Das Wirtschaftswachstum erreichte 2015 mit 4,7% den niedrigsten Stand seit sechs Jahren. Vor allem niedrigere Rohstoffpreise und der Konjunkturabschwung in China haben dazu beigetragen. Auch das wachsende Misstrauen von Investoren gegenüber Schwellenländern spielte eine Rolle. In der Folge hat sich die externe Liquidität verschlechtert, woraufhin die Credendo Group das kurzfristige politische Risiko Indonesiens in die Kategorie 3 von 7 hochstufte.
Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Credimundi, Member of the Credendo Group
Innenpolitische Konflikte behindern Reformpläne
Knapp zwei Jahre nach Amtsantritt steht Staatspräsident Joko Widodo vor einer Reihe von Herausforderungen. Seine Autorität ist angeschlagen, und seine Gestaltungsmöglichkeiten sind begrenzt, da seine ehrgeizigen Reformprogramme durch die politische Elite blockiert werden. Ohne parlamentarische Mehrheit ist er abhängig von einer großen und unbeständigen Koalition.
Da sich seine Partei, die Demokratische Partei des Kampfes Indonesiens (PDI-P), aber in einer schwachen Position befindet, ist er insbesondere auf die Unterstützung der Opposition angewiesen. Entsprechend muss Widodo, um größere politische Stabilität zu erreichen, die Ansprüche an seine Reformpläne verringern und eine nationalistischere Politik verfolgen. Zudem hat das Land erneut mit der Gefahr einer inneren Destabilisierung zu kämpfen, insbesondere durch den wachsenden Einfluss des sogenannten „Islamischen Staates“ auf lokale militante Gruppierungen.
Trauriger Höhepunkt der steigenden Bedrohung durch indonesische Islamisten bildeten die Anschläge im Zentrum von Jakarta im Januar. Zudem beteiligen sich derzeit nach offiziellen Schätzungen etwa 500 indonesische Kämpfer am Bürgerkrieg in Syrien und im Irak – und bilden somit bei ihrer Rückkehr ein schwer kalkulierbares Risiko. Auch wenn die Terrorgefahr durch IS-Sympathisanten für westliche Einrichtungen und offizielle Institutionen zunehmen dürfte: Nicht alle islamistischen Gruppierungen in Indonesien teilen die Ideologie des IS. Zudem ist Indonesien ein Land mit einem traditionell moderaten Islam.
Abhängigkeit von Rohstoffen bremst das Wachstum
Indonesien ist in hohem Maße abhängig vom Rohstoffabbau, der die Hälfte aller Exporte des Landes ausmacht. Die Schwerpunkte liegen dabei auf Kohle (größter Exporteur weltweit) und Gummi (zweitgrößter Exporteur), sowie auf Flüssiggas und Biokraftstoff.
Als einer der wichtigsten Handelspartner gilt China. Entsprechend leidet das Land momentan unter dem Verfall der Rohstoffpreise, dem Konjunkturabschwung im Reich der Mitte und der wachsenden Zurückhaltung von Investoren gegenüber den Schwellenländern. Seit 2011 fällt das Wirtschaftswachstum stetig, im vergangenen Jahr sogar auf ein Sechsjahrestief von 4,7%.
Zudem verliert die Rupiah seit 2013, als die Fed den Ausstieg aus ihrer lockereren Geldpolitik ankündigte, stetig an Wert. Die fallenden Rohstoffpreise und kurzfristigen Kapitalabflüsse haben dazu geführt, dass die Währung bis Ende 2015 rund 40% ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar verlor. Schon bald könnte die Rupiah den niedrigsten Stand seit der Asien-Krise erreichen. Aufgrund der auf Fremdwährung lautenden Schulden würde ein weiterer Währungsverfall insbesondere indonesische Unternehmen im Rohstoffsektor hart treffen.
Binnenwirtschaft bleibt robust
Trotz schwächerer Konjunkturdaten ist Indonesiens Wirtschaft diversifiziert. Sie wird gut geführt und bleibt dank Binnennachfrage und wachsender Mittelschicht stabil. Der Privatkonsum, neben dem Export der zweite dominante Wachstumsmotor, ist robust und profitiert von der gestiegenen Kaufkraft. Die Inflation ist stark zurückgegangen (von 8,4% im Jahr 2014 auf 3,4% Ende 2015), obwohl der Kraftstoffpreis um 30% gestiegen ist und der Wertverlust der Rupiah zu höheren Importpreisen führt.
Die Risiken externer Schocks dürften von dem insgesamt gesunden Bankensektor mit angemessenen Kapitalpuffern und wenigen notleidenden Krediten hingegen abgefedert werden. Die Auslandsverschuldung ist aber zwischen 2012 und 2015 von 26,6% des BIP um 10 Prozentpunkte gestiegen. Die Gefahren hinsichtlich der externen Liquidität sind jedoch begrenzt, da die Devisenreserven über fünfeinhalb Monatsimporte – den Durchschnitt nach der Krise 2008 – abdecken.
Mittel- bis langfristig dürfte sich das Wirtschaftswachstum bei 6% einpendeln, was allerdings abhängig vom Erfolg geplanter Wirtschafts- und Infrastrukturreformen des indonesischen Präsidenten bleibt.
Infrastrukturausbau und Protektionismus
Der Präsident möchte die indonesische Wirtschaftsstruktur anpassen, indem er größeres Augenmerk auf Investitionen und verarbeitendes Gewerbe legt, um so von regional wettbewerbsfähigen Lohnkosten und der demographischen Dividende zu profitieren. Eine Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels ist der Abbau des anhaltenden Infrastrukturdefizits bei Transport, Kommunikation und Stromerzeugung. Diese sind die Hauptursachen dafür, dass Indonesien weniger ausländische Fertigungsprojekte ins Land holen kann als andere Staaten der Region. Dar-über hinaus sieht Widodo sich mit drei großen Herausforderungen konfrontiert: schwerfälliger Bürokratie, komplexem Landerwerb und einem beständigen politischen Druck zur Erhöhung der inländischen Wertschöpfung.
Der Trend zu einer protektionistischen Politik äußerst sich in Beschränkungen für ausländisches Eigentum (z.B. im Bergbau), im Rohstoffbereich (etwa dem 2014 eingeführten Ausfuhrverbot für unverarbeitete Mineralerze) sowie in der künftigen Überprüfung bilateraler Investitionsabkommen. Gleichzeitig impliziert die jüngste Öffnung vieler Nichtschlüsselsektoren für Direktinvestitionen, dass der Protektionismus im Kontext deutlich niedrigerer Rohstoffpreise abgemildert werden muss und die Regierung zu einer entgegenkommenderen Politik gegenüber Investoren gezwungen ist, die bis zu einem gewissen Grad auch die Rohstoffindustrie umfassen sollte.
Die protektionistischen Entwicklungen könnten der Produktivität schaden. Sie zeigen deutlich Jakartas Absicht, Investitionen von lokalen Unternehmen vorzuziehen, aber gleichzeitig ausländischen Direktinvestitionen in Infrastruktursektoren Priorität einzuräumen. So erhalten Investoren aus China Vorzugsbedingungen, wie der jüngste Vertrag über eine Schnellzugstrecke belegt. Obwohl der Zufluss von Direktinvestitionen seit 2010 jährlich zweistellig angestiegen ist, stehen Investoren dem schwierigen Geschäftsumfeld – trotz Verbesserungsbeteuerungen seitens der Regierung – nach vor wie skeptisch gegenüber. Diese Zurückhaltung stellt eine Gefahr für ein nachhaltiges, starkes Wachstum dar.
Risiko steigender US-Zinsen und mangelnder Reformen
Im laufenden Jahr geht die größte Gefahr von den Auswirkungen der US-Geldpolitik auf die Kapitalbilanz aus. Ein weiteres Risiko besteht in der starken Abwertung der Rupiah für die Tilgung von Auslandsschulden, da lokale Unternehmen in den vergangenen Jahren zunehmend Kredite in US-Dollar aufgenommen haben. Obwohl Indonesien dank einer robusten Nachfrage aus dem Privatsektor makroökonomische Belastbarkeit zeigt, zeichnen sich die außenwirtschaftlichen Aussichten durch größere Unsicherheit aus, da die oben ausgeführten Negativentwicklungen weiter andauern dürften.
Ob es der Regierung gelingt, das mittel- bis langfristige Wachstum Indonesiens erneut auf die höhere Rate der vergangenen Jahre anzuheben, dürfte somit u.a. von politischen Anreizen und der Umsetzung des kühnen staatlichen Infrastrukturplans abhängen. Strukturelle Verzögerungen, Komplikationen beim Landerwerb und eine protektionistische Politik der Regierung könnten jedoch die erforderlichen Direktinvestitionen und damit die Ziele der Regierung behindern. Die Reformpläne Präsident Widodos werden außerdem von seiner Minderheitsposition im Parlament, Gegenwind aus seiner eigenen Partei sowie Widerstand gegen Reformen seitens der Elite erschwert.
Die ausführliche Länderstudie Indonesien mit zusätzlichen Grafiken steht zum kostenlosen Download unter www.credimundi.de bereit: http://riskreporter.credendogroup.com/de/risk-assessment/widerstandsfahigkeit-gegen-externen-druck/
Kontakt: c.witte@credendogroup.com