Die Gründung eines Joint Ventures in Saudi-Arabien kann für ausländische Investoren eine äußerst attraktive Option sein. Sie ermöglicht den Zugang zu lokalem Know-how, Marktkenntnissen, Geschäftskontakten sowie der Finanzkraft eines saudischen Partners. Darüber hinaus können potenzielle Skaleneffekte aus einer solchen Partnerschaft genutzt werden.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Trotz der offensichtlichen Vorteile einer Joint-Venture-Gründung in Saudi-Arabien sollten ausländische Investoren eine gründliche Planung durchführen, die sich auf finanzielle, rechtliche und strategische Aspekte konzentriert. Dieser Artikel bietet einen praktischen Leitfaden für die wichtigsten Überlegungen.
Ausländische Investoren müssen sich mit den lokalen steuerrechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen vertraut machen, um ihre Erfolgschancen zu optimieren. Die vertraglichen Vereinbarungen mit dem/den lokalen Partner/n sollten die folgenden zentralen Punkte klar regeln:

Kapitaleinlage: Die Parteien sollten klar definieren, welche Vermögenswerte (z.B. Barmittel, geistiges Eigentum, Know-how) und in welcher Höhe sie in das Joint Venture einbringen. Dabei ist eine realistische Bewertung der eingebrachten materiellen und immateriellen Vermögenswerte erforderlich.

Gewinnverteilung: Es muss festgelegt werden, wann, wie häufig und in welcher Höhe die im Joint Venture erwirtschafteten Gewinne an die Partner ausgeschüttet werden.

Verlustverteilung: Die Parteien sollten vereinbaren, in welchem Verhältnis sie eventuelle Verluste des Joint Ventures tragen.

Finanzierungsvereinbarungen: Es ist wichtig, verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, um den Betriebs- und Investitionskapitalbedarf des Joint Ventures zu decken. Dazu gehören bspw. Gesellschafterdarlehen sowie Scharia-konforme Finanzierungsformen wie Mudaraba und Murabaha.

Steuerliche Regelungen: Die steuerlichen Verpflichtungen der Parteien müssen klar geregelt sein. Für ausländische Investoren gilt eine Körperschaftsteuer von 20%, während saudische Partner eine Zakat-Abgabe von 2,5% auf ihr Nettoeinkommen zahlen. Ausländische Investoren sollten zudem prüfen, ob Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Vorteile wie Steuerbefreiungen oder -abzüge bieten. Deutschland hat übrigens kein DBA mit Saudi-Arabien abgeschlossen. Darüber hinaus können Unternehmen, die in den neu geschaffenen Sonderwirtschaftszonen (Special Economic Zones, SEZ) tätig sind, von erheblichen Steuer­erleichterungen profitieren.

Exit-Strategien: Es ist ratsam, klare Exit-Strategien in den Vertrag aufzunehmen. Dazu gehören bspw. Klauseln über den Kauf oder Verkauf von Anteilen sowie Bewertungsmethoden für den Fall, dass eine Partei aus dem Joint Venture aussteigen möchte.

Ausländische Investoren sollten sich mit den relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen in Saudi-Arabien vertraut machen. Dazu gehören insb. das saudische Gesellschaftsrecht, das Gesetz über ausländische Investitionen und seine Durchführungsvorschriften, das Gesetz zu Schiedsverfahren und Handelsgerichten sowie das Arbeitsrecht.

Rechtsformen von Joint Ventures

Investoren sollten die verschiedenen Rechtsformen von Gesellschaften verstehen, die für ein Joint Venture infrage kommen:

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (LLC): die häufigste Rechtsform für Joint Ventures, die einen flexiblen Rahmen und Haftungsbeschränkung bietet

Aktiengesellschaft (JSC): wird häufig für große Projekte und Ventures mit erheblichen Kapitalanforderungen genutzt

Vereinfachte Aktiengesellschaft (SJSC): Diese neue Rechtsform kombiniert Merkmale der LLC und der JSC und bietet größere Flexibilität in der Unternehmensführung.

Gesetz über ausländische Investitionen

Ausländische Investoren sollten sich mit den zentralen Bestimmungen des saudi-arabischen Investitionsrechts vertraut machen, da diese den rechtlichen Rahmen für ihre Geschäftstätigkeit im Königreich bilden. Die wichtigsten Aspekte sind:

Genehmigung durch das Ministerium für Investitionen (MISA): Jede ausländische Investition muss von der saudischen Investitionsbehörde (Ministry of Investment of Saudi Arabia, MISA) genehmigt werden. MISA fungiert als zentrale Anlaufstelle (One-Stop-Shop) für alle erforderlichen Formalitäten, von der Unternehmensgründung bis zur Erteilung der notwendigen Lizenzen und Genehmigungen. Zu beachten ist, dass das bisherige Lizenzierungssystem in Kürze durch ein Registrierungssystem ersetzt wird, dessen genaue Rahmenbedingungen in den kommenden Durchführungsbestimmungen zum Investitionsgesetz festgelegt werden (voraussichtlich im Februar 2025). Der gesamte Lizenzierungsprozess wird elektronisch über das Saudi Business Center (SBC) abgewickelt, das alle Dienstleistungen für ausländische Investoren bündelt und sowohl die Unternehmensgründungen als auch die laufende Verwaltung erleichtert.

Lockerung der Investitionsbeschränkungen: Saudi-Arabien hat die Bestimmungen für ausländische Investitionen deutlich gelockert und erlaubt nun bis zu 100%ige ausländische Beteiligungen an saudischen Gesellschaften in fast allen Branchen. Ausnahmen bestehen weiterhin in strategischen Bereichen wie Öl und Gas, Medien, Sicherheit und Verteidigung, die für ausländische Investoren nicht zugänglich sind.

Warum ist ISIC4 relevant?

Die Klassifizierung von Investitionstätigkeiten nach der International Standard Industrial Classification (ISIC), Version 4 (ISIC4), ist ein zentraler Aspekt für ausländische Investoren in Saudi-Arabien. ISIC4 ist ein international anerkanntes System zur Kategorisierung wirtschaftlicher Aktivitäten, das von den Vereinten Nationen entwickelt wurde.

Die richtige Klassifizierung der Investitionstätigkeit nach ISIC4 ist entscheidend, da sie sich direkt auf die Genehmigung und Regulierung durch MISA auswirkt. Die Wahl der richtigen Klassifikation beeinflusst:

Genehmigungsverfahren: MISA verwendet ISIC4 als Referenz für die Einordnung von Investitionsprojekten, doch die zuständigen Beamten sind oft nicht ausreichend mit den Details der Klassifizierung vertraut. Eine falsche Einstufung kann daher zu Verzögerungen oder unnötigen Einschränkungen führen.

Erlaubte Aktivitäten: Bestimmte Branchen unterliegen regulatorischen Beschränkungen oder besonderen Anforderungen. Eine genaue ISIC4-Klassifikation hilft dabei, unklare oder falsche Einschränkungen zu vermeiden.

Investitionsanreize: Steuervergünstigungen und Anreize hängen häufig von der korrekten Branchenzuordnung ab. Die Wahl einer ISIC4-Kategorie, die der Geschäftstätigkeit der Joint-Venture-Gesellschaft am nächsten kommt, kann daher finanzielle Vorteile mit sich bringen.

Mindestkapitalanforderungen: Die Wahl der ISIC4-Klassifikation kann direkte Auswirkungen auf das erforderliche Mindeststammkapital haben. So kann z.B. für eine Geschäftstätigkeit mit Produktionsanteilen eine Industrie­lizenz erforderlich sein, die eine Mindestkapitalisierung von 1.000.000 SAR erfordert.

Handels-/Vertriebslizenzen: Jede Verkaufstätigkeit, sei es nach einer Produktionsphase oder durch Weiterverkauf, kann eine Handels- oder Vertriebslizenz mit erheblichen Kapitalanforderungen erfordern (mindestens 26.667.000 SAR mit saudischer Beteiligung und 30 Mio SAR bei 100% ausländischer Beteiligung). Daher sollte die Klassifizierung in bestimmte Handelsklassen vermieden werden, wenn die Kapitalanforderungen minimiert werden sollen.

Dienstleistungsklassen: Tätigkeiten, die unter Dienstleistungsklassen fallen, erfordern i.d.R. deutlich geringere Kapitalanforderungen.

Strategische Überlegungen

Das Verständnis der lokalen Kultur und Geschäftsetikette ist für den Erfolg eines Joint Ventures in Saudi-Arabien entscheidend. Persönliche Beziehungen und der Aufbau von Vertrauen spielen eine zentrale Rolle im Geschäftsleben.

Investoren sollten gründliche Due-Diligence-Prüfungen potenzieller lokaler Partner durchführen, einschließlich Finanzprüfungen und einer Überprüfung des Marktprestiges. Es ist wichtig sicherzustellen, dass beide Partner ähnliche Geschäftsziele verfolgen, um Konflikte zu vermeiden.

Ein tiefgehendes Verständnis des geschäftlichen und sozialen Umfelds ist essenziell, um Missverständnisse oder negative Folgen zu vermeiden, die durch die Missachtung der vorherrschenden geschäftlichen, sozialen und religiösen Normen entstehen könnten. Dazu gehören bspw. die Vorliebe für persönliche Treffen, der hohe Stellenwert von vertrauensvollen Beziehungen sowie die Erwartung eines respektvollen Auftretens in Verhandlungen.

Praxistipp: Halten Sie die geschäftlichen Vereinbarungen in einem umfassenden Joint-Venture-Vertrag und einem detaillierten Geschäftsplan fest, der flexibel angepasst werden kann.

Ein klar strukturiertes Joint Venture sollte eine Matrix of Authority enthalten, die Rollen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse definiert. Besonders wichtige Entscheidungen sollten als Reserved Matters definiert werden, die der Zustimmung aller Partner bedürfen.

Investoren sollten robuste Lizenzvereinbarungen abschließen, um ihr geistiges Eigentum zu schützen, wenn sie Technologie oder Know-how in das Joint Venture einbringen. Vertraulichkeitsvereinbarungen und regelmäßige Audits können zusätzliche Sicherheit bieten.

Einhaltung lokaler Bestimmungen

Geldwäsche- und Antikorruptionsgesetz: Investoren müssen sicherstellen, dass sie die saudi-arabischen Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption einhalten. Dies beinhaltet die Durchführung von Due-Diligence-Prüfungen und die Einrichtung interner Compliance-Programme.

Arbeitsrecht und „Saudization“-Vorgaben: Ausländische Unternehmen müssen die Vorschriften des Nitaqat-Systems einhalten, das Quoten für die Beschäftigung saudischer Staatsangehöriger vorschreibt. Die Nichteinhaltung dieser Quoten kann zu Sanktionen führen oder die Möglichkeit einschränken, Arbeitsgenehmigungen für ausländische Mitarbeiter zu erhalten.

Streitbeilegung: Eine Streitbeilegungsklausel im Joint-Venture-Vertrag ist unerlässlich. Das saudische Schiedsrecht, das auf dem UNCITRAL-Modell basiert, bietet eine effektive Möglichkeit zur Beilegung von Streitigkeiten. Das Riyadh Commercial Arbitration Center und die International Chamber of Commerce (ICC) sind angesehene Schiedsinstitutionen, die häufig genutzt werden.

Empfohlene Klausel: „Alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag werden endgültig nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) durch einen oder mehrere Schiedsrichter endgültig entschieden. Der Schiedsort ist [Stadt, Land]. Die Schiedssprache ist Englisch.“

Fazit

Die Gründung eines Joint Ventures in Saudi-Arabien bietet erhebliche Geschäftsmöglichkeiten, erfordert jedoch eine sorgfältige finanzielle, rechtliche und strategische Planung. Ausländische Investoren können ihre Erfolgschancen maximieren, wenn sie die lokalen Vorschriften und kulturellen Besonderheiten kennen. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Rechtsberatern, die mit den saudi-arabischen Gesetzen und Geschäftspraktiken vertraut sind, ist unerlässlich, um die Komplexität des Gründungsprozesses zu meistern und langfristigen Erfolg zu sichern.

ule[at]mideastlaw.de

https://mideastlaw.de

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner