„Hohes Risiko“ im Bau- und im Transportgewerbe
Trotz des günstigen wirtschaftlichen Umfelds steigt die Dauer der Zahlungsverzögerungen. Im Durchschnitt überziehen die Kunden das vereinbarte Zahlungsziel um 62,5 Tage. Das sind elf Tage mehr als im Jahr zuvor.
Betrachtet nach Branchen, erlebt der Einzelhandel mit 15 Tagen die kürzesten Überschreitungen der Zahlungsfristen. Am anderen Ende der Skala rangieren der Bau mit im Schnitt 116 Tagen und die Transportbranche mit 146 Tagen. 28% aller Unternehmen berichten von Verzögerungen von mehr als drei Monaten. Dieses Zahlungsverhalten korrespondiert mit der Branchenbewertung von Coface, die sowohl den Bau- als auch den Transportsektor in „hohes Risiko“ einstuft.
Bei der Gewährung von Zahlungszielen sind die Unternehmen in Polen durchaus vorsichtig. Fast die Hälfte räumt Ziele von bis zu 30 Tagen ein. Im Durchschnitt sind es 49,4 Tage. Am restriktivsten sind Unternehmen aus dem Einzelhandel, von denen 90% maximal 30 Tage einräumen. Ebenfalls bis 30 Tage gehen 84% der Textil- und Bekleidungsfirmen, 77% der Produzenten landwirtschaftlicher Lebensmittel, 74% der Unternehmen aus der Automobilbranche und 71% der Energieversorger. Zahlungsziele von mehr als 90 Tagen sind in den Branchen Transport (67%), Metall (53%) und Bau (46%) Usus.
Die allgemeine Geschäftsentwicklung sehen die polnischen Unternehmen unterschiedlich. Knapp die Hälfte (51%) erwartet, dass ihre Profitabilität steigt, 39% erwarten sinkende Gewinne. Eine positive Umsatzentwicklung prognostizieren die Branchen Automobil, Energie sowie besonders Textil und Bekleidung. Pharma-, Bau- und Metallsektor sind dagegen pessimistischer und geben an, dass die Verkaufszahlen eher sinken werden.
Wirtschaft wächst insgesamt robust, . . .
2015 erreichte Polens Wirtschaft ein Wachstum von 3,8%, bevor es sich 2016 auf 2,7% verlangsamte. Dies war auf einen langsamen Start des neuen Programmierungszeitraums für EU-Fonds zurückzuführen, der zu einem deutlichen Investitionsrückgang beitrug. Im Gegensatz zu 2016 profitierten polnische Unternehmen allerdings 2017 wieder von der Beschleunigung der Wirtschaftsaktivität mit einem BIP-Anstieg um 4,6% im Vergleichszeitraum. Die Investitionen haben sich aufgrund von Infrastrukturvorhaben, die von EU-kofinanzierten Projekten unterstützt werden, und der Erhöhung der Unternehmenskapazitäten wieder erholt. Der Privatkonsum bleibt nach wie vor der größte Wirtschaftstreiber.
Auch auf dem Arbeitsmarkt gab es 2017 weitere Verbesserungen. Die Arbeitslosenquote ist mit 4,7% die niedrigste seit der Aufzeichnung und liegt unter dem EU-Durchschnitt von 7,6%. Auch die Löhne steigen weiterhin. Seit 2014 wurden diese um durchschnittlich 3% pro Jahr erhöht. Darüber hinaus genießen polnische Haushalte die niedrigsten Notenbankzinsen in der Geschichte. Demzufolge wird die Binnennachfrage gemeinsam mit höheren Exportzahlen, bedingt durch die verbesserte globale Handelsdynamik, beträchtlich zum BIP-Wachstum in den nächsten Quartalen beitragen.
. . . aber Insolvenzzahlen gestiegen
Trotz des stabilen Wirtschaftswachstums in Polen stiegen die Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren in den ersten drei Quartalen 2017 um 14% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Änderungen im Insolvenzrecht haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Dies war aber nicht der einzige Faktor“, erklärt Grzegorz Sielewicz, Regional Economist Coface Central & Eastern Europe, den Anstieg. „Geringere Rentabilität, intensiver Wettbewerb, Margendruck, Zahlungsrückstände und Arbeitskräftemangel sind ebenfalls zu Hürden für Unternehmen geworden“.
Der Blick auf die Branchen zeigt, dass sich ein Anstieg der Insolvenzen durch fast alle Sektoren in den ersten drei Quartalen 2017 zog. Generell kann die gestiegene Popularität von Restrukturierungsverfahren 2017 über alle Branchen gesehen werden. Die meisten Insolvenzen und Umstrukturierungen gab es bei produzierenden Unternehmen, deren Anteil knapp 28% aller erfassten Firmen ausmachte.
In den kommenden Quartalen werden die 2016 durchgeführten Gesetzesänderungen weiterhin die Statistik beeinflussen. Coface prognostiziert einen Rückgang der Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren um 0,7% im Jahr 2018. Einzelhändler werden weiterhin von soliden Haushaltsausgaben profitieren, doch intensiver Wettbewerb und Druck auf die Margen werden viele Unternehmen betreffen, insbesondere die kleineren. Obwohl sich der Handel dank des robusten privaten Konsums in einem günstigen Umfeld befindet, wird er auch in der Insolvenz- und Umstrukturierungsstatistik eine feste Größe bleiben.
Die ausführliche Studie zum Zahlungsverhalten in Polen ist unter www.coface.de verfügbar.