Ohne Frage stellt die globale Pandemie Afrika vor große Herausforderungen. Die gegenwärtige Krise zwingt die Regierungen dazu, Entscheidungen und Maßnahmen hinsichtlich struktureller Fragen zu beschleunigen.

Stand Juni ist Afrika nach den offiziellen Fallzahlen der von Corona am wenigsten betroffene Kontinent. Ohne Frage stellt die globale Pandemie Afrika vor große Herausforderungen, jedoch hat der Kontinent bereits in den vergangenen Wochen souveränes Krisenmanagement bewiesen. Wir haben Regional Manager der ODDO BHF gebeten, ihre aktuellen Eindrücke der Situation vor Ort zu beschreiben.

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Guinea – Erfahrungswerte aus der Vergangenheit

In Guinea wurde am 26. März wegen des Ausbruchs von Covid-19 der nationale Gesundheitsnotstand ausgerufen. Für das westafrikanische Land mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern war dies allerdings nicht das erste Mal – im Jahr 2014/15 sah es sich mit einer schweren Ebola-Epidemie konfrontiert. Dahingehend weist Guinea Erfahrungen im Umgang mit Viruserkrankungen und ihrer Eindämmung auf, was dem Land in der aktuellen Krise sicherlich zugutekommt.

Zudem könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ebola-Krise auch als Indikation für die zu erwartenden Effekte von Covid-19 dienen. Die Ebola-Krise traf das Land in einem Moment, in dem es gerade begonnen hatte, sein Entwicklungspotential zu entfalten. Mit den größten Bauxitreserven weltweit und anderen Bodenschätzen wie Gold, Nickel und Erzen hatte es die Aufmerksamkeit von Investoren aus dem Bereich Bergbau auf sich gezogen. Während des Ebola-Ausbruchs wurden etliche Projekte, private und öffentliche Investitionen, „on hold“ gesetzt, und das Wirtschaftswachstum sank im Einklang mit Produktions- und Konsumrückgängen sowie schweren Disruptionen im grenzüberschreitenden Handel.

Ohne Frage erschütterte dieser Schock das Land schwer und warf es in seiner Entwicklung zurück. Daher ist es bemerkenswert, wie schnell sich die makroökonomischen Indikatoren nach dem Sieg über Ebola ab 2016 erholten. Mit zurückkehrender wirtschaftlicher Dynamik gewannen auch die Investoren ihr Vertrauen zurück, so dass sich Guinea seitdem in einem Aufwärtstrend befand. Bis Anfang 2019 prognostizierte der IWF dem Land einen positiven Ausblick mit Wachstumsraten um die 6%. Stand Juni geht man weiterhin von einem positiven Wachstum von 2,9% für 2020 aus.

Als stabil erwiesen hat sich während der Ebola-Krise trotz seiner geringen Größe auch der Bankensektor – keine Bank ging insolvent. Dies lag sicherlich auch daran, dass die guineischen Banken alle zu größeren ausländischen Finanzgruppen gehören, was in Krisenfällen Stabilität und die Fähigkeit zur Kontinuität erhöht. Zwar war Ebola ein regionaler und kein globaler Schock, doch deuten die Erfahrungen aus dieser Krise insgesamt auf eine solide Widerstandsfähigkeit der guineischen Wirtschaft hin und machen Hoffnung auf eine schnelle Erholung von den Auswirkungen von Covid-19.

Nigeria – Konjunkturpaket für ein Schwergewicht

Die größte Volkswirtschaft Afrikas mit über 190 Millionen Einwohnern kämpft derzeit gegen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie gegen die durch den Rückgang des weltweiten Ölpreises entstandenen fiskalischen Herausforderungen. 2016 kam es im Land zur ersten Rezession seit 25 Jahren. Danach wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Nigerias wieder, blieb jedoch hinter dem Bevölkerungswachstum zurück. Das be-deutet, dass das bevölkerungsreichste Land Afrikas zwischen 2017 und 2019 pro Kopf ärmer wurde. Die Wirtschaft hatte gerade begonnen, sich zu erholen, doch die Pandemie wird diesen Fortschritt verlangsamen.

Trotzdem bieten sich Chancen für Nigeria. So hat das Land vom IWF eine Soforthilfe in Höhe von 3,4 Mrd USD erhalten. Zudem hat die Regierung ein Konjunkturpaket geschnürt. Dieses beinhaltet eine Kreditfazilität von 50 Mrd Naira (138,89 Mio USD) für Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind, ein Darlehen von 100 Mrd Naira (277,78 Mio USD) für den Gesundheitssektor sowie ein Darlehen von 1 Bill Naira (2,78 Mrd USD) für das verarbeitende Gewerbe. Darüber hinaus wurden die Zinssätze für alle Interventionen der Central Bank of Nigeria (CBN) von 9% auf 5% nach unten revidiert, und mit Wirkung zum 1. März wurde ein einjähriges Moratorium für CBN-Interventionen eingeführt.

Die gegenwärtige Krise zwingt die Regierung dazu, Entscheidungen und Maßnahmen hinsichtlich struktureller Fragen zu beschleunigen. Auch die Treibstoffsubventionierung, die den öffentlichen Kassen Milliarden von US-Dollar entzogen hat, wurde revidiert. Über die Krise hinaus werden Sektoren wie die Landwirtschaft stärker beachtet und die Gespräche über die Ernährungssicherheit intensiviert werden. Die Kreditvergabe an den Gesundheitssektor wird vorangetrieben, um den Medizintourismus einzudämmen. Diese Bereiche könnten die wirtschaftliche Erholung Nigerias beschleunigen.

Angola – neue Prioritäten angesichts der Pandemie

Das im Südwesten Afrikas gelegene Angola mit seinen rund 33 Millionen Einwohnern befindet sich gegenwärtig in einer sehr herausfordernden Phase der Entwicklung. Seit Amtseinführung des neuen Präsidenten João Lourenço im Jahr 2017 hat das Land anspruchsvolle Reformvorhaben auf den Weg gebracht, um die traditionelle Abhängigkeit von der Entwicklung des Ölpreises zukünftig abzumildern und eine Diversifikation der ­Wirtschaftsstruktur mit einer stärkeren Beteiligung des privaten Sektors voranzutreiben.

Dabei erhält das Land finanzielle und nichtfinanzielle Unterstützung seitens des International Monetary Fund (IMF). Unter diesem Programm wurden seit Ende 2018 1,48 Mrd USD ausbezahlt. Das Gesamtvolumen dieses IMF-Programms beläuft sich auf 3,7 Mrd USD. Ende 2019 prognostizierten viele Analystenhäuser und Ratingagenturen für 2020 wieder positive Wachstumserwartungen. Die Covid-19-Pandemie und der seit Mitte Februar sehr stark gesunkene Ölpreis zeigten jedoch entsprechende Auswirkungen auf die ökonomischen Rahmendaten Angolas – eine Entwicklung, die tendenziell vergleichbar mit der in den meisten anderen Ländern der Welt ist.

Der ursprünglich genehmigte Haushalt für das Jahr 2020, der noch auf Basis eines durchschnittlichen Ölpreises von 55 USD/bl beruht, wird gegenwärtig überarbeitet und voraussichtlich bis Ende Juni im Parlament verabschiedet werden. Der neue Haushalt soll auf einem durchschnittlichen Ölpreis von ca. 35 USD/bl basieren und substantielle Einsparungen bei öffentlichen Projekten, die in diesem Rahmen neu priorisiert werden, umfassen. Die weiterhin als besonders wichtig erachteten Projekte, z.B. im Gesundheits-, Energie- und Transportsektor, sollen gemäß Plan realisiert werden.

Tansania – Sonderweg in Ostafrika

Die ostafrikanischen Länder haben sich in der aktuellen Krise für sehr unterschiedliche Handlungsweisen entschieden. War die Region rund um die beiden Wirtschaftszentren am Indischen Ozean, Kenia und Tansania, bisher von zunehmender wirtschaftlicher Integration und enger Zusammenarbeit geprägt, so hat Tansania mit seinem Vorgehen in der Coronapandemie nun einen eigenen Weg eingeschlagen.

Dies ist zum Großteil auf den umstrittenen Präsidenten Magufuli zurückzuführen, der auch schon vor der Coronakrise für seinen erratisch-autokratischen Regierungsstil international in der Kritik stand. Magufuli ist einer der wenigen afrikanischen Präsidenten, die drastische Maßnahmen wie einen Lockdown oder eine Ausgangssperre von Anfang an ablehnten und stattdessen auf den Effekt der Herdenimmunität setzten. Die Nachbarstaaten Uganda und Ruanda hingegen ergriffen sehr schnell und konsequent Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. In beiden Ländern gibt es den offiziellen Zahlen nach kaum bis gar keine Todesfälle.

Hintergrund der tansanischen Vorgehensweise ist die Annahme, dass ein Lockdown und die daraus resultierende Arbeitslosigkeit und Armut das Land und die größtenteils informelle Wirtschaft in ein weitaus größeres Chaos stürzen würden als eine ungebremste Pandemiewelle. Trotz aller Kritik könnte die Stra­tegie der geringen Beschränkungen Tansania 2020 gemäß der aktuellsten IMF-Prognose im Vergleich zu den Nachbarländern einen weniger drastischen Einbruch des Wirtschaftswachstums auf lediglich 2,8% bescheren (verglichen mit 5% bis 6% in den Vorjahren), da wichtige Wirtschaftszweige wie der Bergbau relativ uneingeschränkt den Betrieb fortsetzen konnten. Trotzdem steht das Land vor großen Herausforderungen, insbesondere auch aufgrund der fehlenden Einnahmen aus der für Tansania sehr wichtigen Tourismusbranche.

Alisa.Goegelein@oddo-bhf.com

Alfred.Idialu@oddo-bhf.com

Ingo-Dieter.Tuchnitz@oddo-bhf.com

Annemarie.Baumeister@oddo-bhf.com

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