Die Länder am Persischen Golf treiben gewaltige Projekte für den Ausbau von Infrastruktur und Industrie voran, um die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten für die Zukunft zu mindern. Die immensen Investitionen bieten auch für den deutschen Mittelstand Geschäftsansätze. Doch wer erfolgreich sein will, benötigt Ausdauer und eine gute Vorbereitung. Der Wettbewerb um die lukrativen Aufträge wird härter.

Von Thomas Schröder, Abteilungsdirektor, Strukturierte Außenhandels­finanzierung, BHF-BANK

Die sechs Länder des Golfkooperationsrats (GCC), Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate, zählen zu den wichtigsten Exportmärkten der deutschen Wirtschaft. Außerhalb Europas haben nur die USA und China eine noch größere Bedeutung für die deutsche Außenwirtschaft. Das Exportvolumen steigt seit Jahren stark an und erreichte 2012 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes über 21 Mrd EUR.

Auch für die Zukunft bestehen gute wirtschaftliche Perspektiven. Nach Einschätzung der Zeitschrift „Middle East Economic Digest“ sind in den GCC-Staaten ­derzeit Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 2 Bill USD in der Umsetzung oder in Planung. Vor allem Saudi-Arabien, Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate nutzen nach Angaben der Deutschen Botschaft in Abu Dhabi die Möglichkeiten, die ihnen die immensen Einnahmen aus der Erdöl- und Erdgasförderung bieten.

Die Schaffung von Wohnraum, eines Bildungssystems und einer medizinischen Versorgung auf höchstem internationalem Niveau zählt zu den politischen Prioritäten der Golfstaaten. Wie kein anderer Ort am Persischen Golf stand Dubai zur Jahrtausendwende für die auch in dieser Hinsicht beeindruckende Dynamik der Region. Die Talsohle infolge der Finanzkrise scheint nun durchschritten zu sein. Nicht nur die offiziellen Statistiken, auch die steigenden Mietpreise für Villen und Appartements zeigen die Trendwende. Auch in anderen GCC-Staaten wachsen die Türme wieder in den Wüstenhimmel. Im Stadtkern der qatarischen Hauptstadt Doha konzentrieren sich mittlerweile auf engem Raum so viele Hochhäuser wie wohl nirgends sonst auf der Welt. In Saudi-Arabien werden ganze Städte neu geplant und gebaut. Ein Beispiel für die entschlossene Erweiterung der Bildungsangebote ist die 1970 gegründete Princess Noor University in Riyadh, die nur von Frauen besucht werden darf. Ein neuer Campus bietet laut englischsprachiger Wikipedia Platz für 40.000 Studentinnen und 12.000 Beschäftigte. Ihnen steht eine 11 Kilometer lange Light Rail zur Verfügung, die die einzelnen Universitätsgebäude, Wohneinrichtungen und ein neues Lehrkrankenhaus verbindet. Generell verfolgen die GCC-Staaten gerade beim Ausbau des Gesundheitswesens sehr ambitionierte Ziele. Kontinuierlich werden Aufträge für große neue Krankenhausbauten vergeben, was nach Einschätzung der GTAI insbesondere den führenden deutschen Medizintechnikunternehmen viele Chancen bietet.

Mit Blick auf die Geschäftsmöglichkeiten deutscher Unternehmen sind auch die zahlreichen gewaltigen Transport- und Logistikprojekte hervorzuheben, die in der gesamten GCC-Region auf der Agenda stehen und zum Teil auch schon in der Umsetzung sind. Fast jedes der Länder am Golf plant oder baut einen neuen Flughafen, der als „Drehkreuz“ für die erhofften Besucherströme der Zukunft dienen soll. Auch der Ausbau der Seehäfen, die für die Einbindung der Region in die Weltwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind, erfolgt im intensiven Wettbewerb. Der Oman fordert Jebel Ali, Dubais riesigen Containerhafen, nach Einschätzung der GTAI heraus.

Nach dem Vorbild Dubais wollen Abu Dhabi, Doha und Riyadh den innerstädtischen Nahverkehr durch den Bau von U-Bahnen verbessern. Nicht nur Stadt­bahnen mit aufwendigen Tunnelbohrungen sind geplant, auch das schienengebundene Fernverkehrsnetz soll deutlich erweitert werden. Nach Einschätzung der Deutschen Bahn stehen in den GCC-­Staaten bis 2020 Bahnprojekte mit einem Auftragsvolumen in Höhe von 100 Mrd EUR an, berichtete die „Welt“ am 21. September 2013.

Eine wirtschaftliche Basis für die Zeit nach dem Öl- und Gasboom zu schaffen ist den Regierungen der Region ein wichtiges Anliegen. So hat sich etwa Abu Dhabi klare Ziele gesetzt, wie die Abhängigkeit vom Rohstoffexport langfristig reduziert und die Industrie diversifiziert werden soll. Vor allem wissensintensive Industrien erscheinen Abu Dhabi interessant. So sollen in der Metallindustrie, der Luft- und Raumfahrtindustrie, den Life-Sciences und der Medizintechnik die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen, berichtet ein Working Paper von 2011 auf www.maximilian-brenner.de. Ein gutes Beispiel für erste Erfolge derartiger Ambitionen ist die Produktion von Flugzeugteilen für die Airbus-Industrie in Al Ain, der Wüstenstadt der VAE.

Maschinen und Fahrzeuge machen mehr als die Hälfte des deutschen Exportvolumens in den GCC-Staaten aus. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) konnte 2012 einen neuen Absatzrekord vermelden. Während beim Fahrzeugexport die großen Premium-automobilmarken profitieren, sind im Maschinenbau viele Mittelständler führend. Die wachsenden Umsätze gehen jedoch mit einem immer stärkeren Wettbewerbsdruck einher. Vor allem südkoreanische Unternehmen haben in letzter Zeit viele Großaufträge erhalten und etwa im Anlagenbau die Führung übernommen. Sie überzeugen oft mit europäischer Qualität zu chinesischen Preisen.

Deutsche Unternehmen haben dennoch im Zuge von Großprojekten nach wie vor gute Chancen, technologische Kernkomponenten zu liefern. Wegen ihrer hohen Kompetenz kommen zudem Ingenieurfirmen aus Deutschland oft als Planer und Berater zum Zuge, was weiteren deutschen Firmen Chancen für den Markteinstieg bietet. Im Hoch- und Tiefbau sind Tunnelvortriebsmaschinen, Bohrgeräte und Schwerlastkräne deutscher Hersteller gefragt – um nur einige Beispiele zu nennen. Deutsche Unternehmen erhalten zudem regelmäßig große Aufträge bei der Zulieferung von Beleuchtung und Design, Fahrstühlen oder Badezimmerausrüstung. Auch im Eisenbahnwesen haben sich beim Bau von Bahnhöfen und hinsichtlich der Lieferung von Signaltechnik schon große Geschäftsabschlüsse ergeben.

Bei Vorhaben in der Energie- und Wasserversorgung sowie bei der Abwasserbehandlung und Müllentsorgung sind deutsche Unternehmen ebenfalls präferierte Partner. Ein großes Geschäftspotential bietet sich für den Mittelstand zudem bei den Themen Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Saudi-Arabien will im großen Stil in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, Dubai schreibt seit 2011 energieeffizientes Bauen vor. Ein Vorbild, dem sicher viele andere Städte der Region folgen werden.

Der Aufbau geschäftlicher Beziehungen in den arabischen Raum verlangt Geduld und Ausdauer. Arabische Geschäftspartner erwarten eine kontinuierliche Kontaktpflege, und sei es auch nur ein Kurz­besuch auf eine Tasse Kaffee. Geschäfte beruhen stark auf zwischenmenschlichen Beziehungen, weniger auf Beziehungen zwischen Unternehmen.

Weil mittelständische Unternehmer meist keinen lokalen Repräsentanten einstellen können, ist in der Regel die Kontaktanbahnung über einen lokalen Sponsor der geeignete Weg. Dieser sollte sorgfältig ausgewählt werden. Die deutschen Außenhandels­kammern am Golf geben hierzu guten Rat. Um frühzeitig über neue Projekte informiert zu sein und Verbindungen aufzubauen, sind regelmäßige Besuche in der Region nötig. Die BHF-BANK setzt auf eine Repräsentanz vor Ort und bereist die Region regelmäßig zum Aufbau fester Kontakte. Nur so kann man den Markt richtig einschätzen, Projekte finden, ihre Risiken und Chancen prüfen und schließlich Geschäftserfolge erzielen.

Deutschen Unternehmen und insbesondere auch mittelständischen Familienunternehmern wird in den arabischen Ländern mit viel Sympathie begegnet. Entscheidend für den geschäftlichen Erfolg sind der Zugang zu Beziehungsnetzwerken und der Aufbau von persönlichen Beziehungen und von Vertrauen. Ist dies gelungen, so bieten sich für spezialisierte deutsche Ingenieurfirmen und Technologieunternehmen hervorragende und vor allem auch sehr langfristige Perspektiven für lukrative Geschäftsabschlüsse.

Kontakt: thomas.schroeder[at]bhf-bank.com

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