Am 7. Oktober 2022 haben die USA neue Exportkontrollen für Hochleistungsrechner und Halbleiterproduktion für China erlassen. Diese neuen Regelungen betreffen Ergänzungen der EAR (Export Administration Regulations), inklusive der Ausweitung der Foreign Direct Product (FDP) Rule sowie der Entity-Listungen gegen Produzenten solcher Technologie in China. Wie wirkt sich dies für europäische Exporteure aus? Was ist im China-Handel nun zusätzlich zu beachten?
Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)
Ausgangsfall: Firma D in Deutschland fertigt sehr leistungsfähige integrierte Schaltkreise aus eigener Entwicklung. Die finalen Produkte erfüllen die technischen Spezifikationen der neuen US-Kontrollliste (CCL) des BIS (Bureau of Industry and Security) unter Position 3A090. Alle dafür notwendigen Zulieferungen haben Ursprung im europäischen Wirtschaftsraum. Für die Herstellung der Halbleiter nutzt D die firmeneigene Fertigungsanlage. Die Hauptkomponente dieser Anlage wurde vor drei Jahren aus den USA eingeführt. Unter den internationalen Kunden ist auch Sunway Microelectronics aus China. Was ist nach der neuen Semiconductor Rule zu beachten?
Abwandlung: Die Firma D benutzt eine Fertigungsanlage aus eigener Produktion, in der keinerlei US-Komponenten enthalten sind. Die zugelieferten Güter und verwendeten Technologien sind alle europäische Ursprungswaren. G, der Geschäftsführer von D, ist Inhaber einer US-Greencard.
Bisherige Regelungen
Bereits seit 2019 führte das BIS immer wieder Restriktionen im Bereich der Halbleiterproduktion im Zusammenhang mit China ein. So sorgte bspw. die Listung des Unternehmens Huawei auf der Entity-Liste (vgl. unseren Beitrag in ExportManager 5/2019) für einige Aufmerksamkeit der Medien und Verunsicherung auch aufseiten europäischer Konzerne. Diese bereits bestehenden Verbote und Genehmigungspflichten werden nun faktisch auf die gesamte Halbleitertechnologie Chinas ausgeweitet. Begründet wird dies v.a. damit, dass China davon abgehalten werden soll, im Bereich von militärischen Anwendungen und Künstlicher Intelligenz (ein Bereich, in dem die Volksrepublik bis zum Jahre 2030 eine weltweite Führungsposition einnehmen möchte) ganz vorne mitzuspielen.
Die neue Semiconductor Rule
Mit der neuen Semiconductor Rule (Fed. Reg. Vol. 87 No. 197 vom 13. Oktober 2022) beschränkt die US-Regierung den Handel mit Gütern, die für die Fertigung von integrierten Schaltkreisen (Integrated Circuit, IC) oder für Supercomputer bestimmt sind, sowie mit Gütern im Zusammenhang mit fortgeschrittener Computertechnologie. Die Beschränkungen richten sich dabei vornehmlich, aber nicht ausschließlich, gegen die Volksrepublik China. Erreicht werden die Beschränkungen durch eine Erweiterung der Entity-Liste (31 Unternehmen sind hinzugekommen, 9 wurden gestrichen), die Aufnahme weiterer Positionen in die CCL (Commerce Control List) und im Wesentlichen durch vier neue Regelungskomplexe im Zusammenhang mit Genehmigungserfordernissen (v.a. § 734.9, neue FDP Rules; § 742.6, neue Regelungen zu Regional Stability; § 744.6, spezielle Pflichten für US-Personen; § 744.23, Endverwendung IC-Herstellungsanlagen und Supercomputer).
Die neuen Listungen auf der CCL betreffen v.a. die folgenden Positionen:
• 3A090 für spezifische hochleistungsfähige IC
• 4A090 für spezifizierte Computer, elektronische Baugruppen und Komponenten, die unter 3A090 gelistete IC beinhalten
• 4D090 für Software mit unter ECCN 4A090 erfassten IC
Wenn US-Recht eröffnet ist und es um eine dieser gelisteten Positionen geht, erfordert ihre Ausfuhr nach China eine US-Genehmigung; zusätzlich betrifft es noch weitere Listenpositionen, v.a. 3B090 sowie Positionen wie 3D001, 3E001, 4E001, 5D992; Letztere nur dann, wenn die Anforderungen von 3A090/3B090 bzw. 4A090/4D090 vorliegen. Wenn es um Technologie nach 3E001 geht, erfordert der Export von China ins Ausland eine US-Genehmigung. Das gilt dann, falls die Technologie von einer Firma mit Hauptsitz in China entwickelt wurde, welche ein direktes Produkt einer Software ist, die selbst Gegenstand der EAR ist, und für die Herstellung von Gütern bestimmt ist, die in 3A090 oder 4A090 gelistet sind.
Es gilt eine gesetzliche Vermutung, dass Genehmigungen grundsätzlich nicht erteilt werden; nur für wenige Situationen sollen überhaupt US-Genehmigungen erfolgen, v.a. für Exporte an Unternehmen mit Hauptsitz in den USA, in den A5- oder A6-Ländern. Zur Minimierung der kurzfristigen Auswirkungen auf die Halbleiterlieferkette wird eine befristete allgemeine Lizenz (Temporary General License, TGL) eingeführt, die in der Zeit vom 23. Oktober 2022 bis 7. April 2023 einige wenige Ausnahmen zulässt.
Lösung Ausgangsfall
D in Deutschland erfüllt bei der Herstellung seiner Hochtechnologiechips keine der üblichen Voraussetzungen, die ein Eingreifen der US-Jurisdiktion in der Regel begründen. Diese „US-Türöffner“ sind (vgl. unseren Beitrag in ExportManager 4/2019):
• US-Territorium wird berührt,
• US-Personen sind in die Transaktion eingebunden,
• Güter „made in USA“,
• Güter „made in Europe“ mit gelisteten US-Komponenten mit einem einem US-Wertanteil von mindestens 10% (im Fall von China: 25%) des Gutes,
• direkte Produkte aus US-Technologie oder
• Eintreten von besonderen Umständen wie US-Dollar-Geschäften oder Sekundärsanktionen.
Hiervon erfüllt keiner der von D exportierten Chips die Voraussetzungen. Zwar erfüllen seine Güter die neuen Spezifikationen der CCL, aber D nutzt weder US-Technologie noch US-Rohmaterialien zur Herstellung seiner Waren. Somit wäre prinzipiell ein Eingreifen von US-Recht zu verneinen. Allerdings nutzt D die firmeneigene Fertigungsanlage, deren Hauptkomponente aus den USA stammt.
§ 734 EAR wird ergänzt durch die FDP Rule für Fußnote-4-Gelistete. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Güter-Geltungsbereich von § 734.9 e.2 EAR erfüllt ist, weil die Fertigungsanlage eine Hauptkomponente der Fabrik ist, die ein direktes Produkt von bestimmter gelisteter US-Technologie ist; dann steht das hergestellte Gut unter EAR-Jurisdiktion. Hier ist der Kunde Sunway Microelectronics eine mit der Fußnote 4 in der EntityListe geführte Partei, von dem das Gut verwendet werden soll; daher ist auch der Personen-Anwendungsbereich eröffnet, und es besteht folglich die US-Genehmigungspflicht.
Daneben sind die beiden weiteren FDP Rules (Advanced Computing Rule § 734.9 h und Supercomputer End-Use Rule § 734.9 i EAR) zu berücksichtigen, nach denen unter weitgehend gleichen Voraussetzungen weitere Produkte aus den Bereichen „fortgeschrittene Computertechnologie“ und „Supercomputer“ erfasst sind. Hier ist u.a. die Kenntnis entscheidend, dass das ausländische Gut für China bestimmt ist oder dort inkorporiert werden soll.
Lösung Abwandlung
Hier sind die EAR weder im Bereich der Güter noch im Bereich der Fertigungsanlage anwendbar. Allerdings ist der Geschäftsführer von D als Greencard-Inhaber eine US-Person. Demnach muss G persönlich – und damit mittelbar auch D – alle Anforderungen einhalten, die an eine US-Person gestellt werden.
Demnach müssen G und D die strengen Pflichten nach § 744.6 c (2) EAR beachten. Somit bedürfen sowohl der Export nach China als auch alle Unterstützungsaktivitäten hierfür der US-Genehmigung – u.a. dann, wenn bzgl. des Gutes Kenntnis besteht, dass es für die Entwicklung oder Herstellung von IC in einer chinesischen „fab“ (Halbleiter-Herstellungseinrichtung) gebraucht wird. Dies gilt v.a. dann, wenn dabei bestimmte Schwellenwerte von dem Unternehmen in China (z.B. Logikchips mit nicht planaren Transistorarchitekturen, z.B. FIUFET oder GAAFET von 16 nm oder 14 nm oder darunter) erreicht werden, oder auch schon dann, wenn nur Unsicherheit besteht, ob diese Schwellenwerte erreicht werden.
§ 744.6 c (2) EAR enthält für US-Personen auch eine Genehmigungspflicht für den Transport/Gütertransfer sowie für Erleichterungen dieses Transportes und Dienstleistungen im Zusammenhang mit weiteren dort genannten Gütern. Schließlich ist die generelle Regelung von § 744.23 EAR hinsichtlich der Endverwendung im Zusammenhang mit Supercomputern und Halbleiter-Herstellungseinrichtungen zu berücksichtigen.
Resümee
Diese neue Regelung soll eine technische Vormachtstellung Chinas und eine Nutzung von Hightech-Gütern für Waffen verhindern. Daher sind alle Lieferungen/Reexporte nach China (inkl. Transite in China) und z.T. auch Ausfuhren von China ins Ausland betroffen. Von daher wird die neue Semiconductor Rule zu hohen Kosten für die betroffenen Unternehmen führen. Dennoch erscheint der US-Regierung (trotz dieser negativen Wirkungen auf den Heimatmarkt) die Bedrohung durch ein China in technischer Vormachtstellung so groß, dass man diesen Preis zu zahlen bereit ist. Daher werden die USA daran interessiert sein, dass ihre europäischen Partner diese Regelung ebenfalls einhalten. Eine andere Frage ist, ob das Einhalten dieser US-Regelung zu Gegenmaßnahmen Chinas (nach der Antiboykott-Regelung) führen kann.
Die Semiconductor Rule erweist sich allerdings als überkompliziert, weil alle Verbote/Genehmigungspflichten aus einer Mehrzahl von Regelungen mit zahlreichen Ausnahmen und Rückausnahmen besteht. Dabei werden auch Listungen verunklart (sie bestehen z.T. nur dann, wenn die Technologie oder Software bestimmte Parameter von 3A090/4A090 erfüllt). Es gibt zahlreiche Regelungen, die sämtliche denkbaren Situationen abdecken sollen, wobei auch Endverwendungsregelungen ausgeweitet werden, was zu Due-Diligence-Pflichten bzgl. Endverwender/Endverwendung führen kann.
Damit stellt die Regelung ein erhebliches Risiko für die Wirtschaft dar; selbst die Allgemeingenehmigung TGL gilt nur für kurze Zeit und nur für einzelne Regelungen/bestimmte Situationen. Daher kann sich die Wirtschaft – ohne Prüfungen durch einen Exportanwalt – noch nicht einmal ohne Weiteres auf die TGL verlassen. Deshalb sollte vor jedem Export von Hightech-Gütern (v.a. für IC oder Supercomputer) nach China geprüft werden, ob hier US-Genehmigungspflichten bestehen.
Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER und zum Handel mit China vgl. HIER
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