Die internationalen Volkswirte von Atradius haben seit Jahresbeginn intensiv die wirtschaftliche und politische Entwicklung in China untersucht. Die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft ist offensichtlich. Insbesondere zyklische Branchen (Stahl, Metall, Bau und Baumaterial sowie Papier) könnten scharfe Korrekturen erfahren. Angesichts der hohen Fremdfinanzierung der Unternehmen sowie der Intransparenz bezüglich der lokalen Bonität ist mit Ausfallrisiken zu rechnen, die einer guten Absicherung bedürfen.
Von Dr. Thomas Langen,Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius Kreditversicherung
Die Volksrepublik schaltet einen Gang zurück
Nach Jahren mit immensen Wachstumsraten konsolidiert die Wirtschaft im Reich der Mitte. Für 2015 erwarten unsere Experten nur noch ein Wirtschaftswachstum von ca. 7% bei fortgesetztem Exportwachstum. Zum Vergleich: 2007 war die Wachstumsrate noch doppelt so hoch.
Konflikt mit den Tigerstaaten
Neben der wirtschaftlichen Konsolidierung beeinflusst auch die außenpolitische Entwicklung die Lage im Land. Die wachsende maritime Präsenz der Volksrepublik China im Südchinesischen Meer, wo Peking Anspruch auf ein großes Gebiet erhebt, erhöht das Konfliktpotential mit den Mitgliedern der Association of Southeast Asian Nations (kurz ASEAN oder Tigerstaaten genannt). Durch die zunehmende Militärpräsenz steigen die wirtschaftlichen Risiken in der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. Zu den ASEAN-Staaten gehören Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam.
Branchencheck
Wie sich die Abkühlung der Wirtschaft auf die Branchen auswirkt
Die Volkswirte von Atradius beurteilen die Lage in der Elektronik-, Informations- und Kommunikationstechnikbranche noch positiv: Die chinesischen Anbieter verzeichnen nach wie vor stabile Umsatzzuwächse, die aus dem guten Exportgeschäft und aus der günstigen Nachfragesituation im Binnenmarkt resultieren. Es wird erwartet, dass die Branche leistungsfähiger als ihre regionalen und globalen Wettbewerber bleiben wird. Allerdings könnte die Verlangsamung der Wirtschaft diesen Trend schnell wieder stoppen. Daher ist der Ausblick durchschnittlich.
Die chinesische Textilindustrie profitiert von der wachsenden Binnen- und Auslandsnachfrage. Sie ist allerdings einem steigenden Konkurrenzdruck aus dem Ausland ausgesetzt.
Von der Abkühlung der Wirtschaft besonders betroffen sind zyklische Branchen wie die Stahl- und Metallindustrie, Bau und Baumaterial sowie der Papiersektor. Die lockere Kreditvergabe Ende 2008/09 hatte einen Investitionsboom im Infrastruktur- und Immobilienbereich ausgelöst. Hier zeichnet sich nun eine Trendwende ab. Diese könnte durchaus auch zu schärferen Korrekturen in den Branchen führen, die in diesem Umfeld tätig sind.
Stürmische Zeiten in der Stahlbranche
China ist unangefochten der weltweit größte Stahlproduzent. Umso härter treffen das Reich der Mitte die seit geraumer Zeit bestehenden massiven Überkapazitäten auf dem Weltmarkt. Das Land kämpft mit einer sich drastisch abkühlenden Baukonjunktur. Zudem drücken hohe Lagerbestände die Preise und damit auch die Gewinnmargen.
Zahlungsrisiken evident
Als reichste Volkswirtschaft der Erde bietet China weiterhin ein attraktives Wachstumspotential für Exporteure. Allerdings sollten auch die Ausfallrisiken einkalkuliert werden, da die lokalen Strukturen in einigen Regionen eher an ein Entwicklungsland erinnern, wenn man sie mit westlichen Standards vergleicht. Die Konsequenz ist mangelnde Transparenz, die das Ausfallrisiko erhöht.
Unsere lokalen Experten melden, dass es durch die anhaltende Wachstumsschwäche und die hohe Fremdfinanzierung der Unternehmen – verbunden mit der Intransparenz hinsichtlich der lokal verfügbaren Bonitätsinformationen – zu erheblichen Zahlungsrisiken kommt. Dieser Trend zeigt sich ebenfalls in der Insolvenzentwicklung. Auch Betrugsfälle sind weiterhin ein Thema. Atradius hat daher die Expertise im Forderungsmanagement an den Atradius-Drehscheiben für Asien – Hongkong und Singapur – in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut.
Expertenhilfe gefragt
Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollten sich Exporteure vor dem Geschäftsabschluss auf das „etwas andere“ Forderungsmanagement im Reich der Mitte einstellen. Aufgrund der Undurchsichtigkeit der verfügbaren Bonitätsinformationen über die lokal ansässigen Firmen ist es ratsam, einen Partner vor Ort einzuschalten. Es ist nahezu unmöglich, sich von außerhalb ein exaktes Bild von den Verflechtungen im Land zu machen, was nicht zuletzt an den kulturellen und infrastrukturellen Gegebenheiten liegt. Die Kreditversicherung ist ein effektives Instrument für Exporteure, um sich gesichert profitablen Geschäften widmen zu können.
Auf www.atradius.de finden Sie unter der Rubrik „Publikationen“ alle aktuellen Informationen zu China sowie weiteren Ländern zum Download.
Kontakt: thomas.langen[at]atradius.com