Der Libanon ist ein bevorzugter Partner für Geschäfte im Nahen Osten. Das Land erfreut sich fairer Ratings, einer stabilen, an den US-Dollar gekoppelten Währung und positiver Wachstumsraten. Nach einer Steigerung des realen BIP um jeweils 1,4% in den Jahren 2017 und 2018, wird für 2019 eine Zunahme um 2% erwartet.
Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)
Der Libanon profitiert im Rahmen der Union für den Mittelmeerraum von einer bevorzugten Beziehung zur EU sowie einem Freihandelsabkommen und dem Assoziierungsabkommen von 2002.
In der ausschließlichen Wirtschaftszone des Libanon lagern wichtige Energiereserven, etwa 122 Bill cft Erdgas und 1,7 Mrd Barrel Öl. 2018 unterzeichnete die Regierung mit Total, Eni International und JSC Novatec Explorations- und Förderabkommen für Öl und Gas in zwei Feldern vor der Küste. Die Bank Audi schätzt, dass die neue Exploration mit erwarteten Einnahmen von 200 Mrd USD die Wirtschaft dramatisch verändern wird.
Bislang ist der Libanon noch sehr abhängig von Überweisungen seiner großen Diaspora an Auslandslibanesen. Auch wenn eine Korrelation zwischen Überweisungen und gesamtwirtschaftlichem Wachstum wissenschaftlich nur schwer nachzuweisen ist, wirken sich die Auslandsüberweisungen zweifellos positiv auf die Kaufkraft der privaten Haushalte aus.
Perspektiven für Ex- und Import
Im Libanon, dem alten Phönizien, wird schon seit der Antike vielfältig und weitreichend Handel getrieben. Die Liste der aktuellen Im- und Exporte umfasst eine Vielzahl von Produkten sowie einen umfangreichen Ölhandel. Da in neuerer Zeit Öl- und Gasvorkommen vor der libanesischen Küste entdeckt wurden, dürften die Ölimporte in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen und der Libanon wohl eher zum Ölexporteur werden.
Die europäischen Länder sind die wichtigsten Lieferanten für Importe in den Libanon (7,2 Mrd EUR im Jahr 2017). Mineralien & Metalle (32,3%), landwirtschaftliche Produkte (21,8%) und Chemikalien (7,5%) standen ganz oben auf der Liste der Exporte. Aufgrund seiner bedeutenden Automobil-, Chemie- und Metallindustrie ist Deutschland im Handel mit dem Libanon von strategischer Bedeutung. Zudem wird erwartet, dass der Libanon sich mittelfristig am Wiederaufbau Syriens beteiligen wird. In den nächsten Jahren sollte Syrien daher weiterhin zu den wichtigsten Absatzmärkten gehören.
Abhängigkeit von einem fragilen politischen Gleichgewicht
Das politische Gleichgewicht und das Gleichgewicht zwischen den religiösen Gruppen sind seit dem von 1975 bis 1990 andauernden Bürgerkrieg fragil. Die Verfassung von 1926 sieht eine Verteilung der obersten politischen Ämter nach Religionszugehörigkeit vor, d.h., der Staatspräsident muss maronitischer Christ sein, der Regierungschef sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident schiitischer Muslim. Diese Regelung wird als gerecht und angemessen empfunden, solange die religiöse Zusammensetzung der Gesellschaft stabil bleibt. Mit der massiven Zuwanderung von 1,5 Millionen überwiegend schiitischen Flüchtlingen aus Syrien kommt es nun zu Veränderungen dieser Zusammensetzung. Man geht davon aus, dass die Flüchtlinge nur vorübergehend im Land sind; sollten sie jedoch dauerhaft bleiben, könnte es problematisch werden.
Der Bürgerkrieg in Syrien wirkt sich indirekt auch auf die wirtschaftliche Lage des Libanon aus. Der Tourismus und der Immobiliensektor, die beiden traditionellen Treiber des libanesischen BIP, schwächeln schon seit Beginn des Krieges, dürften sich aber erholen, sobald in Syrien wieder Frieden herrscht und sich die Lage dort stabilisiert. Die libanesische Regierung betrachtet den anstehenden Wiederaufbau Syriens als Wachstumschance. 2017 erklärte der libanesische Ministerpräsident Hariri auf der internationalen Syrien-Konferenz in Brüssel, dass der Libanon am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehe, und fügte dann hinzu, dass das Land bereit sei, Syrien mit internationaler Unterstützung vom Libanon aus wiederaufzubauen.
Die Unterstützung durch internationale Organisationen wie die Weltbank trägt jedoch tendenziell zur Senkung des politischen Risikos im Libanon bei. Auf der Libanon-Konferenz in Paris kündigte die Regierung im April 2018 ein von der Weltbank unterstütztes Investitionsprogramm im Umfang von 10,8 Mrd USD an, das vor allem auf Verbesserungen der Infrastruktur abzielt. Zudem hat der Libanon ein Generalkonto beim IWF und nimmt am Sonderziehungsrechteprogramm teil (194 Mio SZR, Stand Oktober 2018, d.h., ca. 270 Mio USD), das als zusätzliche internationale Geld- und Reserveeinheit fungiert.
Vielversprechende Landwirtschaft
Die Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung arbeitet im Dienstleistungssektor, und es wird kaum Landwirtschaft betrieben, obwohl die Böden gut geeignet wären. In der Tat arbeiten lediglich 3,2% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, und leisten damit einen Beitrag von 3,5% zum BIP. Die 76,5% der Erwerbstätigen, die im Dienstleistungssektor beschäftigt sind, erbringen 76,0% der Wirtschaftsleistung. Und die 20,3% der Erwerbstätigen, die in der Industrie tätig sind, tragen 12,0% zum BIP bei. Überdies hat die Landwirtschaft infolge der schwierigen politischen Situation deutliche Einbußen erlitten, denn der Großteil der libanesischen Exporte ging nach Syrien und in den Irak.
Die mangelnde Entwicklung der Landwirtschaft ist auch darauf zurückzuführen, dass Bankleistungen nur sehr begrenzt in Anspruch genommen werden, so nutzt nur 1% der Landwirte Kredite. Daher beabsichtigt die Regierung nun, ein günstiges Umfeld für Finanzierungen zu schaffen, Landwirte bei der Kreditaufnahme zu unterstützen und die Infrastruktur auszubauen. Ein ermutigendes Zeichen ist das Interesse der libanesischen Banken am Segment der kleinen und mittleren Unternehmen. So hat zum Beispiel die Bank Audi 2016 einen Geschäftsbereich für kleine und mittlere Unternehmen eingerichtet.
Breitaufgestellter Bankensektor
Mit 65 Banken ist das libanesische Bankensystem breit aufgestellt und international mit etwa 242 Korrespondenzbanken in 65 Ländern gut vernetzt. Nach Bilanzsumme sind die Bank Audi, die Blom Bank und die Byblos Bank die größten Banken des Landes. Die libanesischen Banken sind finanziell stabil und verfügen über eine angemessene Kapitalausstattung, im Hinblick auf die Staatsanleiherisiken haben sie jedoch nicht ausreichend Vorsorge getroffen. Die Forderungen der Banken gegenüber dem öffentlichen Sektor belaufen sich auf ca. 15% der Bilanzsumme, das entspricht 40% der gesamten Staatsverschuldung und 56% des BIP.
Die Banken kaufen im Wesentlichen von der Zentralbank begebene Einlagenzertifikate, de facto handelt es sich dabei um Staatsschulden. Zudem befindet sich die Regierung in einer schwierigen finanziellen Lage, die Banken haben sich jedoch bereit erklärt, an einer Lösung für den Schuldendienst mitzuarbeiten, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Der Schuldendienst hängt damit in hohem Maße von den Banken ab.
Chancen für Handelsfinanzierungen
Der Libanon ist vor allem aufgrund der Bedeutung des Handels mit Grundstoffen und Ausrüstungsgütern ein Schlüsselmarkt für Handelsfinanzierungen. Außerdem sollte der Wiederaufbau Syriens deutschen Unternehmen aus den Bereichen Energie, Bau und Landwirtschaft Exportmöglichkeiten eröffnen.
Die ODDO BHF-Bank verfügt über langjährige Erfahrung mit Handelsfinanzierungen für deutsche Unternehmen, die in den Nahen und Mittleren Osten exportieren, und bietet ausgewiesene Expertise bei Akkreditiven, auf die Unternehmen bei Handelstransaktionen mit dem Libanon zurückgreifen können.