Das Eigentum an einer Sache beurteilt sich immer nach dem Recht des Landes, in dem sich die Sache befindet (Lex rei sitae). Das bedeutet, dass der Eigentumsvorbehalt international in etwa 10% der Länder als Sicherungsmittel komplett versagt; zudem sind sehr oft Formerfordernisse zu erfüllen.
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In praktisch allen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zum Verkauf von Gütern und Produkten ist ein Eigentumsvorbehalt enthalten. Vielfach werden dazu sehr umfangreiche Regelungen getroffen. Darunter finden sich der einfache, der erweiterte und der verlängerte Eigentumsvorbehalt zur Sicherung der Kaufpreisforderung und anderer Forderungen. Das Eigentum an der Ware soll erst bei Begleichung der betreffenden Forderungen übergehen.
Herausgabeanspruch im nationalen Handel
Bezahlt der Käufer nicht, möchte man die Lieferung zurückhaben und hofft, neben dem schuldrechtlichen Rückgabeanspruch auch den sachenrechtlichen Herausgabeanspruch wegen Eigentums nutzbar machen zu können. Letzteres ist natürlich vor allem in der Insolvenz interessant, weil die schuldrechtlichen Ansprüche in der Insolvenz einem Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterliegen. So weit, so gut, wenn die Lieferung in Deutschland geblieben ist.
Eigentumsvorbehalt im Ausland
Bei grenzüberschreitenden Lieferungen trifft der Eigentumsvorbehalt auf ein Problem: Nach den internationalen kollisionsrechtlichen Grundsätzen richtet sich die Beurteilung des Eigentums an einer Sache immer nach dem Recht des Landes, in dem sich die Sache befindet (Lex-rei-sitae-Regel, siehe z.B. Art. 43 EGBGB). Das bedeutet, dass vielleicht schuldrechtliche Herausgabeansprüche wegen unterbliebener Kaufpreiszahlung dem deutschen Recht oder einem anderen von den Parteien gewählten Recht unterstellt sind (Vertragsstatut), die sachenrechtlichen Ansprüche aus Eigentum aber nach dem Recht des Landes beurteilt werden müssen, in dem sich die Ware befindet. Und da gibt es in verschiedenen Rechtsordnungen gewaltige Unterschiede.
Vergleich der Jurisdiktionen
Für das 2016 erschienene Buch „Internationales Kauf-, Liefer- und Vertriebsrecht“ von Martin Rothermel wurde der Eigentumsvorbehalt in 54 Ländern untersucht (Ausgangspunkt war dabei unter anderem eine Loseblattsammlung des Handbuchs für Exportmanager von 2006; dort ein Artikel von Jörg Reichelsdorfer, Praxishandbuch für Exportmanager, B III). Die voraussichtlich im 1. Quartal 2021 erscheinende Neuauflage des Buches „Internationales Kauf-, Liefer- und Vertriebsrecht“ untersucht 76 Länder. Dafür wurden Fragebögen (Q&As) ausgewertet (etwa von www.lexology.com oder www.idiproject.com), die Anwälte anderer Jurisdiktionen ausgefüllt haben; dabei kam es immer wieder dazu, dass Antworten nicht ganz eindeutig waren. Diese Fälle werden im Folgenden mit „?“ gekennzeichnet. Daraus ergibt sich die folgende Liste:
Kein Eigentumsvorbehalt ist möglich (Auswahl aus 76 Ländern) in: Algerien, Argentinien, Lettland, Norwegen, Puerto Rico, Saudi-Arabien, Uruguay.
Einfacher Eigentumsvorbehalt ist möglich (Auswahl aus 76 Ländern) in: Ägypten, Albanien, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbritannien, Guatemala, Honduras, Hongkong, Indien, Indonesien, dem Iran (?), dem Irak (?), Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Jordanien, Qatar, Kolumbien, Kroatien, Kuwait, Litauen, Luxemburg, Malaysia, Malta, Marokko, Mazedonien, Mexiko, Neuseeland, den Niederlanden, Nigeria, Österreich, Pakistan, Panama, den Philippinen, Polen, Portugal, Südkorea, Rumänien, der Russischen Föderation, Schweden, der Schweiz, Singapur, Serbien, der Slowakischen Republik, Slowenien, Südafrika, Thailand, der Tschechischen Republik, der Türkei, der Ukraine, Ungarn, den USA, Venezuela, Zypern.
Erweiterter Eigentumsvorbehalt ist möglich (Auswahl aus 76 Ländern) in: Belgien (?), Großbritannien, Hongkong (?), Irland, Litauen (?), Mexiko, Österreich (?).
Verlängerter Eigentumsvorbehalt ist möglich (Auswahl aus 76 Ländern) in: Australien (gegenüber juristischer Person nur mit Registrierung), Belgien (?), China (?), Estland, Griechenland, Irland, Litauen (?), Österreich, Portugal, der Schweiz (?), der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik (?), der Türkei.
Formerfordernisse bestehen (Auswahl aus 76 Ländern) in: Ägypten (schriftlich mit bestimmtem Datum), Albanien (schriftlich mit Datum und Registrierung für Drittwirkung), Aus-tralien (für Wirkung in Insolvenz), Belgien (schriftlich, AGB reichen aus), Brasilien (für Drittwirkung), Bulgarien (für Drittwirkung), Finnland (Schriftform), Frankreich (Schriftform, auch AGB), Honduras (Registrierung für Drittwirkung), Hongkong (Registrierung sinnvoll), Irland (jedenfalls für den erweiterten und den verlängerten Eigentumsvorbehalt), Island (Schriftform), Italien (Schriftform und Data Certa für Drittwirkung), Qatar (Schriftform), Kolumbien (Registrierung für Drittwirkung), Kroatien (schriftlich und notariell für Drittwirkung), Kuwait (für Drittwirkung), Mazedonien (Registereintragung für Drittwirkung), Polen (Schriftform und sicheres Datum mit notarieller Bestätigung für Drittwirkung), Südkorea (Schriftform), der Russischen Föderation (Schriftform), Schweden (Schriftform), der Schweiz (Eintragung in Register, insbesondere für Drittwirkung), Serbien (notarielle Beurkundung für Drittwirkung), der Slowakischen Republik (Schriftform), Slowenien (beglaubigte Urkunde für Drittwirkung), Spanien (Schriftform und sicheres Datum mit notarieller Form für Drittwirkung), der Tschechischen Republik (Schriftform), der Türkei (Schriftform), Ungarn (Schriftform), den USA (Registrierung als Security-Interest für Drittwirkung), Venezuela (Schriftform, genaue Angabe über die Parteien, genaue Angabe über die Sache).
Eigentumsvorbehalt an lokalem Recht ausrichten
Gemäß „Hochrechnung“ dürfte demnach in über 9% der Länder weltweit ein Eigentumsvorbehalt gänzlich problematisch sein; in 90% der Länder könnte aber zumindest ein einfacher Eigentumsvorbehalt wirksam sein, in über 17% vielleicht auch ein verlängerter Eigentumsvorbehalt und in über 9% der Länder auch ein erweiterter Eigentumsvorbehalt. Darüber hinaus gibt es wohl in 42% der Länder mehr oder weniger strenge Formvoraussetzungen zu beachten.
Dabei ist weniger die schuldrechtliche Komponente zwischen dem Verkäufer und dem Käufer problematisch (dafür kann man das Recht nach IPR-Grundsätzen meist wählen – Vertragsstatut). Viel problematischer ist die dingliche Wirkung, da sich die Frage nach dem Eigentum immer nach dem Recht des Landes richtet, in dem sich die Sache befindet (Lex rei sitae). Das hat direkten Einfluss auf die Drittwirkung und den Insolvenzfall.
Vielfach besteht auch das Risiko, dass man mit einem verlängerten und/oder erweiterten Eigentumsvorbehalt den einfachen Eigentumsvorbehalt beschädigt und daher vielleicht „weniger mehr wäre“.