Weltweit hat die Zahl der Wirtschafts- und Freihandelsabkommen in der zurückliegenden Dekade erheblich zugenommen. Deutsche Exporteure können von den von der EU ausgehandelten Zollvergünstigungen profitieren. Dazu bedarf es jedoch sorgfältig erstellter Ursprungsnachweise.

Der Einsatz einer Softwarelösung für Ursprungskalkulationen ist kein Muss. Aber ohne diese sind die rechtskonforme Verwaltung von Lieferantenerklärungen und die Kalkulation von Präferenzen nur in Ausnahmefällen möglich.

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Angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise müssen Unternehmen noch schärfer kalkulieren als in der Vergangenheit. Dazu gehört auch eine strategische Prüfung von Zollvorteilen relevanter Freihandelsabkommen (FHAs) gegen die mit der Inanspruchnahme verbundenen Kosten- und Zeitaufwände. Weltweit hat die Zahl der Wirtschafts- und Freihandelsabkommen in der zurückliegenden Dekade erheblich zugenommen. Deutsche Exporteure können dabei nicht nur von den von der EU ausgehandelten Zollvergünstigungen profitieren. Durch Tochtergesellschaften im Ausland können sie auch in den Genuss von Vorteilen anderer Präferenzverträge kommen (AFTA, DR-CAFTA, GAFTA, USMCA etc.).

Hohe Komplexität

Voraussetzungen für eine effektive und risikofreie Nutzung von Präferenzabkommen sind eine sorgfältige Abklärung der Ursprungseigenschaft von Zulieferteilen und Herstellungserzeugnissen, eine korrekte Produktklassifizierung aller Vorprodukte und des Exportprodukts, eine tagesaktuelle Pflege von Stammdaten und Lieferantenerklärungen sowie nachvollziehbare Präferenzkalkulationen unter Berücksichtigung der Bedingungen der jeweiligen FHAs. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich, nicht nur in Bezug auf Zollsätze, sondern auch bezüglich der Be- und Verarbeitungsregeln. Kalkulationen für ein Produkt im Rahmen eines Abkommens können daher selten auf andere FHAs übertragen werden. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der präferenzielle Ursprung sowohl von Änderungen bei Einkaufspreisen für Vormaterialien als auch von Verkaufspreisen der Exportprodukte beeinflusst wird. Jede Änderung erfordert eine neue Kalkulation. Bei großen, vielfältigen Stücklisten macht dies den Einsatz einer speziellen Präferenzsoftware unabdingbar, um effizient und rechtskonform arbeiten zu können.

Strategische Gesichtspunkte

Aufgrund der vielfältigen Faktoren des Einflusses auf die Kalkulation des präferenziellen Ursprungs sollten nahezu alle Bereiche des Unternehmens beratend miteinbezogen werden – angefangen bei Forschung & Entwicklung, über Beschaffung, Produktion, Logistik, Rechtsabteilung und Finanzen bis hin zum Vertrieb. Wichtig sind beispielsweise regelmäßige Informationen über neue Märkte, Lieferwege, Rohstoff- oder Komponentenquellen, politische Veränderungen/Sanktionen aus den Fachabteilungen.

Insbesondere im Bereich der Beschaffung sind im Vorfeld von geplanten Veränderungen (Lieferantenwechsel, neue Transportrouten, Zwischenlager) die Auswirkungen auf die Ursprungskalkulation beim Import und auf die Herstellungsprozesse sowie ggfs. den Export zu überprüfen. Die im Einkauf erzielte Einsparung kann unter Umständen zu einem Ausschluss aus einer Präferenz beim Export des Enderzeugnisses führen. Dann könnte der Regelzollsatz anstatt der Zollbefreiung zur Anwendung kommen. Nicht immer führt ein niedrigerer Einkaufspreis zu niedrigeren Gesamteinstandskosten oder zu einer höheren Marge bei Endprodukt und Umsatz.

Um einem Verlust der Präferenz beim Export vorzubeugen, müssen rechtzeitig Schwellenwerte festgelegt werden, z.B. bis zu welchem niedrigsten An-Werk-Preis der Vertrieb den Artikel verkaufen kann, um noch Präferenz gewähren zu können. Dabei kann der empfohlene Verkaufspreis je Land und Abkommen wegen der unterschiedlichen Ursprungsregeln stark variieren.

Lieferantenerklärungen

Lieferantenerklärungen (LEs) dienen Handelsunternehmen als Basis für präferenzielle Ursprungszeugnisse und das Ausstellen einer EUR.1 für den Export in ein Präferenzland. Die LE kann auch wichtig für eine Ursprungserklärung auf einer Rechnung sein.

Im Einkauf müssen LEs von allen Lieferanten angefordert werden, deren Produkte zur Produktion von Exportwaren verwandt werden, die zwischen zwei Freihandelspartnern gehandelt werden. Diese LEs sollten immer gleich auf Vollständigkeit geprüft werden, da sie oft fehlerhaft sind (Wortabweichungen, Wertüberschreitungen etc.). LEs sind zwar bis zu zwei Jahre gültig, sollten aber periodisch auf Gültigkeit hin überprüft werden. Die manuelle Verwaltung von LEs ist mühselig. Daher empfiehlt sich eine Automatisierung.

Lohnenswerte Digitalisierung

Mit Managementsoftware für FHAs oder Portallösungen können Im- und Exporteure durch die Automatisierung ressourcenintensiver Schritte die Zeit für die ­Qualifizierung von Waren für ein Präferenzabkommen deutlich reduzieren: Einholung von Lieferanteninformationen, Management der LEs, Einhalten der Ursprungsregeln und Analyse der Stücklisten (Bills of Material – BOMs). So können Verwaltungskosten gesenkt, Zölle und Transportkosten minimiert werden.

Eine nicht zutreffende Ursprungsangabe in der LE kann dazu führen, dass ein ausgestellter Präferenznachweis zurückgenommen wird und die Waren im Einfuhrland nachträglich verzollt werden müssen. Ein Mitwirken des Einführers kann als Steuerhinterziehung gewertet werden. Sollte der Käufer hierdurch einen Schaden erleiden, so ist der Exporteur ggfs. ersatzpflichtig. Hinzu kommen mögliche Bußgelder und Zinszahlungen.

Falsche oder nicht gerechtfertigte Ursprungsangaben auf präferenziellen Ursprungsnachweisen bringen daher nicht nur wirtschaftliche Einbußen bis zum Verlust des Kunden, sondern können auch strafrechtliche Zollverfahren für den Exporteur und den Empfänger auslösen. Firmen sollten daher alle Prozesse automatisch, auditierbar dokumentieren.

Ob eine 30%-Wertregel vorliegt oder eine mit 40%, ob es sich um einen Positionswechsel handelt oder ob eine Kombi­nation aus verschiedenen Regelkomponenten zum Tragen kommt, ob Minimalbehandlung oder Mischbezug, ob aktueller oder Worst-Case-Einkaufspreis, ob Ermittlung der Ursprungskriterien für JEFTA etc. – eine gute Software liefert in jedem Fall in kürzester Zeit das richtige Ergebnis.

Fazit

Komplexität, Kosten- und Zeitaufwand für das Ausschöpfen von FHAs sind relativ hoch. Es empfiehlt sich daher – auch für KMUs –, im Rahmen der digitalen Transformation frühzeitig in eine gute Software-/Portallösung zu investieren. Die Präferenzabwicklung kann fast 100%ig automatisiert werden.

Eine Digitalisierung senkt nicht nur Kosten, Personalaufwand und Komplexität, sondern steigert auch die Produktivität. Eine moderne Softwarelösung für die Präferenzabwicklung ermöglicht die Inanspruchnahme von Erleichterungen im internationalen Handel und sorgt für Rechtssicherheit. Allerdings ist trotzdem eine regelmäßige Weiterbildung der mit dem Thema befassten Mitarbeitenden zu empfehlen.

Kasten 1

Neun Fragen zu Präferenzkalkulationen im Tagesbetrieb

  • Welche FHAs (aktuelle und zukünftige) sind für meine Im- und Exporte relevant?
  • Welche Vorgaben dieser FHAs betreffen mein Unternehmen? Wie sehen die Vorschriften konkret aus? Welche Regeln gelten für welches Produkt?
  • Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen (Abklärung der Ursprungseigenschaft von Zulieferteilen und Herstellungserzeugnissen, Abklärung des Bestimmungslandes bei Exporten, Produktklassifizierung aller Vorprodukte und des Exportprodukts, Zuordnung der Zolltarifnummern, korrekte Pflege der Stammdaten, nachvollziehbare Präferenzkalkulationen)?
  • Welche Software kann mich beim Sammeln und Weiterleiten der notwendigen Daten und Dokumente unterstützen (Produktklassifizierung, Zuordnung der Exportkontroll- und Zolltarifnummern, Einholen/Erneuern/Validieren/Archivieren der Lieferantenerklärungen, Kalkulation des Ursprungs, Management der Präferenzursprungszeugnisse)?
  • Wer kontrolliert wann wo wie die korrekte Ausführung der Ursprungskalkulationen im Unternehmen? Und wie wird diese dokumentiert?
  • Wie stimmen sich alle am Prozess beteiligten Unternehmensbereiche von der Beschaffung über die Produktion und den Vertrieb bis hin zu Logistik, Zollabteilung und IT ab?
  • Wer überwacht Veränderungen im Welthandel (Gesetze, Währungskurse usw.) und im eigenen Unternehmen, die Einfluss auf Lieferketten und Präferenzkalkulationen haben könnten (Monitoring)?
  • Wer veranlasst welche Maßnahmen bei Gesetzes-, Zolltarif- (bei stufenweisem Abbau), Produktionsänderungen, Lieferantenwechseln etc.?
  • Wer kontrolliert die Umsetzung der Korrekturen? Welche Softwarelösung kann bei Kontrollen und Korrekturen helfen?

 

Kasten 2

Anforderungen an Software-/Portallösungen für die Präferenzabwicklung

  • Tagesaktuelle Updates der Regularien in Bezug auf die unternehmensrelevanten Präferenzabkommen
  • Skalierbarer Aufbau
  • Integrationsfähige, erprobte Standardlösung (Referenzkunden)
  • Prüfung aller Warendaten von Artikeln gegen die relevanten Präferenzabkommen
  • Zentrale Erfassung/Verwaltung von Artikelstammdaten und Stücklisten
  • Automatische Berechnung von Ursprungseigenschaften auf Basis von Stücklisten und Listenregeln
  • Worst-Case-Berechnungen (z.B. Wert)
  • Kalkulation der Schwellenwerte
  • Gesicherte Nachweisführung
  • Ergebnisnachweis für die Zollverwaltungen
  • LE automatisch anfordern, verwalten, erstellen; automatischer Hinweis vor Ablauf einer LE (Alerts)
  • Nutzung weiterer Ursprungszeugnisse (IHK etc.)
  • Druck von Warenverkehrsbescheinigungen
  • Fachliche und technische Beratung durch Softwareanbieter und Hotline
  • Gibt es schnelle Erfolge („Quick-Wins“)?

arnemielken@e2open.com

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