„Die ausländischen Unternehmen haben sich an die Marktgegebenheiten gewöhnt und schauen sich nach Investitionsmöglichkeiten um“, fasste Marc Bartholomy die aktuelle Stimmung in Russland zusammen. Er sprach anlässlich des Roundtables Russland, den der ExportManager gemeinsam mit Clifford Chance und der VTB Bank am 19. September 2016 in Frankfurt veranstaltete. Das besondere Interesse der Teilnehmer galt dem Umgang mit westlichen Sanktionen und den Absicherungsmöglichkeiten für Exporte.
Von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA
Für die anwesenden Exportverantwortlichen und Führungskräfte aus dem Mittelstand hielten die Vorträge der Referenten noch einige positive Überraschungen, aber auch wichtige Hinweise zur Vorgehensweise bei der Geschäftstätigkeit in Russland bereit. Artur Iliyav, Vorstandsvorsitzender der VTB (Deutschland) AG verkündete das Ende der Rezession in Russland. Tatsächlich nahm die Industrieproduktion im August gegenüber dem Vorjahr wieder zu, auch wenn das Ausgangsniveau deutlich geringer ist als vor der Krise. So hat sich zum Beispiel die Kfz-Produktion gegenüber 2014 um rund ein Drittel auf voraussichtlich 1,1 Mio Einheiten im Gesamtjahr 2016 verringert.
Die günstigeren Konjunkturaussichten haben die Zentralbank bewogen, die Leitzinsen Mitte September zum voraussichtlich letzten Mal in diesem Jahr auf nunmehr 10% zu senken. Die Inflationsrate lag zuletzt – auch wegen des weiterhin rückläufigen Konsums der Haushalte – bei 6,6%. Während in der Vergangenheit zumeist günstigere Kredite in Fremdwährung aufgenommen wurden und die Unternehmen hohe Auslandsverbindlichkeiten eingegangen sind, steigt nach Erkenntnissen von Artur Iliyav die Kreditvergabe in lokaler Währung. Die zunehmenden M&A-Aktivitäten zeigen bereits eine steigende Investitionsbereitschaft.
Auch deutsche Unternehmen haben ihre Investitionen in Russland deutlich erhöht. So erreichten die Nettodirektinvestitionen im ersten Halbjahr 2016 bereits 1,7 Mrd EUR. Im Gesamtjahr 2015 waren es noch 1,8 Mrd EUR. Dr. Thomas Keller, Strategy & Market Development Europe, Middle East, Africa, bei der BASF, berichtete von den Aktivitäten seines Unternehmens vor Ort. Unter anderem werden die Kapazitäten in der Agrar- und der Bauchemie ausgebaut. Aber den Nachfragerückgang in der bedeutenden Automobilindustrie spürt die BASF ebenso wie den niedrigen Ölpreis im wichtigen Öl- und Gasgeschäft.
Auf die Beschränkungen, die die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland zur Folge haben, ging Dr. Jochen Pörtge, Counsel bei Clifford Chance, in seinem Vortrag ein. Sowohl die Kunden und Endverwender als auch die Einsatzmöglichkeiten der gelieferten Waren (Stichwort: Dual Use) müssen in einem gut dokumentierten Verfahren geprüft werden.
Obwohl auch Finanzsanktionen verhängt wurden, heißt dies nicht, dass keine Handelsfinanzierungen und Absicherungen in Russland mehr möglich sind. Thomas Baum, Head of Division Underwriting & Risk Management von Euler Hermes, berichtete von der anhaltenden Bereitschaft der Bundesregierung, Exporte nach Russland durch Hermesdeckungen abzusichern. Dabei spielten russische Banken als obligatorischer Zahlungsempfänger bei Handelsfinanzierungen eine bedeutende Rolle, ergänzte Anna Ponomareva, Managing Director Trade and Export Finance bei der VTB Bank.
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