Die deutschen Exporteure reagieren auf die Coronakrise bereits mit den gebotenen internen Maßnahmen zum Schutz der Belegschaft und passen ihre Produktion an. Doch auch die Wahl der Produktionsstandorte und der Produktpalette wird vor allem bei größeren Unternehmen laufend überprüft. Der neue Megatrend heißt: Medizin und Ver­sorgung.

Die deutschen Exporte sind schwach in das Jahr 2020 gestartet. Und jetzt droht der Corona-crash: Das Coronavirus lässt das Auslandsgeschäft im ersten Halbjahr massiv einbrechen. Seit Februar in China, im März in der EU und schließlich in den USA. Wir haben einen möglichen Verlauf vorgezeichnet.

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Die aktuellen Prognosen des ifo Instituts veranschlagen den Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland auf 4,3% bis 20%. Im günstigsten Fall wird angenommen, dass das Wirtschaftsleben einen Monat ruht, im ungünstigsten Fall geht man von drei Monaten aus. Wir veranschlagen den Rückgang des realen BIP 2020 auf 7%. Der Schwerpunkt der Rezession liegt dabei im zweiten Quartal.

Für die deutsche Exportwirtschaft zeichnete sich bereits 2019 eine Abkühlung ab. Doch seit Februar 2020 gehen die Exporte deutlich zurück. Im ersten und zweiten Quartal dürften die Rückgänge zumeist zweistellig ausfallen. Nach einer langsamen Erholung im zweiten Halbjahr 2020 sind für das kommende Jahr kräftige Steigerungsraten zu erwarten.

Coronacrash in China war kurz und hart

Nach den aktuell vorliegenden Daten für die ersten beiden Monate ging die Industrieproduktion in China um 14% zurück, die Automobilproduktion sank um 46% und die von Mobiltelefonen um 34%. Investitionen und Einzelhandelsumsätze fielen um rund ein Viertel gegenüber dem Vorjahr. Zwar lief die Produktion im März wieder an. Doch im ersten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung in China um einige Prozent zurückgegangen sein. Für die deutschen Exporte deuten die chinesischen Importzahlen für die ersten beiden Monate auf weit stärkere Einbußen hin: Die Einfuhr aus der EU sank um 19%. Für das erste Quartal 2020 rechnen wir mit einem Rückgang der deutschen Exporte nach China mit zweistelliger Rate.

Coronavirus trifft EU länger und schmerzhafter

Die Ausbreitung des Coronavirus in Europa erfolgte mit zeitlicher Verzögerung, aber inzwischen deutlich umfangreicher als in China. Vor allem Italien, Spanien, Deutschland und Frankreich sind aktuell stark betroffen. Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Einbußen dürfte im zweiten Quartal liegen. Doch bereits das erste Quartal wird wohl mit einem einstelligen Minus bei der Wirtschaftsleistung abschließen. Entsprechend sind auch die deutschen Exporte in die EU zurückgegangen. Für das zweite Quartal rechnen wir mit zweistelligen Schrumpfungsraten.

Ausbreitung in den USA mit schwerwiegenden Folgen

Mit einem weiteren zeitlichen Versatz breitet sich das Coronavirus in den USA aus. Inzwischen sind dort mehr Infektionen registriert als in jedem anderen Land der Welt. Das öffent­liche Leben wird stark eingeschränkt. Auch die Produktion in zahlreichen Unternehmen ruht. Die US-Wirtschaft wird insbesondere an ihrer bislang stärksten Säule getroffen, dem Dienstleistungssektor. Die stärksten wirtschaftlichen Einbußen dürften die USA im zweiten und dritten Quartal erleben. Für das zweite Quartal wird ein zweistelliger Rückgang gegenüber dem Vorquartal erwartet. Entsprechend deutlich dürften auch die deutschen Exporte dorthin zurückgehen.

Deutsche Exporte verlagern sich

Die deutschen Exporteure reagieren auf die Coronakrise bereits mit den gebotenen internen Maßnahmen zum Schutz der Belegschaft und passen ihre Produktion an. Doch auch die Wahl der Produktionsstandorte und der Produktpalette wird vor allem bei größeren Unternehmen laufend überprüft. Der neue Megatrend heißt: Medizin und Ver­sorgung. Und die Digitalisierung erlebt angesichts von Home-Office und Videokonferenzen einen massiven Anwendungsschub. Volle Auftragsbücher bei Medizintechnikern und Impfstoffforschern lassen auch andere Unternehmen aufhorchen. Sie suchen nach einer alternativen Verwendung brachliegender Kapazitäten – und nach neuen Absatzmöglichkeiten.

Anpassungen erforderlich

Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus hat in zahlreichen Ländern zu erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und damit auch der Wirtschaftstätigkeit geführt. Daraus ergeben sich komplexe Veränderungen von Aufträgen, Zulieferungen, Produktions-  und Liefermöglichkeiten sowie der Kommunikation. Für die Unternehmen stellen sich nun einige Fragen:

  • Welche Produktionsmöglichkeiten bestehen an den jeweiligen Standorten für welche Produkte?
  • Wie entwickelt sich die Auftragslage für welche Produkte, und welche Aufträge können bearbeitet werden?
  • Welche Lieferverpflichtungen bestehen gegenüber meinen Kunden, und welche Forderungen kann ich gegenüber meinen Lieferanten geltend machen?
  • Wie kann ich Lieferungen technisch (Spedition, Zoll, Genehmigungen, Inbetriebnahme) durchführen?

Vier Tipps für Exportmanager

Coronacrash in der Produktion – Engpassfaktoren ermitteln

Zahlreiche Automobilhersteller in Europa und den USA haben Werke geschlossen. Auch die meisten Zulieferer fahren ihre Produktion herunter. Zum einen mangelt es an Nachfrage, zum anderen fehlen aber auch Teile, und die Präsenz der Mitarbeiter würde die Ansteckungsgefahr erhöhen. Dagegen meldet der Getränkemaschinenbauer Krones eine Auslastung von 80% bis 90% sogar in den norditalienischen und chinesischen Werken. ZF berichtet von wieder anziehenden Verkäufen für die Automobilproduktion in China.

Tipp: Prüfen Sie die individuelle Verfügbarkeit von Mitarbeitern, Zulieferungen und Logistik an jedem Standort auf Engpassfaktoren auf der Angebotsseite hin. Gibt es Alternativen bei Produkten oder Fertigungsabläufen?

Coronavirus bremst Nachfrage – Marktentwicklung beobachten

Während in Asien die Produktion wieder anfährt, stehen die Räder in Europa und Amerika zunehmend still. Die Automobilnachfrage ist stark rückläufig, auch der Absatz von Bekleidung ist vielerorts eingebrochen. Dagegen steigt der Bedarf an medizinischer Ausrüstung und an Gütern des täglichen Bedarfs. Automobilhersteller prüfen die Herstellung medizinischen Zubehörs für Beatmungsgeräte, Bekleidungshersteller fertigen Mundschutzmasken.

Tipp: Ermitteln Sie die Situation auf der Nachfrageseite hinsichtlich Absatzmärkten, Absatzbranchen und Produkten. Welche Anpassungen sind möglich, welche neuen Absatzmöglichkeiten können erschlossen werden?

Coronavirus birgt juristische Risiken – Vertragstexte prüfen

Vor einigen Wochen beriefen sich chine­sische Banken im Hinblick auf Akkredi­tivbestätigungen auf höhere Gewalt als ­Hinderungsgrund für die Vertragserfüllung. Inzwischen beschäftigen diese Standardklauseln in Lieferverträgen (Force majeure) und in Zahlungsvereinbarungen die Rechts­abteilungen vieler Unternehmen. Hinsichtlich der Zahlungsrisken gibt es nun die Möglichkeit, auch Exporte in EU- und ausgewählte OECD-Länder kurzfristig über die staatliche Hermesdeckung abzusichern, wenn private Kreditversicherungen nicht angeboten werden.

Tipp: Prüfen Sie Ihre Lieferverträge und die Einkaufsbedingungen auf wirksame Klauseln auch im Fall einer von der WHO festgestellten Pandemie hin. Sichern Sie sich gegen Zahlungsausfälle und Regressforderungen ab.

Coronavirus stört Lieferketten – ­Erleichterungen nutzen

Einschränkungen in der Produktion und im Lieferverkehr verzögern die Lieferung von Teilen. In einer Blitzumfrage des VDMA berichteten 84% der befragten Maschinenbauer von Beeinträchtigungen in ihren Lieferketten. Vor allem die Grenzkontrollen in Europa machen den Spediteuren zu schaffen. Der europäische Branchenverband CLECAT hat sich mit einigen Forderungen zu Verfahrenserleichterungen (z.B. längere Zahlungsfristen für MwSt.- und Zollzahlungen) an die EU-Kommission gewandt. EU, Bund und Länder bieten zudem sogenannte Coronahilfen (Liquidität, Bürgschaften, sonstige Förderprogramme) an.

Tipp: Prüfen Sie die logistischen Abläufe sowie die Zollabwicklung auf Engpässe hin. Nutzen Sie die staatlicherseits angebotenen Erleichterungen und Hilfen (LINK).

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

www.frankfurt-bm.com

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