Diversifizierung auf das produzierende Gewerbe. Dessen Wachstum ist der erfolgreichen Integration in internationale Wertschöpfungsketten zu verdanken. Hier zeichnet sich eine Entwicklung ab, wie wir sie aus einigen südostasiatischen Ländern in den vergangenen Jahren kennen. Mehr als 100 Produkte werden mittlerweile exportiert – zwischen 2000 und 2013 hat sich der Export mehr als verdreifacht. Zwei Branchen ragen mit ihrem Beitrag zur Diversifizierung der Wirtschaft besonders heraus: die Textilindustrie und die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten.
Kenia wiederum hat auf ein Entwicklungsmodell gesetzt, das auf Dienstleistungen aufbaut. Sie machen über 60% des BIP des ostafrikanischen Landes aus. Anders als andere Subsahara-Länder, die traditionell von Handel, Logistik und öffentlichen Dienstleistungen leben, zeigt Kenia besondere Dynamik im Telekommunikationsbereich, besonders im Mobile Banking. Auch die Übernahme ausgelagerter Geschäftsprozesse floriert dank niedriger Arbeitskosten. Kenia ist das einzige Land der Region, das sich auf zwei Säulen entwickelt: der wachsenden Bedeutung dieser relativ hoch entwickelten Dienstleistungsbereiche und dem steigenden Anteil der exportierten Services, die bereits mehr als 40% der Ausfuhren ausmachen.
Risiken bleiben
Diese positiven Entwicklungen und das unbestreitbare Potential der Region bedeuten freilich nicht, dass es keine Risiken mehr gibt. Die politische Situation in der Region ist nach wie vor überwiegend instabil. Und auch die mangelhafte Infrastruktur ist bekanntermaßen eine Schwäche, ebenso wie das hohe Leistungsbilanzdefizit und die ansteigende öffentliche Verschuldung. Und wie unsere Untersuchung zeigt, erreicht ein Land wie Ruanda zwar auch eine hinreichende Diversifizierung, zählt aber nicht zu den Gewinnern in Afrika, da ihm die volatilen Rohstoffpreise dann doch zu schaffen machen.
Im vierteljährlichen Update unserer Länderbewertungen mussten wir im Juni unter anderem vier Subsahara-Länder unter Beobachtung für eine Herabstufung stellen: Gabun, Tansania, Madagaskar und nicht zuletzt auch das BRICS-Land Südafrika.
In Madagaskar leidet die Wirtschaft unter der anhaltenden politischen Instabilität. Hier ist die Länderbewertung in Stufe C nun auf „negative Watch”. Dabei steht Stufe C bereits für „hohes Risiko“. Für Gabun und Tansania steht die Bewertung mit B („mittleres Risiko“) auf dem Prüfstand. Die große Abhängigkeit vom Öl verpasst Gabuns Wirtschaftswachstum einen Dämpfer. Für 2015 werden noch 4% erwartet. In den Jahren zuvor gab es ein Plus von durchschnittlich 5,4%.
Auch in Tansania, das eigentlich das Potential zum New Emerging Country hat, hat das kräftige Wachstum nachgelassen. Das Defizit der öffentlichen Hand nimmt zu. Nach einem Korruptionsskandal haben die wichtigsten Geber die Finanzhilfen ausgesetzt. Das Land leidet infolgedessen unter dem starken Wertverlust seiner Währung gegenüber dem US-Dollar. 17% waren es zwischen Januar und Mai 2015 nach 8% im Jahr 2014, und der Druck auf den Tansania-Schilling wird sich vor den anstehenden Wahlen im Oktober eher noch erhöhen. Da Devisen nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen und sich bei öffentlichen Auftraggebern die Zahlungsverzüge häufen, können Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
In Südafrika, dem bislang am weitesten entwickelten Land der Region, setzt sich der Wachstumsrückgang fort. Zu den Gründen gehören unter anderem die Engpässe in der Stromversorgung, die sich im afrikanischen Winter noch verschlimmern könnten. Die Arbeitslosigkeit steigt, und die Inflation bleibt hoch, obwohl importierte Energie günstig ist. Auch das Zwillingsdefizit, also das Defizit in Haushalt und Leistungsbilanz, sowie die Staatsverschuldung steigen, und die restriktivere Fiskalpolitik belastet weiterhin die Nachfrage. Der Wechselkurs des Rand bleibt volatil. Schließlich ist die politische und soziale Situation alles andere als stabil, zumal sich bei den Tarifverhandlungen im Bergbau noch keine Lösung abzeichnet. Nachdem wir Südafrika 2013 in unserer Länderbewertung bereits von A3 auf A4 herabstufen mussten, steht nun auch die A4-Bewertung – und damit der unterste Investmentgrade – unter Beobachtung.
Mit Kenia, Äthiopien und Uganda haben allein drei Länder in Ostafrika derzeit alle Voraussetzungen für ein mittel- wie langfristig dynamisches Wachstum. Da ihre Wirtschaft bereits ausreichend diversifiziert ist, macht ihnen die Rohstoffpreisentwicklung am wenigsten zu schaffen. Doch Risiken bleiben wie gesagt: Kenia hat in unserer Länderbewertung bereits B erreicht. Äthiopien und Uganda stehen noch auf C.
Die neue Coface-Studie zu Subsahara-Afrika finden Sie auf www.coface.de.
Kontakt: dirk.broeckelmann@coface.de