Ecuador bietet gute Voraussetzungen für eine Tätigkeit deutscher Unternehmen. Die Rohstoffvorkommen bieten eine solide wirtschaftliche Grundlage, schaffen aber auch Abhängigkeiten. Reformen sollen die Wirtschaft diversifizieren.
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Mit einer Fläche von 283.561 qkm und einer Bevölkerung von 17 Millionen Menschen ist Ecuador eher klein und unscheinbar, zumal im Vergleich zu seinen Nachbarländern Peru und Kolumbien. Bodenschätze und milliardenschwere Entwicklungs- und Hilfsprogramme rücken das Land allerdings immer mehr in den Fokus der Weltwirtschaft und erhöhen seine Attraktivität als Investitions- und Handelspartner.
Das Land verfügt über eine vergleichsweise sehr gute Verkehrsinfrastruktur mit den zwei großen internationalen Flughäfen in Quito und Guayaquil, einem modernen und sich weiter im Ausbau befindlichen Straßensystem und der Schienenverbindung zwischen den beiden Wirtschaftszentren. Hierdurch wird der Waren- und Personenverkehr im relativ dezentral organisierten Ecuador sichergestellt. Das Land birgt weitere Schätze, die ihm internationale Aufmerksamkeit sichern.
Reichtum durch Erdöl
Der Reichtum Ecuadors besteht in erster Linie aus Bodenschätzen. Das Land verfügt über große Bestände natürlicher Ressourcen, vor allem Erdöl. Die vorhandenen Rohölreserven werden auf 8,3 Mrd Barrel geschätzt, wodurch Ecuador international gesehen auf Platz 17 der Länder mit den größten Erdölvorkommen liegt. Unter den ölproduzierenden Staaten Lateinamerikas nimmt Ecuador den fünften Rang ein. Zwar ist aktuell nur etwa ein Zehntel des BIP auf ölbezogene Aktivitäten zurückzuführen, in den vergangenen fünf Jahren trug dieser Wirtschaftssektor jedoch zwischen 30% und 50% zum Exportaufkommen bei und war für ca. 20% der Steuereinnahmen verantwortlich.
Erdöl ist damit ein wesentlicher Faktor in der Wirtschaftsbilanz Ecuadors; gleichwohl kann das Land noch nicht die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und muss weiterhin viele raffinierte Ölprodukte zum eigenen Verbrauch aus dem Ausland importieren. Insgesamt korreliert Ecuadors Wirtschaft stark mit der Entwicklung des Ölpreises. In diesem Zusammenhang ist die weite Verbreitung des US-Dollar in der Wirtschaft (Dollarisierung) zu erwähnen, die internationalen Firmen Planungssicherheit an der Währungsfront sichert.
Reformagenda und internationale Finanzhilfen
Um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes auf den Weltmärkten zu steigern, entschied sich die Regierung unter Lenín Boltaire Moreno Garcés 2018 dazu, proaktiv finanzielle Unterstützung beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu beantragen. Am 21. Februar 2019 einigten sich Ecuador und der IWF auf die Implementierung einer Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung der Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur und zur weiteren Verringerung der Abhängigkeit vom Ölsektor. U.a. sollen Subventionen abgebaut, eine grundlegende Steuerreform sowie weitere Reformen zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts durchgeführt werden. Insgesamt 4,2 Mrd USD wurden im Rahmen der sogenannten Extended Fund Facility (EFF) des IWF gewährt und über drei Jahre ausgezahlt. Weitere 6,0 Mrd USD werden Ecuador von der Development Bank of Latin America (CAF), der Inter-American Development Bank (IDB), der Europäischen Investitionsbank (EIB), dem Latin American Reserve Fund (FLAR) sowie der Weltbank zur Verfügung gestellt.
Die internationalen Finanzhilfen werden zum einen zum Abbau der Staatsverschuldung eingesetzt, zum anderen ermöglichen sie es, für den Aufschwung notwendige Reformen anzugehen und umzusetzen. Dass es in Ecuador wirtschaftlich aufwärts geht, hat Fitch unlängst bestätigt: Die Agentur hat den Outlook des Ratings mittlerweile von „negativ“ auf „stabil“ angehoben. Nichtsdestotrotz sind die Erwartungen aufgrund der kurzfristigen Auswirkungen der internationalen Finanzhilfen für das Wirtschaftswachstum 2019 wieder leicht negativ, nachdem dieses in den Vorjahren 1,1% (2018) und 2,4% (2017) betrug. Ab 2020 deuten die Vorhersagen des IWF wieder auf positive Wachstumsraten.
Stabile politische Lage
Von dem 2017 gewählten Präsidenten Lenín Moreno erwartete man die Umsetzung von überfälligen Reformen, die u.a. auf die Diversifikation der Wirtschaftsstrukturen und die Fiskalsituation des Landes abzielen. Seine Reformagenda stieß jedoch nicht in allen politischen Lagern auf große politische Zustimmung. Zweifler befanden sich ausgerechnet in seiner eigenen Partei, der Alianza País (AP). Jedoch kann Moreno nun auf die Unterstützung durch die oppositionellen Parteien bauen. Diesen wird ein hohes Interesse daran nachgesagt, die Reformprogramme mitzugestalten und umzusetzen, um zu Beginn der nächsten Legislaturperiode 2021 vom langfristigen Erfolg der Maßnahmen selbst politisch profitieren zu können.
Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis
Um die Abhängigkeit von der Ölindustrie und der Preisvolatilität auf den Weltmärkten abzubauen und die Wirtschaftsleistung Ecuadors auf ein breiteres Fundament zu stellen, konzentriert sich die Regierung auf solche Reformen und Investitionsprogramme, die zur langfristigen Diversifizierung beitragen, den Privatsektor stärken und die Fiskalsituation des öffentlichen Sektors verbessern. Neben der Gewinnung von Erdöl soll deshalb der Agrarsektor konsequent entwickelt werden. Schon heute ist das Land der größte Bananenexporteur der Welt; Kaffee, Kakao, Holz, Schnittblumen und Garnelen gehören zu wichtigen Exportprodukten.
Eine starke Volkswirtschaft braucht eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur. Im öffentlichen Sektor liegt der Fokus deshalb auf Projekten im Transport-, Energie- und Gesundheitsbereich sowie auf der Implementierung von Anlagen zur Wasseraufbereitung. Ein sehr prestigeträchtiges Großprojekt ist aktuell der Ausbau des U-Bahn-Netzes in Quito; eine moderne Metro soll dazu beitragen, die wachsenden Mobilitätsanforderungen der Menschen in der Hauptstadt zu bedienen. Auch im privaten Sektor sind zahlreiche unternehmerische Aktivitäten zu beobachten. Hier liegen die Schwerpunkte auf Sektoren wie Landwirtschaft, Telekommunikation, Manufacturing und Tourismus.
Deutsche Unternehmen finden Unterstützung
Die Präsenz westlicher und vor allem deutscher Unternehmen in Ecuador zu erhöhen ist das Ziel der deutschen Außenhandelskammer (AHK), die in Ecuador aktiv ist und über ein engmaschiges Netzwerk verfügt. Sie veranstaltet zum Beispiel Investitionsforen, in denen sich Unternehmen informieren und zu aktuellen Projekten austauschen können.
Konkrete Investitionen internationaler Unternehmen betreffen den Zusammenbau komplett zerlegter Fahrzeuge (CKD) der Marken Mazda, Chevrolet/General Motors und Volkswagen, Investitionen fließen in den petrochemischen Sektor und in den Textilbereich. Die Continental AG ist als eine der größten deutschen Produktionseinheiten in Ecuador präsent, Unternehmen wie Bayer, Linde und Grünenthal sind ebenfalls vor Ort aktiv.
Auch auf politischer Ebene wird vermehrt an Partnerschaften und Kooperationen gearbeitet. Mehrere hochrangige Delegationen haben sich bereits ausgetauscht, u.a. mit dem ecuadorianischen Vizepräsidenten Otto Sonnenholzner, dessen familiäre Wurzeln nach Deutschland zurückreichen. Die deutschen Wirtschaftsunternehmen führen zudem ein duales Ausbildungssystem in Ecuador ein, das sich am deutschen Modell orientiert.
Aufgrund der geschilderten Faktoren – Reichtum an natürlichen Ressourcen, politische Reformagenda, wirtschaftliche Diversifizierung u.a. – kann davon ausgegangen werden, dass Ecuador als Investitions- und Handelspartner in Zukunft an Attraktivität gewinnen und seinen Einfluss im lateinamerikanischen Wirtschaftsraum steigern wird.
ODDO BHF verfügt über zahlreiche Kooperationspartner im ecuadorianischen Bankensektor, Vor-Ort-Erfahrung, Zugänge zu laufenden Projekten sowie gute Beziehungen zur deutschen Außenhandelskammer in Quito. Damit bietet die deutsch-französische Privatbank kompetente Unterstützung für Investoren und exportorientierte Unternehmen, die Chancen und Risiken in dem wirtschaftlich aufstrebenden Land am Äquator sondieren möchten.
Ingo-Dieter.Tuchnitz@oddo-bhf.com