Wenn Finanzierungsentscheidungen getroffen werden, spielt die Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers eine entscheidende Rolle. Was hinter dieser Kennziffer steckt und warum sie so wichtig ist.

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Unternehmen benötigen Kredite – um zu wachsen, neue Geschäftsfelder zu erschließen oder um die Digitalisierung zu bewältigen sowie Innovationen aufzugleisen. Und auch Private-Equity-Fonds verlassen sich in Leveraged Finance Deals auf Fremdkapital, um Übernahmen zu stemmen.

Dem Kreditnehmer steht der Geldgeber gegenüber, der vor einer Finanzierungszusage genauestens prüft, ob der Kunde kreditwürdig ist und welches Risiko einkalkuliert werden muss. Dazu werden verschiedene Kennzahlen beleuchtet und Ratings erstellt – letztlich entscheiden die Berechnungen, ob überhaupt ein Kredit vergeben wird und zu welchen Konditionen.

Entscheidende Bedeutung in diesem Prozess kommt der Kapitaldienstfähigkeit zu. Folgt man der engen Definition der Lexika, ist sie der Nachweis, dass der Kreditnehmer seinen Kapitaldienst leisten kann. Dieser wiederum setzt sich aus Zins und Tilgung zusammen. Im Klartext: Der Kreditnehmer muss in der Lage sein, aus dem Cashflow sowohl Zinsen zu bezahlen als auch die vereinbarte Tilgung zu leisten – und das am besten mit einem ordentlichen Puffer, denn sonst befände sich das Unternehmen schlagartig in einer schweren Krise. Für den Kreditgeber ist aber nicht nur entscheidend, dass das Fremdkapital zurückgezahlt werden kann, sondern auch, dass sich das Unternehmen trotz Kapitaldienst immer noch vernünftig entwickeln und z.B. Investitionen tätigen kann.

Relevant für Kreditvergabe

Um die Kapitaldienstfähigkeit zu berechnen, ziehen Kreditgeber Bilanzen und vergangene Jahresabschlüsse sowie die Planzahlen des Unternehmens heran. Aus diesen Daten lässt sich die Kapitaldienstgrenze einer Firma berechnen – also der maximal leistbare Kapitaldienst. Diese Kennziffer wird dann mit dem nötigen Kapitaldienst verglichen, der mit dem angefragten Kredit einhergeht. Wenn die Kapitaldienstfähigkeit gewährleistet ist, ist das Unternehmen der Finanzierung einen entscheidenden Schritt näher.

Leif Knoch, Leiter des Bereichs Leveraged Finance in der Region EMEA (Europe, the Middle East and Africa) bei der Deutschen Bank, betont die Relevanz der Kapitaldienstfähigkeit bei Kreditentscheidungen: „Wir sehen uns das sehr genau als kumulativen Wert über die gesamte Kreditlaufzeit an, aber auch Jahr für Jahr. Die Kapitaldienstfähigkeit ist eine elementare Kennziffer: Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, auch in einem konservativen Planszenario Zins und Tilgung zu stemmen, dann sollte idealerweise kein Kredit vergeben werden.“

Gerade im Bereich Leveraged Finance muss – so der Experte – aus einer realistischen Planung heraus erkennbar sein, dass auch endfällige Darlehen komplett oder zumindest in Teilen über die Finanzierungslaufzeit zurückgezahlt werden können. Solche Darlehen haben die Tücke, dass die Zinsen den ausstehenden Betrag bis zum Ende der Kreditlaufzeit (die sich i.d.R. an der geplanten Haltedauer des Eigentümers orientiert) immer weiter erhöhen, was gefährlich sein kann, sofern es dem Unternehmen nicht gelingt, in dieser Zeit finanzielle Reserven aufzubauen und/oder den Ertrag signifikant zu erhöhen. Kreditgeber müssen hier davon überzeugt werden, dass der am Ende der Laufzeit zu Buche stehende Betrag sicher refinanziert werden kann.

Ebenso wichtig ist die Kapitaldienstfähigkeit bei Corporate-Finanzierungen. Steffen Rapp, Leiter des Bereichs Strukturierte Finanzierungen bei der Deutschen Bank, verweist aber darauf, dass andere Kennziffern in seinem Tätigkeitsfeld mitunter eine größere Rolle spielen, und erläutert die Hintergründe:„Leveraged-Finanzierungen sind mit sehr wenig Spielraum gestaltet, daher wird die Kapitaldienstfähigkeit dort höher gewichtet. Etwas anders verhält es sich bei Konsortialkrediten für Unternehmen, weil hier stärker mit Betriebsmittellinien (auch Revolving Credit Facilities genannt) gearbeitet wird, die der Schuldner typischerweise am Laufzeitende refinanziert.“

Entscheidend in Sondersituationen

Bei diesen Finanzierungsentscheidungen konzentriert sich der Experte in erster Linie auf die Kennziffer (Net) Debt im Verhältnis zu EBITDA (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization): „Diese Kennzahl ist in beinahe allen Kreditverträgen als Financial Covenant erhalten und dient als ein wesentliches Indiz zur Einschätzung der Bonität.“ Entscheidende Bedeutung hat die Kapitaldienstfähigkeit für Rapp v.a. in Sondersituationen, bspw. bei großen transformierenden Akquisitions- bzw. Investitionsvorhaben.

Erkundigt man sich bei der Ratingagentur Scope nach dem Gewicht der Kapitaldienstfähigkeit in ihren Ratings, lernt man, dass die enge Definition der Lexika nicht allgemeingültig ist. Für Sebastian Zank, Leiter der Unternehmensanalyse bei Scope, kann Kapitaldienstfähigkeit weiter gefasst werden: Ein Unternehmen muss ausreichend Cash Inflow generieren, um den Outflow zu kompensieren – Letzterer umfasst neben den Kosten des operativen Geschäfts auch Zinsen, Steuern und Kredittilgungen.

  • Damit definiert sich Kapitaldienstfähigkeit eher als ein Konstrukt, unter das verschiedene Kennzahlen fallen können – auch solche jenseits von Zins und Tilgung. Diese Sicht ist praxisnäher und erlaubt es Ratingagenturen und Kreditgebern, jeweils eigene Credit Metrics heranzuziehen. Zank misst der Kapitaldienstfähigkeit die entscheidende Bedeutung im Ratingprozess zu und erläutert, welche Aspekte bei Scope in die Analyse einfließen:
  • Interest Coverage Ratio: Wie verhält sich das operative Ergebnis eines Unternehmens zu den fälligen Zinszahlungen?
  • Liquiditätskennzahlen: Ist das Unternehmen in der Lage, fristgerecht und in voller Höhe die ausstehenden Obligationen zurückzuführen, also bspw. Kredite zur Fälligkeit vollständig zurückzuzahlen?
  • Cashflow Cover: Kann das Unternehmen nach Abzug aller Kosten und Investitionen seinen finanziellen Verpflichtungen in voller Höhe nachkommen?

Wichtiger Faktor im Rating- und Kreditvergabeprozess

Unabhängig davon, wie eng oder weit man die Kapitaldienstfähigkeit definiert, steht fest: Sie ist ein entscheidender Faktor im Rating- und Kreditvergabeprozess. Das müssen Kreditnehmer wissen und sich entsprechend vorbereiten. Unternehmen sollten die Kapitaldienstfähigkeit vor den ersten Gesprächen mit ihren Kreditgebern deshalb schon einmal selbst näherungsweise berechnen – nur dann können sie ihre Verhandlungsposition realistisch einschätzen.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank. Den dazugehörigen Link finden Sie HIER

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