Seit der Wiedereinführung der US-Sanktionen durch die E.O. 13846 Präsident Trumps vom 6. August 2018 und der Reaktivierung der sog. EU-Blocking-Regulation mit Wirkung zum 7. August 2018 fallen die Sanktionsregime von EU und USA auseinander und schließen sich (teilweise) gegenseitig aus. Die Complianceabteilungen von EU-Unternehmen stecken nun in der Zwickmühle und stehen vor einer großen Herausforderung.
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Zahlreiche Unternehmen in der EU haben sich nach der Aufkündigung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) mit dem Iran durch die USA am 8. Mai 2018 entschlossen, ihr Iran-Geschäft einzustellen. Die von den USA am 6. August 2018 wiedereingeführten Verbote für bestimmte Iran-Geschäfte richten sich gezielt an Nicht-US-Unternehmen, denen bei Verstößen gravierende Strafen in den USA drohen (sog. Secondary Sanctions). Neben Geldstrafen und der Einziehung von Vermögen in den USA kann die US-Regierung insbesondere den Zugang zum US-Markt einschränken. Obwohl die Maßnahme formal nur den US-Markt betrifft, kann sie zu einer weltweiten Ausgrenzung des betroffenen Unternehmens führen, da die US-Sanktionslisten von allen international tätigen Unternehmen standardisiert geprüft werden.
EU-Blocking-Regulation keine Hilfe
Die Bedrohung der EU-Unternehmen durch die USA untergräbt die Politik der EU gegenüber dem Iran. Die EU will an dem Atomabkommen festhalten und hat als Maßnahme zum Schutz vor den US-Sanktionen mit Wirkung zum 7. August 2018 durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1100 die sog. EU-Blocking-Regulation aus dem Jahr 1996 aktiviert [Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996], indem sie die wiedereingeführten US-Sanktionen in deren Anhang aufgenommen hat. Nach Art. 5 Abs. 1 der EU-Blocking-Regulation ist es EU-Unternehmen untersagt, Forderungen oder Verboten „nachzukommen“, die direkt oder indirekt auf den im Anhang aufgeführten Gesetzen oder Maßnahmen beruhen oder sich daraus ergeben.
Den Unternehmen in der EU ist es somit einerseits nach US-Recht verboten, bestimmte Geschäfte mit dem Iran zu tätigen, und andererseits ist es ihnen nach EU-Recht untersagt, dem US-Verbot Folge zu leisten. Die EU-Blocking-Regulation schützt damit zwar die politischen Interessen der EU, aber nicht die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen. Die durch die US-Maßnahmen beschränkte Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer im Hinblick auf das Iran-Geschäft wird durch die EU-Blocking-Regulation nicht wiederhergestellt. Vielmehr drohen den Unternehmen nun zusätzlich Bußgelder seitens der EU-Mitgliedstaaten, wenn sie sich dem US-Recht beugen. In Deutschland kann der Verstoß gegen die EU-Blocking-Regulation nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 EUR geahndet werden. Wirksamen Schutz vor dem extraterritorialen US-Recht bietet die EU-Blocking-Regulation somit im Ergebnis nicht. Sie verschärft vielmehr das Dilemma der betroffenen Unternehmen, das umso größer wird, je mehr die Unternehmen sich einer Compliancekultur verschrieben haben: EU-Unternehmen werden ihre Complianceprogramme nämlich an die neue Rechtslage anpassen müssen.
Herausforderung für Unternehmen
Zukünftig muss der EU-Blocking-Regulation – und im Übrigen auch dem in § 7 AWV niedergelegten außenwirtschaftsrechtlichen Boykottverbot – in den Complianceprogrammen der Unternehmen mehr Raum gegeben werden, als dies derzeit überwiegend der Fall ist. Die Unternehmen in der EU werden nicht umhinkommen, sämtliche Compliancemaßnahmen, die das US-Sanktionsrecht gegen den Iran betreffen, und sämtliche mit dem US-Sanktionsrecht in Zusammenhang stehenden strategischen und operativen Entscheidungen zur Vermeidung von Risiken daraufhin zu prüfen, ob sie mit der EU-Blocking-Regulation und dem Boykottverbot in Einklang stehen.
Es steht zu befürchten, dass die Zollbehörden bei zukünftigen Außenwirtschaftsprüfungen ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung dieser Vorschriften legen werden. Da die EU-Blocking-Regulation, obwohl sie seit über 20 Jahren existiert, nie konsequent durchgesetzt wurde, sind zahlreiche Fragen im Hinblick auf ihre Anwendung nicht abschließend geklärt. Weder bei den Verfolgungsbehörden noch bei den Unternehmen gibt es eine eingespielte Praxis.
Die Anpassung des Complianceprogramms und die Überprüfung von strategischen und operativen Entscheidungen erfordern zunächst eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem neuen Anhang der EU-Blocking-Regulation. Dieser verweist zum einen nicht pauschal auf die „Secondary Sanctions“ der USA, nennt die Vorschriften zum anderen aber auch nicht konkret.
Den EU-Unternehmen wird somit abverlangt, die US-Verbote, denen sie nicht nachkommen dürfen, im Einzelnen selbst zu bestimmen. Diese Regelungstechnik wirft – immerhin wird eine Sanktion an den Verstoß geknüpft! – verfassungsrechtliche Fragen auf, insbesondere da die Reichweite des Bußgeldtatbestandes letztlich durch den US-Gesetzgeber verändert werden kann.
Ebenfalls überraschend ist schließlich die Bezugnahme auf die De-minimis-Klausel der USA für Reexporte in den Iran im Anhang der EU-Blocking-Regulation. Die Geltung des US-Reexportrechts für US-Güter, die aus der EU ausgeführt werden sollen, wird von der EU grundsätzlich akzeptiert, da über die Güter ein US-Bezug der Vorgänge existiert. Nach US-Reexportrecht unterfallen auch solche Güter der US-Exportkontrolle, die zwar außerhalb der USA hergestellt wurden, aber 25% oder mehr Anteile an kontrollierten US-Vormaterialien enthalten. Sollen die Güter in den Iran oder andere Embargostaaten ausgeführt werden, gilt ein niedrigerer Schwellenwert von 10%. Diese Regelung wird von der EU als Bestandteil des Sanktionsrechts gewertet, weshalb die Vorschrift in den Anhang aufgenommen wurde. Dies ist für die Complianceabteilungen eine besondere Herausforderung, da die Bestandteilkalkulation in der Praxis meist ein automatisierter Vorgang ist, der unabhängig von der Prüfung auf Embargos und Sanktionen erfolgt.
Nach Art. 2 Abs. 1 der EU-Blocking-Regulation sind die Wirtschaftsteilnehmer zudem verpflichtet, die Europäische Kommission innerhalb von 30 Tagen über jede mittelbare oder unmittelbare Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen durch die gelisteten extraterritorialen Rechtsakte oder durch die darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen zu unterrichten. Auch diese Anforderung muss in den betriebsinternen Strukturen berücksichtigt werden, auch wenn zumindest keine bußgeldrechtliche Sanktion an einen Verstoß geknüpft ist (vgl. § 82 Abs. 2 AWV).
Wege aus der Zwickmühle
Nach dem von der EU-Kommission veröffentlichten Leitfaden zur EU-Blocking-Regulation (ABl.EU 2018 C277I, 4) erkennt die Kommission ausdrücklich das Recht je-des Wirtschaftsteilnehmers an, seine Geschäftstätigkeit unter Beachtung des EU-Rechts und des nationalen Rechts frei auszuüben und daher auch frei zu entscheiden, die Geschäftstätigkeit im Iran einzuschränken oder gar einzustellen. Dokumentiert der Wirtschaftsteilnehmer allerdings in seinen eigenen Prozessen und Richtlinien, dass die Entscheidung nicht frei getroffen, sondern durch US-Recht determiniert ist, riskiert er eine Sanktionierung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Auch dazu äußert sich die Kommission in ihrem Leitfaden: Es sei Sache der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die EU-Blocking-Regulation durchgesetzt wird. Dies kann vor allem beim Export in der EU hergestellter Güter mit US-Bestandteilen für Probleme sorgen.
Die EU-Blocking-Regulation sieht in Art. 5 Abs. 2 ferner vor, dass EU-Wirtschaftsteilnehmer bei der Kommission eine Genehmigung zur Einhaltung der gelisteten US-Rechtsakte für den Fall beantragen können, dass ihre Interessen oder die Interessen der Union durch die Nichteinhaltung „schwer geschädigt“ würden. Im Leitfaden der Kommission wird jedoch gleich deutlich gemacht, dass nicht bei jeder erlittenen Beeinträchtigung oder Schädigung eine Genehmigung erteilt werden kann; Abweichungen von dem Verbot, dem US-Recht nachzukommen, sollen eine Ausnahme bleiben. Damit dürfte aus Compliancesicht ausgeschlossen sein, dass Unternehmen der Zwickmühle insgesamt durch die pauschale Beantragung einer Ausnahme von allen für sie relevanten Verboten entkommen können. Im Einzelfall kann die Genehmigungsmöglichkeit womöglich aber Ab-hilfe schaffen. Auch insoweit betreten die Unternehmen aber juristisches Neuland; die Wirksamkeit dieser Maßnahme wird sich erst mit der Zeit erweisen.