Wie wirken sich politische Risiken auf die Unternehmen aus? Das war eine der Fragen des Kongresses Länderrisiken von Coface in Mainz. „Der Dialog zwischen Politik und Wirtschaft ist so wichtig wie noch nie.“ Dr. Daniela Schwarzer rief in ihrer Keynote zu Besonnenheit und verstärkten Anstrengungen zugleich auf. Denn aus europäischer Sicht erwüchsen aus der Politik des US-Präsidenten Donald Trump „definitiv viele Risiken mit potentiell hohem Schadenswert“.
Von Erich Hieronimus Pressesprecher NER, Coface
Neuer Auftrag für Europa
In ihrer packenden Keynote fasste Frau Dr. Schwarzer die zentralen Herausforderungen für Politik und Wirtschaft vor den gut 450 Teilnehmern des Kongresses zusammen: Die Realität werde viele Ankündigungen einholen, sagte die Otto-Wolff-Direktorin des Forschungsinstituts der DGAP: „Wir hoffen außerdem auf die Vernunft und hören die kritischen Stimmen in den USA.“ Mit den neuen Unsicherheiten und einer sich verändernden globalen Wirtschaftsordnung erwachse für Europa aber ein wichtiger neuer Auftrag. Das Wertebündnis mit den USA sei zwar nicht aufgehoben, in der Realpolitik veränderten sich aber die Orientierungspunkte, wenn Trump die NATO, die UNO und Handelsabkommen in Frage stelle und Partner verbal angreife.
Währungsunion stärken
„Die EU muss sich im Inneren stärken“, sagte Dr. Daniela Schwarzer. Unabdingbar sei es, die Währungsunion weiter zu stabilisieren: „Der Euro und der Binnenmarkt sind grundlegend für die Zukunft der EU.“ Deshalb müsse auch Deutschland „seine Wirtschaftspolitik durch die EU hindurch denken“. „Der Handlungsauftrag an die europäische, deutsche und französische Politik ist groß.“
Dieser Auftrag richte sich einerseits nach innen. „Wir erleben große Verunsicherung und Pessimismus in Teilen der Bevölkerung.“ Das Gefühl, dass die Sicherheit bedroht sei, gehe einher mit dem Gefühl des Kontrollverlustes. Dies gebe Populisten weiter Raum zur Entfaltung. Deshalb müsse die Politik, national und auf europäischer Ebene, sozial stabilisierend wirken und die Sicherheit stärken. Die stärkeren Länder müssten den schwächeren dabei helfen. „Denn wir haben EU-Länder, die sich das alleine nicht leisten können“, erwartet Dr. Daniela Schwarzer hier die Solidarität der Gemeinschaft.
Bloß keinen Tweet einfangen
Nach außen müsse die EU die Räume nutzen, die durch die Politik Trumps entstehen könnten. Die globale Wirtschaftsordnung werde sich weiter verändern. Nicht wegen einer möglicherweise veränderten US-Politik allein, sondern auch, weil derzeit die Bedeutung Chinas sich in Institutionen wie der Weltbank oder im IWF noch nicht adäquat abbilde oder die Möglichkeiten regionaler Handelsabkommen noch längst nicht ausgeschöpft seien.
Im Moment bleibt es bei der Unsicherheit darüber, was aus den USA noch kommen wird. „Was Trump umsetzen kann und will, bleibt derzeit unklar“, sagte Dr. Daniela Schwarzer. „Wir sind aber froh, dass eine kritische Diskussion auch in den USA selbst geführt wird.“ Klar sei, dass Trump seinen Wählern liefern müsse. Vor allem beim Thema Arbeitsplätze stehe er unter Druck. Deshalb verspreche er Steuervergünstigungen und bedrohe auf der anderen Seite Firmen, die sich mit Verlagerungen ins Ausland befassten. In den USA fürchteten inzwischen viele die wilde Twitter-Strategie des Präsidenten. „I don’t want to get a tweet.“
Nicht verunsichern lassen
Die zentrale Frage „Ist die Globalisierung am Ende?“ beantworteten alle Teilnehmer der anschließenden Diskussionsrunde einhellig mit Nein. Und dass die politischen Risiken ad hoc das gesamte Wirtschaftsgefüge durcheinander würfen, sehen die Praktiker auch nicht. „Ich bin überrascht, wie wenig die Märkte den politischen Verwerfungen folgen“, sagte Dr. Andreas Hettich, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Hettich Holding.
Offensichtlich gehen Unternehmen und Manager dem nach, was Téva Perreau als Gastgeber des Kongresses in seiner Begrüßungsrede empfahl. Die politischen Risiken nähmen erkennbar zu, sagte der Regional CEO Nordeuropa von Coface. Und auch die westlichen Demokratien erlebten eine stärkere „politische Volatilität“. Die Unternehmen dürften sich aber nicht verunsichern lassen. „Wir müssen schauen, welches Risiko überhaupt relevant ist. Das gilt für die politischen ebenso wie für die wirtschaftlichen Risiken.“
Dass die Politik einen anderen Blick auf die aktuellen Themen hat als die Unternehmen, wurde in der Diskussion deutlich. Die Mainzer Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich (CDU) sagte zum Verhalten des US-Präsidenten Trump: „Ein Land ist keine GmbH, die man mal eben gegen die Wand fährt, und dann gründet man einfach eine neue.“ Auch in Bezug auf für die Wirtschaft wichtige, in der Öffentlichkeit aber durchaus umstrittene Handelsabkommen warnte sie vor einer zu engen Sichtweise: „Die Bevölkerung nimmt das nicht nur unter Handelsaspekten wahr.“ Entsprechend habe die Politik eine solche Diskussion differenzierter zu führen als nur unter wirtschaftlichen Aspekten. Die Politikerin, die auch im EU-Ausschuss mitarbeitet, erhofft sich von den aktuellen Fragen eher eine Stärkung als eine Schwächung der EU. „Der Brexit lässt bei den anderen Ländern eine neue Einigkeit spüren, und auch Trump trägt ungewollt zu einer neuen Wertedebatte in Europa bei.“
Wertedebatte führen
Diese Neuorientierung der EU hält Dr. Daniela Schwarzer für wichtig. Die Politikexpertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) plädierte dafür, die schwächeren Länder aktiv zu unterstützen, weil die Ungleichgewichte ein Problem für die Stabilität seien. Falsch sei es aber, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu schwächen, um den Außenhandelsüberschuss zu senken, wie es ausländische Politiker forderten. „Damit würde der Wachstumsmotor der EU gebremst.“ Deutschland könne allerdings bei den Investitionen sicherlich einen Hebel für Wachstum in der EU ansetzen.
Investitionen sind auch vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in etlichen Ländern ein Thema für die Unternehmen. Bei Investitionsentscheidungen spielten indes weitere Faktoren eine große Rolle. Dr. Andreas Hettich sagte dazu, jedes Unternehmen müsse kritisch prüfen, wann und wo Investitionen für es Sinn machten. Er selbst habe dabei zum Beispiel nie über steuerliche Rahmenbedingen nachgedacht. „Andere Faktoren sind da viel wichtiger, zum Beispiel Genehmigungsverfahren oder die Bürokratie allgemein.“ Ohnehin gebe es zu viele unnötige Hürden durch Gesetze und Bürokratie. In oft guter Absicht werde in Deutschland hinter jedes Problem ein Gesetz geworfen, statt das Problem direkt zu lösen. So nehme auch das Risikobewusstsein ab, weil ja alles vermeintlich geregelt sei.
Wertschöpfungsketten erklären
Bei ihren Investitionen kalkuliert die BASF in ganz anderen Zeiträumen als in Legislaturperioden oder Amtszeiten von Präsidenten. Das machte Jan van Herff, Senior Manager Trade and Industry, Policy Communications and Government Relations der BASF Group, deutlich: „Den Ausschlag gibt letztlich die Marktperspektive.“ Auch deshalb solle man nicht jede politische Äußerung sofort zu ernst nehmen und müsse auch über den reinen Handelsrahmen hinausdenken. „Eine wichtige Frage ist, wie sich die Wertschöpfungsketten entwickeln und wie unsere Kunden von bestimmten Faktoren betroffen sind.“
Wertschöpfungsketten sind dem BASF-Manager nicht nur betriebswirtschaftlich wichtig. Sie verständlicher zu machen sei auch in der öffentlichen Diskussion wichtig. „Es gibt ein Aufklärungsproblem zwischen Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit“, sagte Jan van Herff. Dies zeige sich beispielhaft in der Diskussion über Handelsabkommen wie TTIP. Die EU müsse und könne im Übrigen über ihre Handelspolitik stärker außenpolitisch wirksam werden. Mit besserer Kommunikation könnten Institutionen und Unternehmen dem von Carsten Knop postulierten Reputations- und Glaubwürdigkeitsproblem von EU, Politik und Großkonzernen entgegenwirken und so der Verunsicherung, die Dr. Daniela Schwarzer in weiten Teilen der europäischen Bevölkerung ausmacht, begegnen.
Literaturhinweis
Coface hat in der Reihe Panorama die wirtschaftlichen Folgen des Brexits untersucht. Die englischsprachige Studie ist auf der Website www.coface.de als PDF zum Download erhältlich.