Die argentinische Wirtschaft spürt den Preisverfall bei wichtigen Exportprodukten wie Soja, kann diesen aber durch höhere Liefermengen ausgleichen. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 25. Oktober gewinnt der Kampf gegen die Wirtschaftsflaute an Bedeutung. Eine stabile Finanzierungsperspektive würde die Wirtschaft des Landes ­wieder in Schwung bringen, die derzeit noch unter einer zähen Stagflation leidet. Die Analysten der Credendo Group sehen derzeit noch hohe Risiken für das Land.

Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Credimundi, Member of the Credendo Group

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Mit Spannung erwartet Argentinien den Ausgang der im Oktober stattfindenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Dass die drei wichtigsten Kandidaten als pragmatischer und wirtschaftsfreundlicher als die amtierende Präsidentin Kirchner gelten, gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Es besteht Hoffnung, dass es der neuen Regierung gelingen wird, das Vertrauen der Investoren zu erneuern und so Argentiniens gewaltiges Potential in den Bereichen Energie, Bergbau und Landwirtschaft freizusetzen. Eine solche positive Entwicklung könnte durch eine niedrige Auslandsverschuldung sowie einen relativ stabilen Bankensektor be-günstigt werden. Gleichzeitig schafft das zuletzt zunehmend wirtschaftsfeindliche Klima aber schwierige Rahmenbedingungen für einen raschen wirtschaftspolitischen Kurswechsel.

Stagflation trübt wirtschaftliche Aussichten

Ungeachtet dieser Faktoren betrachtet die Credendo Group das wirtschaftliche und politische Risiko Argentiniens mit unvermindertem Pessimismus. Ein Grund hierfür ist der desaströse Zustand der argentinischen Wirtschaft. Das BIP fiel 2014 um 2,1% und dürfte im Laufe des Jahres 2015 um einen weiteren Prozentpunkt schrumpfen. Gleichzeitig stieg die Inflation 2014 gemäß Schätzungen des Privatsektors auf über 40%. Eine solche Stagflation erhöht nicht nur das landesweite Geschäftsrisiko, sondern schürt außerdem auch die soziale Unzufriedenheit und möglicherweise sogar Proteste.

Obwohl die niedrigeren Ölpreise die Kosten für Importe senken (und die für 2015 prognostizierte Inflation auf „lediglich“ 30% reduzieren), dürften sich die finanz- und außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte kurzfristig verschlimmern. Zurückzuführen ist dies auf höhere öffentliche Ausgaben im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Oktober 2015 sowie auf die Negativentwicklung des Sojapreises, die verhaltene Auslandsnachfrage aus Brasilien und insbesondere auf die Fälligkeit hoher Schuldendienstverpflichtungen gegenüber dem Ausland.

Schuldenmanagement und Reformen notwendig

Der letzte Zahlungsausfall des Staates hatte zwar nur wenige unmittelbare Konsequenzen, wirkt sich aber sehr wohl auf die langfristigen makroökonomischen Aussichten aus. So hat der Zahlungsausfall jüngste Bemühungen zur Verbesserung des Verhältnisses zu internationalen Investoren untergraben, wie z.B. Vereinbarungen mit den Gläubigern des Pariser Clubs über Zahlungsrückstände, mit Repsol über Ausgleichszahlungen für die Enteignung der Mehrheitsanteile an YPF, mit den Prozessparteien des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten über Forderungen und mit dem IWF über die Verbesserung der Qualität offizieller Statistiken. Ebenso wurde auf diese Weise die dringend notwendige Diversifizierung der Finanzierungsquellen hinausgeschoben. Daher wird die Regierung die Monetarisierung der Haushaltsdefizite einstweilen fortsetzen (was die Inflation weiter antreibt) und auf interventionistische Ad-hoc-Maßnahmen zu-rückgreifen (Erweiterung statt Reduzierung der Preis- und Devisenkontrollen). Die endgültige Einigung mit den Hold-out-Gläubigern, die sich 2005 und 2010 der Umschuldung infolge der Staatspleite von 2002 verweigerten, ist eine Voraussetzung für die Lösung des jüngsten Zahlungsausfalls. Ebenso erfordert die Behebung fundamentaler makroökonomischer Ungleichgewichte die Durchführung tiefgreifender Strukturreformen.

Risikobewertung bleibt konstant

Die Credendo Group sieht in Argentinien nach wie vor hohe Risiken. Das wirtschaftliche Risiko wird auf einer Skala von A bis C in Kategorie C eingestuft, während das kurzfristige politische Risiko auf einer Skala von 1 bis 7 mit Kategorie 5 und das mittel- bis langfristige politische Risiko mit Kategorie 6 bewertet werden. Die kurzfristige Einstufung orientiert sich an der Beurteilung des Liquiditätsrisikos. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Bewertung Argentiniens trotz des erneuten Zahlungsausfalls gegenüber internationalen Gläubigern im Juli 2014 stabil geblieben ist. Dies ist den strengen Kontrollen zu verdanken, die eine massive Kapitalflucht verhindern und so die Liquiditätsposition festigen konnten. Auch die Tatsache, dass Argentinien schon vor dem jüngsten Zahlungsausfall keinen Zugang zu internationalen Finanzmärkten hatte, floss in die Beurteilung mit ein. Des Weiteren haben gestiegene Sojaexporte und eine umfangreiche Währungsswapvereinbarung mit China zu einer Erhöhung der Fremdwährungsbestände geführt.

Kontakt: c.witte@credendogroup.com

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