Kolumbien, das lange Zeit als das „Drogenmekka“ Lateinamerikas galt, entwickelt sich zunehmend zu einer wirtschaftspolitisch stabilen Nation und damit zu einem der sichersten Investitionsstandorte in der Region. Nach dem Wahlsieg Iván Duques dürften Strukturreformen und Investitionen in die Infrastruktur für anhaltendes Wirtschaftswachstum sorgen. Vor allem der Bereich der erneuerbaren Energien und die Landwirtschaft bieten deutschen Unternehmen gute Geschäftschancen.
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Rückkehr zu Stabilität und Sicherheit
Mit seinen knapp 50 Millionen Einwohnern ist Kolumbien das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung Lateinamerikas. Seine Volkswirtschaft ist die drittgrößte Lateinamerikas hinter der Brasiliens und Argentiniens.
Kolumbien verfügt seit über 50 Jahren über ein stabiles und demokratisches politisches System. Die 2016 vereinbarte Waffenruhe zwischen der linken Guerillabewegung FARC und den Regierungstruppen führte in der seit 1964 von Unruhen geprägten Nation wieder zu mehr Stabilität und Sicherheit.
Zunehmendes Wirtschaftswachstum
Durch den Friedensprozess erholt sich auch die Wirtschaft des Landes. Sie verzeichnete bis zum Verfall des Erdölpreises 2016 kontinuierlich einen starken Anstieg von jährlich zwischen 4% und 6%. Zwar fiel die Wachstumsrate 2017 auf 1,8%. Doch das Land erholte sich schnell vom Ölpreisschock, so dass für das Jahr 2018 ein Wachstum von 2,7% erwartet wird. Die im Vergleich zum Vorjahr stark gefallene Inflationsrate liegt bei 3,1%.
Bei der Präsidentschaftswahl 2018 erzielte der konservative Politiker Iván Duque mit 54% die absolute Mehrheit. Dieses Wahlergebnis kann als positives Wirtschaftssignal gewertet werden. Auf seiner politischen Agenda stehen vor allem Steuersenkungen und Investitionen, was auf lange Sicht die Wirtschaftskraft lokaler Unternehmen erhöhen dürfte.
Infrastrukturausbau birgt Potential
Nun können fällige Strukturreformen erfolgen, was sich in aktuellen Infrastrukturprojekten zeigt. Diese wurden jahrzehntelang vor allem in den ländlichen Regionen aufgrund bewaffneter Konflikte vernachlässigt. Mit Investitionen von 17 Mrd USD gehört das Autobahnprogramm „Vierte Generation“ zu den größten aktuell laufenden Infrastrukturprojekten in Lateinamerika. Ziel ist der Bau von 7.000 km Autobahn. Weiterhin sollen 42 neue Eisenbahnlinien den Binnentransport erleichtern. Neue Häfen in den Städten entlang der Karibikküste sollen den Außenhandel beleben. Über den Ausbau der Flughäfen in Bogotá, Cali, Medellín, Cucuta und Barranquilla hinaus trägt auch der Neubau eines internationalen Flughafens in der Karibikstadt Cartagena dem zunehmenden Tourismus Rechnung.
Energiepolitische Führungsrolle
Kolumbien ist reich an Energiereserven. Das Land deckt seinen Energiebedarf fast ausschließlich durch Wasserkraft sowie Kohle- und Gaskraftwerke. Obwohl sich Kolumbien vollständig selbst mit Energie versorgen könnte, handelt es seinen Strom mit anderen Ländern. Um das System umweltfreundlicher und gleichzeitig von Trockenperioden unabhängiger zu machen, soll im Bereich der erneuerbaren Energien der Anteil von Solar- und Windenergie sowie Biomasse von aktuell 1% bis zum Jahr 2031 auf 18% steigen. Daher werden Investitionen in diesem Bereich durch Anreize, wie z.B. die Zollbefreiung von Importen, politisch gefördert.
Wachstumstreiber Agrarindustrie
Der schwache Peso unterstützt die Exporte der Landwirtschaft, die insbesondere Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Früchte umfasst. Aufgrund der besseren Sicherheitslage in den ländlichen Regionen wird die Agrarindustrie mittelfristig stärker werden. Dies führt voraussichtlich zu einer Erhöhung der Maschinenimporte, z.B. im Bereich der Kaffeeindustrie.
Attraktivität für deutsche Unternehmen steigt
Die positive Wahrnehmung Kolumbiens spiegelt sich in der Höhe der Direktinvestitionen aus dem Ausland wider. Deutsche Unternehmen wie DHL, Siemens oder auch Bayer sind bereits stark vor Ort vertreten. Kolumbien bezieht 85% seines Bedarfs an Medizintechnik aus dem Ausland. Deutschland ist mit einem Anteil von 14% nach den USA (30%) der wichtigste Lieferant. Die steigende Nachfrage insbesondere nach Hightechgeräten wird aktuell durch den Bau und die Ausstattung von fünf neuen Krankenhäusern im Süden von Bogotá deutlich. Insgesamt zählt die sehr gut vernetzte deutsche Außenhandelskammer (AHK) in Bogotá mittlerweile rund 300 Mitglieder. Da das kolumbianische Bankennetz viele Töchter in Zentralamerika besitzt, bietet sich das Land für Unternehmen auch als Sprungbrett für weiteres Geschäft in Zentralamerika an.
Investitionen mit Partner tätigen
Besonders in den Bereichen Infrastruktur, erneuerbare Energien und Landwirtschaft stellt Kolumbien einen äußerst potentialreichen Markt für Investoren dar. Durch die seit Beginn der 90er Jahre anhaltenden Aktivitäten unterhält ODDO BHF intensive Beziehungen zu kolumbianischen Korrespondenzbanken sowie der AHK und unterstützt bei Investitionen in die unterschiedlichen Sektoren. Deren weitere wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, den weiteren Friedensprozess zu gestalten sowie gesellschaftlichen Herausforderungen wie der extrem hohen sozialen Ungleichheit im Land zu begegnen gehört nun zu den vorrangigen Aufgaben von Präsident Duque.
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annemarie.baumeister@oddo-bhf.com