Der Demokratisierungs- und der wirtschaftliche Liberalisierungsprozess in Burma eröffnen deutschen Unternehmen umfassende Geschäftsmöglichkeiten. Dem zweitgrößten Flächenstaat Südostasiens stehen gigantische wirtschaftliche Aufbauarbeiten bevor. Jedoch haben jahrzehntelange Misswirtschaft und politische Unterdrückung tiefe Spuren hinterlassen, so dass der Markteintritt viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellt, einschließlich einer Auseinandersetzung mit der Sanktionsproblematik.

Von Dr. Manuel Probst, Relationship Manager Strukturierte Außenhandels­finanzierung, BHF-BANK

Ob von Burma, Birma oder Myanmar gesprochen wird, ist ein Politikum. Als am 18. Juni 1989 die bereits seit 1962 regierende Militärdiktatur den Namen der ehemals englischen Kolonie Burma (deutsch oft auch Birma) in „Myanmar“ änderte, folgten dieser Namensänderung zwar die Vereinten Nationen, viele westliche Länder blieben jedoch aus Protest gegen die von der Junta vorangetriebene totalitäre Machtausübung und Isolationspolitik bei Burma. Viele NGOs sowie die politische Opposition im Land − unter anderem unter der Führung der National League for Democracy (NDL) − nutzen ebenfalls bis heute Burma als Landesnamen. Für das von der Außenwelt fast vollkommen abgeschottete Land entwickelten sich so unterschiedliche Gebräuche des Namens. Während weite Teile der Bevölkerung im In- und Ausland sowie einige westliche Regierungen „Burma“ als Bezeichnung nutzten, setzten die Militärdiktatur, die südostasiatischen Staaten sowie weite Teile der wirtschaftlichen Elite des Landes auf „Myanmar“ als Landesnamen. Auf politischer Ebene sprechen vor allem die Staaten von Burma, die vor ca. 20 Jahren Sanktionen einführten und die am längsten an diesen Sanktionen festhielten bzw. bis heute festhalten.

In der deutschen Bevölkerung ist von dieser politischen Dimension der Namensgebung kaum etwas bekannt, und so hört man inzwischen sowohl „Burma“ als auch die in Deutschland übliche Variante „Birma“ neben „Myanmar“. An welcher Stelle bei einem Besuch des Landes „Burma“ oder „Myanmar“ verwendet wird, kann bei der Anbahnung von Geschäften von entscheidender Bedeutung sein. Jedes Unternehmen sollte sich im Klaren darüber sein, dass bei Geschäften im Staatssektor oder mit Vertretern größerer Unternehmen die Nutzung der Bezeichnung Burma zu erheblichen Verstimmungen führen kann. Während einer vom Ostasiatischen Verein (OAV) im Juni durchgeführten Reise, an der auch ein Vertreter der BHF-BANK teilnahm, erlebten wir dies. Als die burmesische Repräsentantin eines deutschen Unternehmens wiederholt bei einem Vortrag „Burma“ sagte, reagierten Vertreter von staatlichen wie privaten Banken extrem erbost, und die Dame verließ nach einer kurzen und heftigen Diskussion den Raum.

Wer in Burma Geschäfte machen möchte, sollte also die Machtverteilung und ihre historische Entwicklung gut kennen. Noch bis in die 60er Jahre war Burma die stärkste Volkswirtschaft Südostasiens. Getragen von umfangreichen Reisexporten, hatte sich in einem wirtschaftlich liberalen und politisch relativ freien Umfeld auch nach der englischen Kolonialzeit eine blühende Wirtschaft entwickelt. Erst der politische Wandel hin zu einer Militärdiktatur ab 1962 ließ das Land immer stärker ins Hintertreffen geraten. Zunächst versuchte die Militärführung durch eine Art Sozialismus burmesischer Prägung, die eigene Vormachtstellung zu festigen. Die gesamte Wirtschaft wurde verstaatlicht und die Militärjunta als oberste Revolutionsführung eingesetzt – mit negativen Auswirkungen auf die Entwicklung des Landes.

Nach den schweren Unruhen Ende der 80er Jahre, ausgelöst durch die katastrophale Wirtschaftslage, änderte die Militärregierung den Kurs: Das Land wurde in Myanmar umbenannt, freie Wahlen sollten abgehalten und eine wirtschaftliche Öffnung vollzogen werden. Als 1990 bei demokratischen Wahlen die oppositionelle NDL klar siegte, wurden die Wahlen vom Militärregime jedoch kurzerhand für ungültig erklärt und die darauffolgenden Proteste blutig niedergeschlagen. Rund 400 km nördlich von Rangoon wurde eine neue Hauptstadt (Naypyidaw) in den Dschungel gebaut. Das Regime blieb an der Macht und isolierte sich international.

Viele Länder verhängten Sanktionen gegen das Regime und verschärften diese nach der blutigen Niederschlagung von Massenprotesten buddhistischer Mönche im Jahr 2007. Bis 2010 war das Land fast komplett isoliert, hing von Hilfslieferungen aus China ab und war wirtschaftlich am Ende. Die Junta schaffte es über einen Zeitraum von 50 Jahren, den ehemaligen Spitzenreiter in Südostasien auf niedrigstes Niveau herunterzuwirtschaften. Dabei entwickelte sich eine florierende Schattenwirtschaft.

Dank der Milliardeneinnahmen aus den Öl- und Gasvorkommen vor der Küste lebten die Generäle in der neuen Hauptstadt im Luxus. Die Stadt mit ihren ca. 100.000 Einwohnern wurde auf einer Fläche dreimal so groß wie Berlin ausgebaut. Bis zu 16-spurige Straßen, umsäumt von prächtigen Ministerien und einem gigantischen Parlament, durchziehen die Stadt im Dschungel.

Einigen wenigen Industriellen gelang es, fast die gesamte lokale Wirtschaft mit Hilfe der Generäle unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese Tycoons (lokal „Cronies“ genannt) kontrollieren den Einzel- und Großhandel, die Häfen, verschiedene Jademinen, einen Großteil der produzierenden Unternehmen, die großen Hotels, private Banken und die privaten Fluglinien. Neben den Generälen und vielen Staatsvertretern wurden auch die Cronies und ihre Unternehmen in eine umfassende internationale Sanktionsliste aufgenommen.

Dann geschah etwas für nahezu alle Beobachter des Landes Unvorhergesehenes: Die Junta änderte den bisher eingeschlagenen Kurs. Was zunächst als rein taktisches Manövrieren des Militärs abgetan wurde, entpuppte sich als umfassende Strategie zum Wandel des Landes. Die Militärdiktatur wandelte sich in eine Zivilregierung. Freie Wahlen (wenn auch nur für einen Teil des Parlaments), an denen sich auch die NDL beteiligte, wurden zugelassen. Die Wirtschaft wurde geöffnet, die Zensur abgeschafft, unabhängige Medien zugelassen und es wurde aktiv auf west­liche Nationen zugegangen. Die Friedensnobelpreisträgerin und Ikone der NDL, Aung San Suu Kyi, wurde aus dem Haus­arrest entlassen und konnte bei den ­Wahlen einen Parlamentssitz erringen. Als Reaktion auf diesen Wandel setzte die EU 2012 ihre Sanktionen für ein Jahr aus, und auch die USA lockerten die bestehenden Sanktionen.

Die Gründe für diesen Wandel wurden lange kontrovers diskutiert; vielleicht war es die andauernde Isolation, vielleicht die unangenehme Abhängigkeit von China, vielleicht aber auch der Wunsch, endlich den Vorsitz der ASEAN-Staaten einnehmen zu können, oder einfach die schlichte Einsicht in die Notwendigkeit der Ver­änderung. Egal welcher Grund ausschlaggebend war, festhalten kann man bisher auf jeden Fall, dass es der Regierung mit dem jetzt eingeschlagenen Weg ernst zu sein scheint. Sie hat damit zumindest bisher für das Land die Weichen zu einem dringend nötigen wirtschaftlichen Aufschwung gestellt.

Das Land steht heute mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern vor gigantischen Herausforderungen: Das Energienetz muss wegen anhaltender Stromausfälle dringend modernisiert werden, das ge-samte Transportnetz ist in einem erbärmlichen Zustand, das Kommunikationsnetz ist auf dem Stand der 90er Jahre, es gibt viel zu wenig Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, und das Finanzsystem ist größtenteils noch nicht einmal an internationale Zahlungssysteme angeschlossen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die ­Rahmenbedingungen innerhalb des Landes haben sich bisher kaum geändert. Das Militär gibt weiterhin die Richtung an – wenn es auch momentan das klare Ziel verfolgt, eine liberale Demokratie aufzubauen. Und die Cronies bestimmen die wirtschaftlichen Geschicke des Landes. Doch scheint ein Umdenken innerhalb der wirtschaftlichen sowie der politischen Elite des Landes stattzufinden und der genuine Wille vorhanden zu sein, Burma zum Positiven zu verändern.

An dem nun beginnenden Entwicklungsprozess können und sollten sich deutsche Unternehmen aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Medizintechnik, Handel, Ingenieurwesen, Dienstleistungen und Beratung beteiligen (um nur einige Branchen zu nennen). Sie werden in den meisten Fällen staatliche und private Unternehmen vorfinden, die dem alten Regime sehr nahestanden bzw. ­-stehen. Eine Auseinandersetzung mit der immer noch vorhandenen Sanktionsproblematik und eine Bezeichnung des Landes als „Myanmar“ werden damit für das Geschäft zunächst unausweichlich sein.

Kontakt: manuel.probst[at]bhf-bank.com

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