Vor zehn Jahren wurde der erste „ExportManager“ herausgegeben. Dieses Jubiläum ist ein passender Anlass, um das vergangene Jahrzehnt im Hinblick auf die Entwicklung der Außenhandelsfinanzierung in ausgewählten Ländern Revue passieren zu lassen.
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Das Jahr 2010 stellte viele Mitarbeiter im Bereich Außenhandelsfinanzierung vor eine nicht alltägliche Herausforderung: Am 15. April brach der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island aus und schleuderte gefährliche Aschewolken in die Atmosphäre. Nach und nach wurde der komplette Luftraum in Europa gesperrt, was nicht nur den innereuropäischen Luftverkehr zum Erliegen brachte, sondern auch den weltweiten Flugbetrieb massiv beeinträchtigte. Mehr als 100.000 Flüge fielen aus, mehr als 8 Millionen Reisende saßen rund um den Globus fest, darunter diverse Regional Manager. Nach diesem doch eher schwierigen Start entwickelten sich die Außenhandelsgeschäfte im vergangenen Jahrzehnt jedoch sehr gut. Einzelne Länder, die zu Beginn der Dekade von den Außenhandelsexperten nur beobachtet wurden, haben sich zu neuen interessanten Märkten gewandelt.
So zum Beispiel Ruanda. 25 Jahre nach dem grausamen Völkermord ist Ruanda – aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet – Afrikas größte Erfolgsgeschichte. Es rückte vom Status „zu beobachten“ zum vielversprechenden Außenhandelspartner mit breitem Korrespondenzbankennetzwerk auf. Auch ahnte vor rund zehn Jahren kaum einer, dass Usbekistan im Jahr 2020 großes Geschäftspotential bieten würde. Das einst abgeschottete Land hat sich deutlich geöffnet und ist heute ein interessanter Markt für ausländische Investoren.
Sehr gute Perspektiven im arabischen Raum für mittelständische deutsche Unternehmen
2010 war für Tunesien ein geschichtsträchtiges Jahr – der Arabische Frühling nahm seine Anfänge. Von hier breitete sich die Bewegung über viele Länder des Mittleren Ostens aus. Dass im vergangenen Jahr zum dritten Mal seit dem friedlichen Umsturz 2011 freie Wahlen stattfanden, unterstreicht das Gelingen des demokratischen Aufbruchs. Vor allem im Hinblick auf das Geschäftspotential tunesischer Banken hat sich seit 2010 viel getan. Neben den traditionellen Geschäften innerhalb des Landes wickeln die tunesischen Banken regelmäßig Exportgeschäfte mit Libyen ab und werden aller Voraussicht nach auch bei einem zukünftigen Wiederaufbau Libyens eine aktive Rolle übernehmen. Die Eröffnung einer Repräsentanz in Tunesien bietet europäischen Banken die Möglichkeit, die Geschäfte mit Banken vor Ort noch aktiver betreiben zu können.
Eine gute Wachstumsentwicklung ist für Ägypten zu verzeichnen. Nach fast 30 Jahren Herrschaft wurde Staatspräsident Hosni Mubarak 2011 abgesetzt. Heute ist Ägypten einer der Wachstumsmärkte in der MENA-Region. Die Abkürzung MENA steht für Middle East & North Africa, eine Region, die, im Westen mit Marokko beginnend, alle arabischen Staaten umfasst und zudem auch Israel und im Osten den Iran einschließt. Sowohl Ägypten als auch Tunesien profitieren von gesunkenen Energiepreisen, leiden jedoch auf der anderen Seite unter Terroranschlägen, die dem Tourismus erheblichen Schaden zufügen. Beide Länder sind zudem durch den politischen Zerfall ihres Nachbarn Libyen bedroht. Trotz der Bürgerkriege in Syrien und Libyen sowie der Spannungen zwischen dem Iran und den USA und seinen golfarabischen Nachbarstaaten sehen wir großes Potential für das Außenhandelsfinanzierungsgeschäft in den Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC). Die sechs GCC-Länder Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Qatar, Bahrain und Vereinigte Arabische Emirate zählen zu den wichtigsten Exportmärkten der deutschen Wirtschaft.
Dabei galt 2010 und gilt auch 2020: Deutschen Unternehmen und insbesondere auch mittelständischen Familienunternehmen wird in den arabischen Ländern mit viel Sympathie begegnet. Entscheidend für den geschäftlichen Erfolg sind der Zugang zu Beziehungsnetzwerken und der Aufbau von persönlichen Beziehungen und von Vertrauen. Ist dies gelungen, bieten sich für deutsche Unternehmen Perspektiven für lukrative Geschäftsabschlüsse.
Erweiterte Marktchancen in Vietnam
Ein seit vielen Jahren verlässlicher Außenhandelspartner ist Vietnam. Die bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Vietnam und der EU haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich verbessert. Die EU stellt für Vietnam den zweitgrößten Absatzmarkt und den viertgrößten Import-/Exportpartner in Übersee dar. Damit zählt Vietnam zu den wichtigsten Handelspartnern und ist ein sehr attraktives Ziel für Exporteure und Investoren aus Deutschland.
Mit einem Partner, der im Markt verwurzelt ist, bieten sich viele Chancen: ODDO BHF ist seit 1987 in Vietnam tätig und seit 1993 als eine der ersten deutschen Banken überhaupt mit einer Repräsentanz vor Ort vertreten. Diese jahrzehntelange Präsenz ermöglicht es der Bank, Geschäfte bestmöglich abzuwickeln und Unternehmen die großen Marktchancen zu erschließen, die Vietnam bietet. Zudem steht ODDO BHF auch den in Vietnam bereits ansässigen Firmen bei ihren Verhandlungen, etwa zu Akkreditiv- und Zahlungsbedingungen, gerne zur Seite.
Bangladesch ist auf Wachstumskurs
Neben Vietnam gilt Bangladesch als eines der Länder, die weltweit ein sehr starkes Wachstum aufweisen. Das Wirtschaftswachstum lag in den vergangenen Jahren konstant bei rund 6%, zuletzt sogar bei über 8%. Noch vor zehn Jahren bot das Land im Südosten Asiens wenig Potential, heute eröffnen sich für deutsche Unternehmer auch außerhalb der dominierenden Textilindustrie lohnende Geschäftsmöglichkeiten. Die Regierung Bangladeschs setzt vermehrt auf eine Diversifikation der heimischen Industrie und der Exporte. Umfangreiche Investitionen in neue Produktionsstätten und moderne Maschinen sind notwendig.
Auch Finanzierungen aus dem Ausland in Bangladesch sind deutlich attraktiver und einfacher geworden. Die Bankenstruktur hat sich grundlegend verändert, und der Spielraum für Investitionen ist gewachsen. Bangladesch hat einen erfolgreichen Weg eingeschlagen, und die bereits begonnene Diversifikation der Wirtschaft hilft dabei, das Land weiter auf Wachstumskurs zu halten.
Großes Potential in Nigeria
Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, weist nach der letzten Ölpreiskrise in den Jahren 2015/16 nun wieder ein stabiles Wirtschaftswachstum auf. Das Land birgt großes Potential für Investoren. Grund dafür ist nicht nur der Reichtum an natürlichen Ressourcen wie Öl und Erdgas, sondern auch der hohe Bedarf am Ausbau der Infrastruktur. Ausländische Investoren können in die Bauwirtschaft investieren oder Projekte vor Ort anstoßen. Nigeria weist als Emerging- und Frontier-Markt ähnlich signifikante Wachstumspotentiale auf wie die BRIC-Länder. Unter den aktuellen Gegebenheiten kann sich das Land voraussichtlich zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt im 21. Jahrhundert entwickeln. Diese Entwicklung profitiert von einer stabilen politischen Lage. Nigeria ist als Land anzusehen, das in der Afrika-Strategie von Unternehmen nicht fehlen sollte.
Sanktionen belasten das Geschäft mit Russland
Doch nicht nur positive Entwicklungen sind zu verzeichnen. Es gibt durchaus auch Länder, die für den Bereich Außenhandelsfinanzierung im Verlauf der zurückliegenden zehn Jahre weniger attraktiv geworden sind.
Zum Beispiel Russland: 2010 war das größte Land der Erde einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands mit viel Exportfinanzierungsgeschäft. 2013 stand Russland in der Rangfolge der deutschen Exportmärkte auf dem elften Platz. Der deutsch-russische Handel erreichte 2013 mit einem Gesamtvolumen von über 80 Mrd EUR einen historischen Rekord. Dann jedoch kamen die Ukraine-Krise und die damit einhergehenden umfassenden Sanktionen, die in Russland engagierte deutsche Unternehmen sehr verunsicherten. Viele Investitionsprojekte wurden wegen der unsicheren politischen Lage und des Ölpreisverfalls gestoppt. Infolgedessen reduzierte sich das Handelsvolumen in den darauffolgenden Jahren sowohl auf russischer als auch auf deutscher Seite deutlich, und das Interesse an Investitionen deutscher Unternehmer ging merklich zurück.
Die wirtschaftliche Situation in Russland hat sich in den vergangenen Jahren wieder stabilisiert. Die Handels- und die Leistungsbilanz zeigen Überschüsse, die Währungsreserven sind die drittgrößten der Welt, und das Vertrauen der ausländischen Investoren kehrt langsam zurück. Leider wird diese positive wirtschaftliche Entwicklung weiterhin von politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen überschattet, deren Ende nicht absehbar ist.
2010, 2020, 2030
Im Bereich Außenhandelsfinanzierung war von 2010 bis 2020 vieles in Bewegung. Neue Länder rückten in den Fokus, bereits etablierte Märkte verloren an Wichtigkeit. Wie sieht die Außenhandelsfinanzierung im Jahr 2030 aus? Es ist davon auszugehen, dass Afrika in den nächsten zehn Jahren für die deutsche Wirtschaft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Deutschland hat den sogenannten „Compact for Africa“ initiiert, der zum Ziel hat, private Investitionen in Afrika zu fördern und die Entwicklung der dortigen Infrastruktur zu verbessern. Das deutsche Finanzministerium wird 15 Mio EUR zur Unterstützung der Aktivitäten des IWF im Rahmen des G20-Pakts mit Afrika bereitstellen.
Neben Afrika bietet auch die MENA-Region weiterhin sehr gute Chancen in puncto Außenhandel. Das gilt sowohl für die öl- und gasreichen GCC-Länder als auch für den zukünftigen Wiederaufbau in Ländern wie dem Jemen, Libyen und Syrien. „Made in Germany“ genießt hier wie dort einen exzellenten Ruf, und deutsche Unternehmen werden aller Voraussicht nach vom Wachstum der dortigen Märkte weiter profitieren.
Jedes Jahrzehnt bringt Veränderungen mit sich. Sei es 2010, 2020 oder 2030 – die Außenhandelsfinanzierung ist und bleibt ein spannendes Feld, in dem flexibles Handeln gefordert ist. Dabei gilt für ODDO BHF: Die Bank begegnet anderen Kulturen stets mit Offenheit und möchte sie verstehen. Dies ist ihrer Überzeugung nach Voraussetzung dafür, den Erwartungen ihrer internationalen Kunden optimal gerecht zu werden – unabhängig davon, in welchem Jahrzehnt wir uns gerade befinden.
yasser-adel.ibrahim@oddo-bhf.com