Seit Kurzem steht im größten mittelamerikanischen Land mit Claudia Sheinbaum erstmals eine Frau an der Spitze der Regierung. Sie ist einerseits zum Sparen angehalten und andererseits gezwungen, hohe Summen in den grünen Wandel zu investieren. Doch eine komfortable Mehrheit könnte ihr das Durchsetzen ungeliebter Maßnahmen erleichtern.
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Claudia Sheinbaum von der regierenden linken Regierungspartei MORENA (Movimiento Regeneración Nacional) hat die Präsidentschaftswahlen am 2. Juni dieses Jahres haushoch gewonnen. Der Sieg kam wenig überraschend, lag sie doch in allen Umfragen komfortabel in Führung. Sie trat zum 1. Oktober ihre sechsjährige Amtszeit an und wird als erste weibliche Präsidentin Mexikos in die Geschichte eingehen.
Als enge Vertraute des populären bisherigen Amtsinhabers Andres Manuel López Obrador, (bekannt als AMLO) verspricht sie, dessen Politik fortzusetzen. Dabei wird sie mit einem größeren Vorsprung regieren können als ihr Vorgänger: Die Parteien des Regierungsbündnisses haben zusammen im Kongress fast eine Zweidrittelmehrheit.
Größte Machtkonzentration der letzten 25 Jahre
Die Wahlen haben sogar zur größten Machtkonzentration der vergangenen 25 Jahre geführt: Mit dieser „Supermehrheit“ wird die Partei auch umstrittene institutionelle Veränderungen durchsetzen können. Dies hat sich bereits im September gezeigt, als das Parlament weitreichende Justizreformen verabschiedete. Künftig sollen die mehr als 6.500 Richter und Staatsanwälte des Landes durch allgemeine Wahlen bestimmt werden. Die durchgesetzten Reformen könnten jedoch die Kontrollmechanismen gegen Machtkonzentration („checks and balances“) untergraben und Druck auf die Indikatoren ausüben, die die institutionelle Qualität messen und sich bereits in den vergangenen zehn Jahren für Mexiko verschlechtert haben.
Obwohl Sheinbaum versprochen hat, die Politik Obradors fortzusetzen, steht sie vor großen Herausforderungen. So wird sie ein hohes Haushaltsdefizit erben, das 2024 rund 6% des Bruttoinlandsprodukts und damit den höchsten Stand seit Ende der 1980er Jahre erreichen dürfte. Trotz jahrelanger Sparmaßnahmen (auch während der Covid-19-Pandemie) hatte der amtierende Präsident Obrador v.a. im vergangenen Jahr Sozialprogramme und große Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht, darunter Zugstrecken und eine Ölraffinerie.
Dennoch: Die öffentlichen Finanzen sind mit einer geschätzten Staatsverschuldung von 56% des BIP zum Jahresende relativ gesund und das Haushaltsdefizit dürfte ab dem kommenden Jahr wieder sinken, da die großen Infrastrukturprojekte bis Oktober abgeschlossen sein sollen.
Viel Gewalt und Kriminalität
Sheinbaum wird sich auch mit der hohen Gewalt- und Kriminalitätsrate auseinandersetzen müssen. Trotz der Militarisierung der öffentlichen Sicherheit konkurrieren kriminelle Banden um die Kontrolle der Drogen- und Menschenhandelsrouten.
Als Klimawissenschaftlerin hat sich Sheinbaum zudem dazu verpflichtet, dem grünen Wandel Priorität einzuräumen, in den sie fast 14 Mrd USD (etwa 1% des mexikanischen BIP) stecken will. Sie wird auch in die marode Energie- und Wasserinfrastruktur investieren müssen, zumal sich Mexiko inmitten einer beispiellosen Wasserkrise befindet. Diese dürfte sich durch den Klimawandel wahrscheinlich noch verschärfen.
Vom US-Wachstum profitiert
Wirtschaftlich hat Mexiko in den vergangenen Jahren vom starken Wirtschaftswachstum in den USA profitiert. Da die US-Wirtschaft jedoch auf eine weiche Landung zusteuert, wird auch für Mexiko eine Verlangsamung erwartet. Mit rund 2,4% dürfte das Wachstum in diesem Jahr jedoch robust bleiben und in etwa dem Zehnjahresdurchschnitt vor der Covid-19-Pandemie entsprechen.
Im kommenden Jahr könnte sich das reale BIP-Wachstum allerdings auf 1,4% abschwächen. Mittelfristig könnten sich aus dem großen Interesse westlicher Unternehmen (die ihre Lieferketten von China weg diversifizieren wollen) und chinesischer Unternehmen erhebliche Chancen für Mexiko ergeben. Zudem verfügt das mittelamerikanische Land über ein Freihandelsabkommen mit den USA (das 2026 überprüft werden soll). Dennoch sind Streitigkeiten mit den USA und Kanada über chinesische Reexporte wahrscheinlich, insb. weil Donald Trump nun für eine weitere Amtszeit ins Weiße Haus zurückkehrt.
Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob Sheinbaum die staatlich gelenkte Politik fortsetzen wird, die sich negativ auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt hat, und welche Haltung sie gegenüber dem Privatsektor einnehmen wird, der ein weiterer entscheidender Faktor für die wirtschaftlichen Aussichten ist.
Gute Risikoeinstufung
Das Rating für das mittel- bis langfristige politische Risiko Mexikos liegt seit mehr als einem Jahrzehnt bei 3/7. Gründe für die gute Risikoeinstufung des Landes sind die moderate Auslandsverschuldung, die relativ niedrigen Schuldendienstquoten, die tragfähigen – wenn auch sich verschlechternden – öffentlichen Finanzen sowie die wirtschaftliche Diversifizierung trotz der starken Abhängigkeit von der US-Wirtschaft. Das Rating für das kurzfristige politische Risiko ist sehr gut (Kategorie 1/7), was auf die hohen Devisenreserven und die relativ geringe kurzfristige Auslandsverschuldung zurückzuführen ist.
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