Trotz eines Aufwärtstrends: Die Aussichten auf eine bessere Zahlungsmoral chinesischer Unternehmen werden selbst von ­einheimischen Marktteilnehmern weiterhin skeptisch betrachtet. Dies geht aus der China-Studie von Coface hervor, die der inter­nationale Kreditversicherer jetzt zum achten Mal vorlegte. Über 1.000 Unternehmen im Reich der Mitte wurden dazu befragt, wie es um die Zahlungsmoral ihrer Kunden bestellt ist.

Von Dr. Dirk Bröckelmann, Referent Unternehmenskommunikation, Coface Deutschland AG

Nahezu 75% der Unternehmen gehen davon aus, dass kurzfristig nicht mit einer signifikanten Verbesserung des Zahlungsverhaltens ihrer Geschäftspartner vor Ort zu rechnen ist. Betroffen davon sind letztendlich auch die Exporteure aus Westeuropa. 41,4% der befragten chinesischen Unternehmen erwarten, dass durchschlagende Verbesserungen noch mehr als drei Jahre auf sich warten lassen. 33,3% von ihnen stellen sie sogar gänzlich in Frage.

Dabei hat sich das Zahlungsverhalten der inländischen Kunden chinesischer Unternehmen in den letzten Jahren erheblich gebessert. Noch 2008 verzeichneten beinahe alle befragten Unternehmen Zahlungsrückstände. Nach den Ergebnissen der Coface-Studie ist deren Anteil seither um 26% gesunken – und dies bei gleichzeitigem Anstieg der Lieferungen auf Zahlungsziel. Waren es 2008 noch um die 65%, die ihre Waren auf Rechnung auslieferten, stieg dieser Anteil 2010 auf fast 88%. Der Lieferantenkredit ist demzufolge gängige Praxis in China. In fast 30% der Fälle wurden 2010 längere Zahlungsziele von über 60 Tagen eingeräumt.

Die Unternehmen berichten nicht nur über weniger Zahlungsrückstände, auch die Anzahl der Außenstandstage ist zurückgegangen: Nur noch 6,2% der ausstehenden Zahlungen waren mehr als 120 Tage überfällig. 2009 war der Anteil mit 13,2% noch mehr als doppelt so hoch. Und zwei Drittel der fälligen Forderungen werden innerhalb einer Frist von höchstens 60 Tagen bezahlt. „China hat bei den Lieferantenkrediten und den Zahlungszielen inzwischen internationale Standards erreicht“, sagt Thierry Graffin, stellvertretender Direktor des Risk Underwriting von Coface in Paris. „Das Zahlungs­verhalten chinesischer Unternehmen, obgleich besser geworden, ist indessen noch lange nicht vorbildlich“, erklärt der Experte von Coface. „Und dies, obschon ihre Gläubiger mittlerweile vielfach über dieselben Tools verfügen wie in anderen Ländern, zum Beispiel über ein professionelles Forderungsmanagement und Zugang zu Kreditversicherungen.“ Gerade Letztere verzeichneten starke Zuwächse in China angesichts des mangelnden Vertrauens in die Zahlungsfähigkeit der Geschäftspartner.

Worauf führen es chinesische Unternehmen zurück, dass Lieferanten weiterhin häufig Verzögerungen von bis zu 60 Tagen in Kauf nehmen müssen? Warum macht sich trotz des eigentlich ermutigenden Trends Ernüchterung breit? 37% der befragten Unternehmen erklären ihre Befürchtungen mit der Rücknahme der umfangreichen staatlichen Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur, von denen 2010 an die 60% der Unternehmen profitierten. Weitere 31% der Unternehmen geben an, dass ihnen die schärferen Bedingungen bei der Kreditvergabe Sorge machten, während 23% der Unternehmen die größte Gefahr in der schnellen Aufwertung des Renminbi sehen.

Diese Erwartungen seien nicht unbegründet, erläutert Constance Boublil, Volkswirtin und Asien-Spezialistin bei Coface: „2010 war aufgrund des Wachstums und des staatlichen Konjunkturprogramms ein sehr vorteilhaftes Jahr für chinesische Unternehmen. Nicht zuletzt deshalb haben sie die weltweite Krise erfolgreich bewältigt. Neben dem Auslaufen der Programme, knapperen und teureren Krediten, der beschleunigten Aufwertung des Renminbi und der hohen Inflation sind es 2011 die steigenden Beschaffungskosten, die den Unternehmen zu schaffen machen, vor allem aber der hohe Druck, die Löhne zu erhöhen.“

Mittelfristig sei eine kaufkräftige Kundschaft im eigenen Land zwar erwünscht, um den Konsum und das Binnenwachstum anzukurbeln. Kurzfristig könnten dadurch jedoch die schwächsten Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. Ihre finanzielle Situation sei es dann, die schnell zu Zahlungsrückständen führe, stellt Constance Boublil fest. Als wichtigster Grund für die finanziellen Schwierigkeiten, die zum Zahlungsverzug führten, werde der starke Wettbewerb angegeben.

Aufgrund der hohen Inflation und der Straffung der Wirtschaftspolitik dürfte das Wachstum 2011 leicht zurückgehen. Co-face prognostiziert für China ein Wachstum von 8,8% gegenüber 10,3% im Vorjahr. Im Vergleich zu anderen Schwellenländern bleibt es damit zwar auf hohem Niveau. Insbesondere in Sektoren mit geringer Wertschöpfung wie beispielsweise Textilien, Schuhe und Spielsachen muss jedoch mit einem Anstieg der Insolvenzen gerechnet werden. Sie sind es, die als Erste von den Änderungen des wirtschaftspolitischen Kurses betroffen sein werden. Nicht zuletzt die Strategie der Behörden, die darauf ausgerichtet ist, das Gefüge in der Industrie zu bereinigen und höherwertige Erzeugnisse zu produzieren, stellt für sie eine Herausforderung dar.

Kontakt: dirk.broeckelmann[at]coface.de

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