Unternehmen in den USA und Kanada, die mit Firmenkunden Handelsgeschäfte betreiben, sind im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich weniger dazu bereit, beim Kauf von Waren und Dienstleistungen Lieferantenkredite zu gewähren. Bei den Unternehmenspleiten in den USA zeichnet sich zudem eine Stagnation ab.
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Zwei aktuelle Studien des Kreditversicherers Atradius haben das Zahlungsverhalten sowie die Insolvenzentwicklung auf dem amerikanischen Kontinent unter die Lupe genommen.
Weniger Verkäufe auf Ziel
Die Bereitschaft zur Lieferung von Waren und Dienstleistungen auf Ziel ist auf dem gesamten amerikanischen Kontinent gegenüber 2017 deutlich zurückgegangen. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in den USA, wo derzeit weniger als 40% der an der Studie teilnehmenden Firmen im B2B-Bereich Lieferantenkredite gewährten. Lag deren Anteil im Vorjahr noch bei 45,5%, fiel er binnen Jahresfrist um 5,7 Prozentpunkte auf nur noch 39,8%. Das entspricht einem Rückgang von gut einem Achtel. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in Kanada beobachten. Hier fiel der Anteil der Verkäufe auf Zahlungsziel im Firmenkundengeschäft um 4,1 Prozentpunkte auf 41,8%, nachdem er im Vorjahr noch 45,9% erreicht hatte.
Anstieg überfälliger Forderungen
Da der Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Kredit sowohl in den USA als auch in Kanada ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung und Kundenneugewinnung darstellt, kann dieser Schritt als Vorsichtsmaßnahme der an der Studie teilnehmenden Unternehmen zur Absicherung möglicher Zahlungsausfälle gewertet werden. Für diese Sichtweise spricht die Tatsache, dass befragte Unternehmen aus Kanada mit einem Plus von 4 Prozentpunkten den höchsten Anstieg des Anteils überfälliger Forderungen aus dem B2B-Geschäft im Vergleich zum Vorjahr meldeten. Demnach waren dort 41,9% der inländischen und 51,2% der gegenüber ausländischen Kunden geltend gemachten Rechnungen überfällig. In den USA liegt dieser Anteil mit 40,3% für Inlandsrechnungen sowie 54,9% für überfällige Rechnungen ausländischer Kunden auf einem ähnlich hohen Niveau. Im Durchschnitt ist bei US-amerikanischen Firmen somit fast jede zweite Rechnung überfällig (47,6%).
Neun von zehn Unternehmen erhalten ihr Geld verspätet
Neun von zehn Unternehmen auf dem amerikanischen Kontinent sind von verspäteten Zahlungen betroffen. So berichteten 90,7% der befragten Studienteilnehmer aus den USA von verspäteten Zahlungen ihrer inländischen Geschäftskunden. Bei Auslandsgeschäften meldeten 91,1% der US-amerikanischen Unternehmen verspätete Zahlungen ihrer Kunden. Damit sind die USA nach Mexiko das am zweitstärksten von verspäteten Zahlungen betroffene Land auf dem amerikanischen Kontinent. Etwas weniger verspätete Zahlungen in- und ausländischer B2B-Kunden melden kanadische Unternehmen: Hier berichteten lediglich 86,7% beziehungsweise 86,6% der Studienteilnehmer, fällige Zahlungen verspätet erhalten zu haben. Dass verspätete Zahlungen erhebliche negative Effekte auf die davon betroffenen Unternehmen haben können, zeigen die hierzu getätigten Aussagen der an der Studie teilnehmenden Firmen: Mehr als ein Fünftel von ihnen musste Korrekturen beim Cashflow vornehmen (21,5%), ebenfalls gut jeder Fünfte (20,1%) war aufgrund verspäteter Zahlungen dazu gezwungen, die eigenen Lieferanten später zu bezahlen, und 17,5% gaben an, hierdurch Umsatzverluste erlitten zu haben.
Längere Forderungslaufzeiten
Im Bereich der durchschnittlichen Zahlungsdauer stellt sich die Entwicklung in den USA und Kanada schlechter dar als in der Region insgesamt: Während in Nord- und Südamerika die Zahl der Tage, bis eine offene Rechnung bezahlt wurde (Days Sales Outstanding, DSO), durchschnittlich um lediglich zwei Tage auf nunmehr 37 Tage anstieg, verzeichneten sowohl US-amerikanische als auch kanadische Unternehmen einen noch stärkeren Anstieg. Kanadische Firmen müssen derzeit im Durchschnitt 32 Tage auf die Begleichung ihrer Rechnungen warten, das sind drei Tage mehr als noch 2017. Deutlich länger ist dieser Zeitraum für Unternehmen aus den USA: Hier beträgt der DSO 37 Tage. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Verlängerung der durchschnittlichen Forderungslaufzeit um ganze vier Tage.
Für die kommenden zwölf Monate erwarten kanadische und US-amerikanische Unternehmen in der Mehrzahl keine durchgreifende Verschlechterung der DSO-Kennziffer. So rechnen 71,9% der Befragten aus den USA nicht mit einer Veränderung, während dieser Anteil in Kanada bei lediglich 64,6% liegt. Dort rechnet fast ein Viertel der Firmen mit längeren Forderungslaufzeiten. In den USA sind die Firmen positiver gestimmt. Dort rechnen lediglich 5,4% mit einer starken und 12,3% mit einer leichten Verlängerung der durchschnittlichen Forderungslaufzeit.
Abzuschreibende Forderungen bleiben problematisch
Der Anteil derjenigen offenen Forderungen, die von den Unternehmen in Nord- und Südamerika als uneinbringlich abgeschrieben werden mussten, sank im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozentpunkte auf einen Wert von 1,8%. Deutlich höher fiel der Rückgang bei den an der Studie teilnehmenden Unternehmen aus den USA aus: Diese müssen aktuell 1,3% ihrer Forderungen abschreiben, ein Jahr zuvor waren es noch 2,1%. In Kanada zeichnet sich hingegen keine Veränderung ab: Hier mussten nach wie vor 1,5% aller Forderungen als uneinbringlich deklariert werden.
Am häufigsten müssen Forderungen in Nord- und Südamerika gegenüber Kunden aus den Branchen „Langlebige Konsumgüter“, „Dienstleistungen für Unternehmen“, „Dienstleistungen“ und „Bau“ als uneinbringlich abgeschrieben werden. Als Hauptgründe dafür wurden von den befragten Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers sowie die Einstellung der Geschäftstätigkeit genannt. Weitere Gründe waren die Unfähigkeit, den Schuldner ausfindig zu machen, fehlgeschlagene Inkassobemühungen sowie die Verjährung der offenen Forderungen.
Wendepunkt bei der Insolvenzentwicklung?
Bei den Insolvenzerwartungen in den USA zeichnet sich im laufenden Jahr zwar ein deutlicher Rückgang von 8% ab, dieser flacht jedoch im kommenden Jahr aller Voraussicht nach deutlich ab: 2019 dürften die Unternehmenspleiten dort lediglich um 2% sinken. Dieser drastische Rückgang um 75% deutet auf einen Wendepunkt bei der Insolvenzentwicklung in den USA hin, ausgelöst durch das Auslaufen der positiven Einmaleffekte des Steuersenkungsprogramms der amerikanischen Regierung. Weitere Risikofaktoren stellen in diesem Zusammenhang die Unsicherheiten im Hinblick auf die zukünftige Welthandelspolitik, sich verändernde Präferenzen seitens der Konsumenten sowie höhere Finanzierungskosten der Unternehmen dar.