Fünf Jahre währt der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bzw. der westlichen Allianz. Der Krieg in der Ostukraine wurde durch das Minsker Abkommen eingedämmt. Eine Lösung ist aber nicht in Sicht. Vielmehr haben die Spannungen trotz zwischenzeitlicher Entspannungsphasen wieder zugenommen und zeigen sich an unterschiedlichen Schauplätzen in der Welt. Mit weiteren US-Sanktionsrunden muss gerechnet werden.
Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)
In Europa und Deutschland ist die Haltung zum Umgang mit Russland gespalten, wobei die deutsche Außenpolitik eine Balance zwischen Sanktionen und Dialog versucht. Zu Letzterem gehört die Förderung des wirtschaftlichen Austausches. Doch wie sehen nach fünf Jahren politischer Krise die wirtschaftlichen Perspektiven aus?
Gelungene Stabilisierung
Russland hat auf die durch Sanktionsumfeld und Ölpreisschock ausgelöste Krise 2014 zunächst vorbildlich reagiert. Eine solide Fiskal- und Geldpolitik trug zu einer schnellen Stabilisierung der Volkswirtschaft bei, so dass sich die Wirtschaft ab 2016 begann, wieder zu beleben begann. Bei einzelnen volkswirtschaftlichen Indikatoren wie Devisenreserven, Staatsverschuldung und Auslandsverschuldung steht Russland im internationalen Vergleich hervorragend da. Die großen internationalen Ratingagenturen haben Russland wieder im Investmentgrade eingestuft. Im Ranking des „Doing Business“-Reports der Weltbank konnte sich Russland seit 2014 von Platz 54 auf aktuell Platz 31 verbessern und steht damit besser da als andere BRICS-Staaten.
Durch Importsubstitution will der russische Staat langfristig den Anteil der Wertschöpfung in Russland erhöhen und sich vom Ausland unabhängiger machen. Dahinter steckt eine Politik von „Marktzugang gegen Wertschöpfung in Russland“. Investoren erhalten beim Aufbau einer Wertschöpfung in Russland Zugang zu Zoll- und Steuervergünstigungen sowie zu staatlichen Einkaufs- und Förderprogrammen. Aber auch die niedrigeren Produktionskosten durch die massive Abwertung des Russischen Rubel sind ein Argument für den Aufbau einer lokalen Fertigung.
Weitere Sanktionen drohen
Die Bilanz der ausländischen Direktinvestitionen fällt eher gemischt aus. Das liegt auch an den ambivalenten Aussichten für Exporteure und Investoren. Die Kaufkraft in Euro ist in den vergangenen fünf Jahren gesunken, die Wachstumsaussichten sind bescheiden, und das Geschäftsklima hat sich im Jahr 2018 deutlich eingetrübt. Dazu trägt das Risiko einer Verschärfung des politischen Konfliktes mit dem Westen und neuer Sanktionsrunden bei. Die USA erwägen unter den vom Kongress initiierten Gesetzen CAATSA und DASKA weitere Sanktionen gegen russische Staatsbanken, russische Oligarchen und ihre Unternehmen, gegen den russischen Öl- und Gassektor einschließlich Exportpipelines wie Nord Stream 2 oder Flüssiggasterminals. Die Sanktionen sehen teilweise auch Sekundärsanktionen gegen sonstige Unternehmen und Personen vor, die Geschäfte mit von den USA sanktionierten Adressen tätigen. Daher können auch deutsche Unternehmen bei ihren Russland-Geschäften von US-Sanktionen direkt betroffen sein.
Schwieriges Geschäftsumfeld
Doch Unsicherheit für ausländische Investoren entsteht auch durch einen ambivalenten Umgang mit ausländischen Investoren und das rechtliche Umfeld. Mit der Importsubstitution gehen in einigen Fällen protektionistische Tendenzen einher, die ausländische Unternehmen gegenüber lokalen Wettbewerbern benachteiligen. Weiterhin gibt es die Fälle, bei denen kommerzielle Konflikte mit einflussreichen russischen Geschäftspartnern zu nicht nachvollziehbaren Gerichtsentscheidungen und langen Rechtsstreitigkeiten führen. Ausländische Unternehmen waren bislang eher gut geschützt. Die vorläufige Verhaftung des in Russland erfahrenen Managements des Private-Equity-Investors Baring Vostok im Februar 2019 lässt allerdings Fragen aufkommen. Eine aktive Interessenvertretung gegenüber den russischen Behörden, teilweise auch mit politischer Deckung, ist daher in solchen Fällen eine wichtige Strategie.
Chancen für die deutsche Wirtschaft
Die Mehrzahl der deutschen Unternehmen hat sich an die Krise angepasst durch Kostenreduzierungen, aber auch durchvorsichtige Expansion. Viele Unternehmen sind mit ihrer Geschäftsentwicklung trotz der Währungsschwankungen und anderer Herausforderungen zufrieden und betrachten ihr Engagement unter langfristigen Aspekten. Verhältnismäßig wenige Unternehmen haben den Markt verlassen. Der bilaterale deutsch-russische Handel hat seit 2015 um rund 20% zugelegt auf 62 Mrd EUR. Für den deutschen Maschinenexport bleibt Russland außerhalb der EU trotz Einbußen weiterhin der wichtigste Markt nach den USA und China. Bei Großprojekten im Öl-, Gas-, Energie- und Infrastruktursektor konnten deutsche Exporteure große Auftragsvolumina gewinnen.
Chancen für Unternehmen bietet des Weiteren der Nationale Investitionsplan, der mit einem Volumen von 380 Mrd USD die Wirtschaft über Investitionen z.B. in die Infrastruktur ankurbeln soll. Der Auf- und Ausbau der lokalen Wertschöpfung, häufig in Zusammenarbeit mit russischen Partnern, ist für eine Reihe von im Russland-Geschäft aktiven Unternehmen eine Strategie für die weitere Markterschließung. Es gibt eine Reihe von Lokalisierungsvorhaben in den Sektoren Automobilbau, Pharma, Landmaschinen, Windenergie, Nahrungsmittel, Textil, Chemie etc.
Finanzierung erfordert Absicherung
Exportgeschäfte und Investitionen in Russland sind bei guten Risiken weiterhin finanzierbar. Sowohl russische als auch internationale Banken sind interessiert an bankfähigen Investitionsvorhaben. Einschränkungen ergeben sich allerdings erstens durch Sanktionen (sanktionierte Adressen, Dual-Use Güter etc.), zweitens durch den geringeren Risikoappetit der Banken und drittens durch die vergleichsweise hohen Zinsen in Rubel.
Das Sanktionsumfeld erhöht den Aufwand der bankinternen Complianceprüfungen. Angesichts der Unsicherheiten empfehlen sich die Absicherungsinstrumente des Bundes. Bei der Deckungspolitik des Bundes für Exporte und bei den Investitionsschutzgarantien gibt es abgesehen von den Sanktionen keine Einschränkungen. Russland bleibt weiterhin eines der Hauptzielländer für durch Euler Hermes gedeckte Exportkreditversicherungen und für Investitionsgarantien. Die KfW IPEX-Bank finanziert auf selektiver Basis größere deutsche Exportgeschäfte und Investitionsvorhaben.