Die Schuldenkrise der südlichen Eurostaaten hat auch Italien und Spanien unter Druck gesetzt, die Käufer ihrer Staatsanleihen mit wirtschaftspolitischen Konzepten zu überzeugen. In einer Analyse dieser Märkte kam Coface zu einer kritischen Einschätzung der Zahlungsfähigkeit der dortigen Unternehmen und nahm die Bewertung der Länder im Januar 2012 um eine Stufe auf A4 zurück.
Von Dr. Dirk Bröckelmann, Referent Unternehmenskommunikation, Coface Deutschland AG
Der leichte Konjunkturaufschwung des Landes wurde im Laufe des Jahres 2011 von den öffentlichen Sparmaßnahmen, dem Einbruch des Verbrauchervertrauens und dem Rückgang der Nachfrage aus dem Ausland im Keim erstickt. Obwohl die Binnennachfrage deutlich abgeflaut ist, verzeichnet das Land weiterhin ein relativ hohes Außenhandelsdefizit, worin die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft zum Ausdruck kommt.
Im Dezember 2011 wurde von der neuen Regierung ein rigoroser Sparplan mit einem Volumen von 30 Mrd EUR vorgelegt. Zusätzlich zu den schlechteren Finanzierungsbedingungen und der nachlassenden Nachfrage aus Europa wird er das Land 2012 wahrscheinlich in die Rezession treiben. Bei den Konsumausgaben ist ebenfalls ein Rückgang zu erwarten, denn die Unsicherheit über die weitere Einkommensentwicklung dürfte viele Privathaushalte dazu veranlassen, ihre Rücklagen zu erhöhen.
Die Investoren scheinen sich aktuell das gesamte Ausmaß der italienischen Staatsverschuldung vor Augen zu führen. Ende 2010 lag die Staatsverschuldung bei 118% des BIP, das ist der höchste Wert in der Euro-Zone nach Griechenland. Trotz einer relativ umsichtigen Haushaltsführung in den letzten Jahren sah sich das Land zuletzt unter dem Druck der Märkte und der EZB gezwungen, die Bemühungen zur Haushaltssanierung zu intensivieren. 2011 wurden nacheinander verschiedene Sparpläne verabschiedet, die zu einem Ausgleich des Staatshaushalts bis 2013 führen sollen. In Anbetracht des hohen Finanzierungsbedarfs des Staates, des geringen langfristigen Wachstumspotentials und der Zweifel an der Reformfähigkeit des Landes ist das Vertrauen der Anleger allerdings stark erschüttert.
Obwohl sich die politische Lage des Landes stabilisiert hat, nachdem Silvio Berlusconi zurückgetreten ist und Mario Monti im November 2011 das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hat, zeigen sich die Märkte weiterhin nervös. Italien muss 2012 von allen Ländern der Euro-Zone die umfangreichsten Anleihen aufnehmen. Daher wird die weitere Entwicklung maßgeblich davon bestimmt sein, ob es der aktuellen Regierung gelingt, sich die Unterstützung des Parlaments und auch der übrigen europäischen Staats- und Regierungschefs zu sichern, um wieder neues Vertrauen in der Euro-Zone zu schaffen.
Italien durchläuft derzeit eine schwierige Phase, was sich natürlich auch auf die Finanzlage der Unternehmen auswirkt. In den ersten neun Monaten des Jahres 2011 sind die Unternehmensinsolvenzen um 10% gestiegen, nachdem 2010 bereits ein Anstieg um 19,8% zu verzeichnen war. Die Anzahl der von Coface registrierten Zahlungsausfälle nimmt ebenfalls weiter zu. Die Hauptgründe hierfür liegen in den strukturellen Schwächen der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die den Hauptteil der italienischen Industrie ausmachen, und in der immer größer werdenden Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe.
Am stärksten betroffen sind das Baugewerbe und die Elektro- und Elektronikindustrie, die in Zukunft noch unter weiteren Einschränkungen zu leiden haben werden, wenn die Regierung die beschlossenen Maßnahmen umsetzt. Zu diesen gehören die Wiedereinführung der Grundsteuer und ein Baustopp für große Tiefbauprojekte. Auch die Textilindustrie sieht schwierigen Zeiten entgegen. Die äußerst strengen Sparmaßnahmen der neuen Regierung dürften zu einem deutlichen Rückgang der Konsumausgaben führen – mit negativen Folgen für sämtliche Wirtschaftsbereiche, insbesondere den Handel und die Automobilbranche.
Dadurch, dass der spanische Staat auf die Kostenbremse trat und die Investitionen im Wohnungsbau sich weiter rückläufig entwickeln, wurde die spanische Konjunktur 2011 abgewürgt. Hauptmotor der Volkswirtschaft blieb daher der Außenhandel, der noch stärker zur wirtschaftlichen Entwicklung beitrug als im Vorjahr. Der Ende 2011 zu verzeichnende Produktivitätsrückgang dürfte sich im ersten Halbjahr 2012 fortsetzen. Sofern die Haushaltssanierung bis dahin vorankommt und die Schwierigkeiten im Wohnimmobiliensektor überwunden sind, könnte die Konjunktur anschließend wieder leicht anziehen. Insgesamt ist für 2012 jedoch noch mit einem Rückgang des BIP zu rechnen.
Bis in die zweite Jahreshälfte dürfte der Konsum vor allem dadurch gebremst werden, dass praktisch keine Kredite mehr ausgereicht werden. Hinzu kommen die steigende Arbeitslosigkeit, das Bestreben der Haushalte, ihre Schulden zurückzuführen, der inflationsbedingte Kaufkraftverlust sowie die rückläufige Wertentwicklung des Vermögens der Privathaushalte.
Auch von den Investitionen werden voraussichtlich keine Impulse ausgehen, zu groß ist das Überangebot an Immobilien, zu hoch die Verschuldung der Unternehmen. Die Aussichten für den Export haben sich ebenfalls verdüstert, was vor allem der rückläufigen Nachfrage aus dem Euro-Raum (56% der Ausfuhren) geschuldet ist.
Bis zur Krise war Spanien eines der wenigen Länder der Euro-Zone, das sich an die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts hielt. Unter dem Eindruck der Rezession und der staatlichen Konjunkturpolitik hat sich die Lage der öffentlichen Haushalte jedoch verschlechtert. Die bis dahin mäßig hohe Staatsverschuldung ist stark gestiegen, auch wenn Spanien im Vergleich zu den anderen Ländern der Euro-Zone gut dasteht.
Das anhaltende Misstrauen der Märkte zwingt die Regierung dazu, in ihren Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen nicht nachzulassen. Allerdings dürfte diese Aufgabe durch die erneute Rezession und die Haushaltskrise in den autonomen Regionen erschwert werden. Vor diesem Hintergrund reichen die Bemühungen der Regierung, die eine Rentenreform durchgesetzt und eine Schuldenbremse eingeführt hat, nicht aus. Vielmehr gilt es, weitere Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen.
Trotz der Kreditverknappung auf Seiten der Banken sowie der Spannungen auf den Märkten für Staatsanleihen ist es Spanien dank einer Verbesserung der Leistungsbilanz sowie der Eingriffe der Europäischen Zentralbank bis jetzt gelungen, eine schwere Liquiditätskrise zu vermeiden. Der starke Anstieg der Zinsen für spanische Staatsanleihen im Zuge der Verschärfung der Griechenland-Krise und die Zuspitzung der Lage in Italien belegen jedoch, dass das Risiko für eine akute Liquiditätskrise hoch bleibt.
Die regionalen Sparkassen, die das Platzen der Immobilienblase schwer getroffen hat, haben tiefgreifende Reformen in Angriff genommen. So haben sich etliche Sparkassen zusammengeschlossen oder zu Geschäftsbanken gewandelt und sich wieder Kapital beschafft. Aufgrund der schwachen Branchenkonjunktur und der gestiegenen Refinanzierungskosten sehen Banken und Kreditinstitute jedoch weiterhin schwierigen Zeiten entgegen.
Die Statistiken von Coface zeigen, dass die Zahlungsausfälle auch in Spanien wieder zugenommen haben, insbesondere in den Branchen Textil, Bau und Konsumgüter. Überdies gibt es wegen der steigenden Anzahl an Firmenpleiten immer mehr Probleme beim Forderungseinzug. So ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nach Angaben des spanischen Amts für Statistik in den ersten neun Monaten des Jahres 2011 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 1% gestiegen. Der Großteil des Anstiegs ist auf die starke Zunahme im dritten Quartal zurückzuführen. Zu den meisten Firmenpleiten kam es im Baugewerbe und im Großhandel (45% der Insolvenzverfahren), wobei die Regionen Katalonien, Valencia, Andalusien und Madrid nach wie vor am stärksten betroffen sind.
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