Zur Umsetzung des Wiener Iran-Abkommens veröffentlichte die Europäische Union am 18. Oktober 2015 die EU-VO 2015/1861, mit der es ab circa Mai 2016 (bzw. ab dem sogenannten Implementation Day) zu weitreichenden Lockerungen des EU-Iran-Embargos kommen wird. Wie sieht dieser Zeitplan aus, und was werden diese Lockerungen in der Praxis bedeuten? Im Folgenden werden an einem Fallbeispiel zwei Varianten in Abhängigkeit von unterschiedlichen Lieferterminen durchgespielt.
Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte
Ausgangsfall
Die Firma D in Deutschland möchte im November 2015 die folgenden Güter an das Unternehmen I im Iran liefern: (1) Druckmessgeräte zum Messen von Absolutdrücken, (2) Öfen, geeignet für Betriebstemperaturen höher als 400 Grad Celsius, die mit kontrollierter Atmosphäre betrieben werden, und (3) Vitonringe. Diese Güter werden separat geliefert (sie sind also nicht in einer Anlage eingebaut). Spediteur ist die HTTS (Hanseatic Trade Trust & Shipping); die Bank Sepah ist für die Finanzierung zuständig. Welche Risiken bestehen hier, und wie soll D sie minimieren?
Abwandlung: D möchte diese Güter im Mai 2016 liefern, wobei vermutet wird, dass der Implementation Day, also der Tag, an dem die neue EU-VO 2015/1861 wirksam wird, auf den 30. April 2016 fallen wird.
Der Zeitplan nach dem Wiener Iran-Abkommen:
Die Lockerung des Iran-Embargos soll in zwei Schüben stattfinden: Lockerung 1 zum Implementation Day (ca. zum 30. April 2016), und Lockerung 2 erst sieben Jahre später zum sog. Transition Day (ca. 30. Oktober 2023). Zwei weitere Jahre später soll das Restembargo Iran aufgehoben werden zum sog. Termination Day (ca. 30. Oktober 2025). Nach dem Wiener Iran-Abkommen soll die EU zum Implementation Day (ca. 30. April 2016) folgende Beschränkungen aufheben:
Finanzbeschränkungen (Art. 30, 30a, 30b, 31, 33, 34 und 35), Öl, Gas, Petrochemie: Einfuhrverbote nach den Anhängen IV, IV A und V sowie Exportverbote für Schlüsselausrüstungen nach Anhängen VI und VI A sowie Investitionsregelungen hierzu (Art. 17–21), Schiffe, Gold: Ausfuhrverbote für Öltransportschiffe (Anhang VI B), für Gold (Anhang VII) sowie für Banknoten, Personenlistungen nach Anhang II Attachment 1 (78 Personenlistungen im Anhang VIII, 301 Personenlistungen im Anhang IX).
Erst zum Transition Day (ca. 30. Oktober 2023) soll die EU folgende Beschränkungen aufheben: nukleare Proliferation: v.a. Ausfuhrverbote nach Anhang II (und z. T. nach An-hang I) sowie Genehmigungspflichten nach Anhang III, Metalle, Software und Rüstungsgüter: Ausfuhrverbote für Graphite/Metalle nach Anhang VII B, für bestimmte Software nach Anhang VII A, nationale Regelungen zum Waffenembargo (wie § 74 Abs. 1 AWV), Sonstiges: restliche Personenlistungen im Attachment 2 zu Anhang II (86 Personenlistungen im Anhang VIII und 134 im Anhang IX), SWIFT-Dienstleistungen (Art. 23 Abs. 4), Verkehrsbeschränkungen bei Transporten (Art. 36 und 37).
In etwa vergleichbar soll dies beim US-Iran-Embargo verlaufen, wobei die USA vorläufig diese Aussetzungen allein für Nicht-US-Personen vornehmen werden. Bei US-Personen wird es bis auf weiteres bei den bestehenden Beschränkungen bleiben. Langfristig ist allerdings zu er-warten, dass die USA später auch die Beschränkungen für US-Personen aufheben, weil sonst den US-Unternehmen hohe Wettbewerbsnachteile gegenüber den EU-Unternehmen drohen würden.
Wesentlicher Inhalt der neuen EU-Iran-Verordnung
Die neue EU-VO 2015/1861 vom 18. Oktober 2015 sieht mit Wirkung zum Implementation Day (ca. 30. April 2016) eine Aufhebung der meisten Anhänge der VO 267/2012 vor. Erhalten bleiben lediglich die bisherigen Anhänge II (nuklear nutzbare Güter), VII A (Software für Unternehmensressourcenplanung) und VII B (Graphite und Metalle), wobei es sich nicht länger um Verbotsanhänge handelt, sondern nur noch um Genehmigungspflichten; hierbei sind die Listen geringfügig ausgedünnt worden. Es wird einen neuen Verbotsanhang geben für Güter, die vom MTCR (Missiles Technology Control Regime) erfasst sind (Anhang III). Und es wird mit dem neuen Anhang I einen neuen Genehmigungsanhang geben: An die Stelle aller gelisteten Dual-Use-Güter wird dann allein die Liste der Güter des NSG-Regimes (Nuclear Supplier Group) treten mit ihren Gütern (NSG Teil 1) und ihren Dual-Use-Gütern (NSG Teil 2). Sehr ärgerlich für den Praktiker ist allerdings, dass die neuen Anhänge I (NSG Teile 1 und 2) und III (MTCR) insofern unspezifisch formuliert sind, als sie weder auf eine Zolltarifnummer noch auf eine Ausfuhrlistenposition Bezug nehmen; die Einschaltung eines Exportanwaltes ist fast unweigerlich die Folge. Die Durchführungs-VO 2015/1862, ebenfalls vom 18. Oktober 2015, stellt klar, welche Personen auf den Anhängen VIII und IX gestrichen werden sollen. Vereinfacht kann man sagen: Lieferverbote werden künftig nur bestehen für die Güter des MTCR-Regimes (neuer Anhang III) sowie für Rüstungs- und Repressionsgüter; personenbezogen bestehen sie nach wie vor für Gelistete auf Anhängen VIII und IX. Genehmigungspflichten werden künftig bestehen für: nuklear verwendbare Güter und NSG-Dual-Use-Güter (neuer Anhang I), sonstige nuklear verwendbare Güter (bisheriger Anhang II), bestimmte Software (bisheriger Anhang VII A), Graphite/Metalle (bisheriger Anhang VII B) sowie für nicht gelistete Güter, die sensitiv verwendet werden können.
Lösung des Ausgangsfalls (Lieferung im November 2015)
Güterbezogen muss D prüfen, ob seine Güter gelistet sind auf der Dual-Use Güterliste und auf den Embargolisten oder ob seine Güter sensitiv verwendet werden können. Das Druckmessgerät zum Messen von Absolutdrücken ist im Zweifel von 2B230 der Dual-Use-Güterliste erfasst; nach Anhang I der VO 267/2012 ist dann seine Ausfuhr in den Iran verboten. Die mit kontrollierter Atmosphäre betriebenen Öfen sind im Zweifel gelistet von Anhang II (Nr. II.A2.006); dann ist auch ihr Export in den Iran verboten. Und die Vitonringe sind gelistet von der Genehmigungspflicht nach Anhang III (Nr. III.A1.003); dann ist für ihre Ausfuhr in den Iran eine Genehmigung des BAFA erforderlich. Die zwei erstgenannten Güter kann D nicht in den Iran exportieren, die Vitonringe nur dann, wenn er zuvor eine Genehmigung eingeholt hat.
Zusätzlich muss D Folgendes beachten: Die Bank Sepah ist auf Anhang VIII gelistet und der Spediteur HTTS auf Anhang IX; daher muss D diese beiden Dienstleister durch andere ersetzen. Nach Art. 30a muss D den Finanztransfer (bei einem Betrag ab 10.000 EUR) bei der Bundesbank vorab melden bzw. (bei einem Beitrag ab 400.000 EUR) vorab genehmigen lassen.
Lösung Abwandlung (Lieferung im Mai 2016)
Mit dem Implementation Day (ca. 30. April 2016) wird die Reform der VO 267/2012 durch die neue VO 2015/1861 wirksam. Dies hat folgende Auswirkungen: Von den bisherigen Anhängen bleibt Anhang II bestehen; für den mit kontrollierter Atmosphäre betriebenen Brennofen ist die Position II.A2.006 identisch geblieben mit der bisherigen Fassung. Das auf 2B230 gelistete Druckmessgerät kann (mit hohem Rechercheaufwand) auf dem neuen Anhang I (NSG Teil 2, Nr. 3.A.7) gefunden werden. Und die Vitonringe finden sich jetzt auf Anhang II (Nr. II.A1.003). Daher hat sich für diesen Fall güterbezogen praktisch nichts geändert, mit einer wichtigen Ausnahme: Das bisherige Iran-Verbot für Ofen und Druckmessgerät hat sich nun in eine Genehmigungspflicht umgewandelt. Bezüglich der zusätzlichen Punkte gibt es eine Änderung bei den Sanktionslisten: Ab ca. Mai 2016 wird die HTTS nicht mehr gelistet sein, während die Bank Sepah vorläufig auf Anhang VIII bleiben wird. Und eine entscheidende Änderung besteht darin, dass ca. ab Mai 2016 die vorherigen Meldungen/vorherigen Genehmigungen der Bundesbank für Finanztransfers ganz entfallen werden.
Resümee
Das EU-Iran-Embargo wird ab ca. Mai 2016 aufgrund der neuen VO 2015/1861 erheblich reformiert werden (bis zu diesem Zeitpunkt muss das Embargo wie bisher strikt beachtet werden; von daher sind häufig Vorverträge unzulässig, vgl. ExportManager Ausgabe 6/2015, S. 17 ff.). Die wichtigste Reform besteht darin, dass die bisherigen güterbezogenen Lieferverbote sich in Genehmigungspflichten umwandeln, abgesehen von raketenbezogenen Lieferungen (neuer Anhang III) sowie Rüstungs- und Repressionsgütern. Jetzt dominiert also die Genehmigungspflicht anstelle des Lieferverbotes. Und die Güter- und Personenlisten werden in etwa halbiert sein; so werden anstelle aller gelisteten Dual-Use-Güter nur noch nuklear nutzbare Güter erfasst sein (Anhänge I und II). Dies wird zu einer umfassenden Liberalisierung des Iran-Handels beitragen. Weil die Beschränkungen für Finanztransfers nach Art. 30 ff. ganz wegfallen, sollten die Banken sich ermutigt fühlen, wieder in vollem Umfang Finanzierungen für das Iran-Geschäft zu übernehmen. Umfassend wird das aber möglicherweise bei Banken, die auch das US-Geschäft betreiben, nur dann gelingen, wenn auch das US-Iran-Embargo die Beschränkungen für US-Personen ganz aufheben wird.
Die Annahme, dass ca. ab Mai 2016 alle Beschränkungen entfallen werden, wäre ein grobes Missverständnis, da zahlreiche Beschränkungen bis ca. Oktober 2023 bestehen bleiben werden. Negativ ist zu vermerken, dass die neuen Güterlisten derart bürokratisch formuliert sind, dass sie für viele Praktiker nahezu unlesbar sind. Es wird zwar zu einer erheblichen Liberalisierung des Iran-Handels kommen, aber um hiervon profitieren zu können, werden zumindest Mittelständler auf professionelle Hilfe angewiesen sein, weil die Komplexität der Regelungen weiter zunimmt.
Kontakt: info@hohmann-rechtsanwaelte.com