Rund um das Ostchinesische Meer bauen sich nicht nur politische Spannungen auf, auch wirtschaftlich läuft die Zusammenarbeit zwischen China und seinen Nachbarn nicht mehr rund. Betroffen vom Rückgang der chinesischen Nachfrage seit 2015, versuchen Japan, Südkorea und Taiwan die Binnennachfrage anzukurbeln. Eine aktuelle Analyse von Atradius sieht immerhin gewisse Erholungstendenzen und relative Stabilität.
Von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA
Chinas Wirtschaft hat auf die Bremse getreten. Überkapazitäten, hohe Verschuldung und zunehmende Zahlungsverzögerungen haben die wirtschaftlichen Risiken im Reich der Mitte erhöht. Gleichzeitig greift der Strategiewechsel der Regierung, der eine Stärkung des Konsums auf Kosten des Exports und der Investitionen vorsieht. In ihrem aktuellen Wirtschaftsausblick Asien-Pazifik rechnen die Analysten von Atradius nur noch mit einer Wachstumsrate von 6,3% für die chinesische Wirtschaft im laufenden Jahr.
Im jüngsten Zahlungsmoralbarometer für die Region registrierte Atradius eine Zunahme von Liquiditätsschwierigkeiten, die 62% der in China befragten Unternehmen als Grund für längere Zahlungszeiträume ihrer Kunden nannten. Im regionalen Durchschnitt führten 46,3% der Unternehmen diese Ursache an. „Die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft hat signifikante Auswirkungen auf die Asien-Pazifik-Region sowie die Weltwirtschaft insgesamt“, sagt Andreas Tesch, Chief Market Officer bei Atradius. „Dies spiegelt sich in sinkenden Handelsvolumina wider, vor allem in den aufstrebenden Volkswirtschaften.“
Taiwan senkt die Zinsen
Taiwan wird den bisherigen Annäherungskurs an das Festland wohl nicht mehr fortsetzen. Die Wahl der DPP-Kandidatin Tsai Ing-wen zur neuen Präsidentin dürfte das Verhältnis zur Volksrepublik China schwieriger gestalten. Die Lieferungen auf das Festland hatten bereits 2015 unter dem dortigen Importrückgang gelitten. Insgesamt sanken die Exporte Taiwans um 0,1%.
Für 2016 erwarten die Analysten von Atradius eine Belebung der Nachfrage und einen Anstieg der Exporte um 1,7%. Die Wachstumsrate des realen BIP soll von 1,0% im Vorjahr auf 2,0% zulegen. Ausschlaggebend für die konjunkturelle Belebung dürften jedoch die Zinssenkungen der Zentralbank zum Jahresende 2015 sein, die die Finanzierung zusätzlicher Investitionen erleichtern. Die Unternehmen der Insel leiden jedoch nicht nur unter der geringeren Nachfrage Chinas. Auch die wachsende Konkurrenz der technologisch aufholenden Produzenten auf dem Festland sowie die handelspolitische Isolation der international kaum anerkannten Inselrepublik erschweren den Auslandsabsatz. Japan, Südkorea und China haben mittlerweile zahlreiche bi- und multilaterale Freihandelsabkommen, die ihnen einen leichteren Marktzugang verschaffen.
Südkorea erhöht die Staatsausgaben
Südkorea machte im vergangenen Jahr die geringere Nachfrage nach Kraftfahrzeugen und Halbleitern in China zu schaffen. Zudem fiel das Land in der preislichen Konkurrenz gegen Japan zurück, da der japanische Yen gegenüber dem koreanischen Won abwertete. Dies ließ 2015 Exporte und Industrieproduktion sinken.
Für 2016 rechnen die Analysten von Atradius mit einer BIP-Wachstumsrate von 2,5%. Dabei ersetzt die höhere Staatsnachfrage die geringeren Exportzuwächse. Die aktive Rolle des Staates hat einen handfesten finanziellen Hintergrund: Während die privaten Haushalte hochverschuldet sind (160% des verfügbaren Einkommens), beträgt die Staatsschuld nur 36% des BIP. Weitere wirtschaftspolitische Maßnahmen sind die Reform der Firmenkonglomerate (Chaebol), die Deregulierung des Arbeitsmarktes und des Dienstleistungssektors sowie die Unterstützung kleinerer und mittelständischer Unternehmen.
Japan setzt auf Abwertungseffekte
Japan konnte die Nachfrageschwäche der Binnenwirtschaft 2015 durch Exportzuwächse teilweise ausgleichen, da der japanische Yen gegenüber den Währungen wichtiger Konkurrenten wie Südkorea abwertete. Dieser Effekt läuft 2016 aus, wird aber wohl durch eine Erholung des privaten Konsums kompensiert. Die Analysten von Atradius erwarten eine leichte Konjunkturbelebung mit einem Plus von 1%.
Japan hat in den vergangenen Jahren alle wirtschaftspolitischen Stimulierungsinstrumente genutzt, um die Konjunktur anzukurbeln. Die Staatsverschuldung liegt inzwischen bei 225% des BIP, die Geldpolitik überschwemmt das Finanzsystem mit billigem Geld. Dadurch entstehen kurzfristige Wachstumsimpulse, auf lange Sicht empfehlen die Analysten von Atradius jedoch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und einen Abbau der Schutzwälle für die einheimische Landwirtschaft und das Gesundheitswesen.
Ausführliche Länderberichte stehen unter Publikationen auf www.atradius.de zum Download bereit.
Kontakt: gunther.schilling@frankfurt-bm.com