Emmanuel Macron hat die Bastille friedlich eingenommen. Doch wird ihm seine smarte Revolution „En Marche“ dauerhaft ­gelingen? Frankreichs Probleme im Jahr 2017 sind vielfältig: Arbeitslosigkeit, unflexibles Arbeitsrecht, eine aufgeblähte öffentliche ­Verwaltung und eine hohe Staatsverschuldung machen der Grande Nation zu schaffen. Der neue Präsident hat ambitionierte Pläne für Frankreich und Europa. Doch bringen diese die erhofften wirtschaftlichen Vorteile? Zwei seiner Ideen sind besonders wichtig.

Von Moritz Flocke, Redaktion ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich zeichnet sich für Emmanuel Macron und seine Partei „La République En Marche“ eine absolute Mehrheit ab. Die etablierten Parteien erhalten dagegen kaum noch Zustimmung von ihren bisherigen Wählern. Frankreich steht vor einem politischen Neuanfang, der allerdings auch mit großen Hoffnungen verbunden ist.

Wichtiger Handelspartner der deutschen Wirtschaft

Die wirtschaftliche und politische Entwicklung Frankreichs ist für Deutschland von herausragender Bedeutung. Deutschland exportierte allein im Jahr 2016 Waren im Wert von 101,4 Mrd EUR in das Nachbarland. Damit ist Frankreich, direkt nach den USA, zweitwichtigster Absatzmarkt für Deutschland. Die Reformvorhaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron entscheiden über die Zukunft dieser Partnerschaft und über Europa. Um die Wirtschaft Frankreichs anzukurbeln, geht es direkt ans Eingemachte: das Arbeitsrecht.

Reform des Arbeitsrechts

Die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bergen in Frankreich traditionell ein hohes Konfliktpotential, da die Arbeitnehmer hart um ihre einmal erworbenen Rechte kämpfen. Am 6. Juni 2017 wurden nun erste Pläne zur Neugestaltung des Arbeitsrechts bekanntgegeben, die die Arbeitslosigkeit von aktuell 10,1% reduzieren sollen.

Einen Schritt zu mehr Flexibilisierung stellt die Deckelung der Entschädigungssumme bei Kündigungen dar. Diese ist doppelt so hoch wie in Deutschland. Darüber hinaus ist geplant, dass Firmen in bestimmten Bereichen von Vorschriften des französischen Arbeitsgesetzes abweichen können.

Die 35-Stunden-Woche soll nach dem ersten Reformentwurf grundsätzlich erhalten bleiben. Jedoch sollen Unternehmen bestimmen können, wie hoch die Anzahl an möglichen Überstunden sein soll und in welcher Höhe diese zusätzlich vergütet werden. Somit könnten betriebseigene Vereinbarungen die Angestellten möglicherweise schlechter stellen, als das Gesetz es bisher zulässt.

Geplant ist zudem, dass Niedriglohnempfänger von ausgewählten Sozialabgaben befreit werden. Durch ein zusätzliches Monatsgehalt könnte diese Einkommensgruppe entlastet werden. Konkrete Pläne gibt es hierzu aber noch nicht.

Die Veröffentlichung der Verordnungen zur Reform des Arbeitsrechts ist für September 2017 geplant. Durch diese Reformen hätten Unternehmen stärkere Anreize, in Frankreich zu investieren.

Mehr staatliche Investitionen

Weitere Punkte auf der Reformagenda sind die Erhöhung der Investitionen in Europa und eine Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordination in der Euro-Zone. Geplant ist ein neu einzurichtendes „Euro-Parlament“. Dies wäre eine Institution mit eigenem Budget und einem „Euro-Finanzminister“ für alle 19 Eurostaaten. Hierdurch gäbe es laut Macron eine bessere wirtschaftliche Koordination und mehr Investitionen.

Guntram B. Wolff, Direktor der wirtschaftswissenschaftlichen Denkfabrik „Bruegel“, sieht verschiedene Wege, wie ein solches „Euro-Parlament“ umgesetzt werden könnte. Zum Beispiel wäre eine vollständige politische Vereinigung der Euro-Zone möglich. Dieser Schritt sei zwar aus makroökonomischer Sicht sinnvoll, aber derzeit politisch nicht durchsetzbar.

Ein politischer Deal zur Einrichtung eines „Euro-Parlaments“ könnte darin bestehen, dass die Nationalstaaten einen Teil ihrer eigenen Verfügungsfreiheit aufgeben und dafür gegebenenfalls Geld für Investitionen erhalten würden. Solche Investitionen könnten wiederum an Auflagen zur Beschränkung der Schuldenaufnahme geknüpft sein. Für diesen Schritt müssten allerdings viele nationale Verfassungen und EU-Verträge geändert werden.

Doch die Hoffnung auf einen Erfolg und die Umsetzung dieser Idee ist groß: Mehr Investitionen in langfristige Projekte und finanzielle Stabilität durch eine zentrale Verwaltung eines „Euro-Budgets“ könnten diesem Wirtschaftsraum zu mehr Wachstum verhelfen.

Die zurückliegenden Quartale geben der Wachstumshoffnung Auftrieb. So erhöhten sich die Investitionen in der Euro-Zone im vierten Quartal 2016 und im ersten Quartal 2017 um 5,1% bzw. 6,0% gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres.  Insgesamt wuchs die Wirtschaft des Währungsraums um 1,8% bzw. 1,9%. Für Frankreich blieb die Wachstumsrate mit 1,2% bzw. 1,0% unterdurchschnittlich. Deutschland kam dagegen auf 1,8% bzw. 1,7%, Spanien sogar auf jeweils 3,0%. Die deutsche Einfuhr aus der Euro-Zone ist übrigens in den vergangenen vier Monaten stärker gestiegen als die Ausfuhr.

Fazit

Emmanuel Macron und seine Partei „La République En Marche“ haben die Regierungsmacht in Frankreich errungen. Jetzt gilt es, die Gunst der Stunde zu nutzen und ein flexibleres Arbeitsrecht zu formen, ohne die Bevölkerung sozial zu stark zu belasten. Das zwingt die Regierung gleich zu Beginn in den Spagat.

Deutschland stellt sich spätestens nach der Bundestagswahl die Frage: Sind wir bereit, Frankreich zu folgen und für eine stabilere Euro-Zone Kompetenzen abzugeben? Wenn bis dahin der politische Wille dazu vorhanden ist, gibt es für Europa die Chance, insgesamt wirtschaftlich wieder stärker zu wachsen.

Davon würden auch deutsche Unternehmen profitieren. Auch in der Bevölkerung entstünde wieder mehr Zustimmung für Europa. In diesem Fall wäre auch eine weitere politische Integration nicht mehr so fernliegend.

moritz.flocke@frankfurt-bm.com

 

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