Vietnam steuert mit der Unterzeichnung der Trans-Pacific Partnership (TPP) auf eine neue Phase der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu. Das Land wird zur Schnittstelle zwischen der ASEAN und den TPP-Mitgliedsländern. Vietnamesische Hersteller werden sich noch stärker in die weltweiten Produktions- und Lieferketten integrieren. Dadurch ergeben sich große Absatzmöglichkeiten für deutsche Maschinenbaufirmen und eine Produktionsalternative zu China.
Das folgende Interview mit Oliver Massmann, Kanzlei Duane Morris, Vietnam, führte Christine Heinze, Director, Bayerische Landesbank, im Rahmen des BayernLB Trade & Export Finance Day.
Heinze: Wie schätzen Sie die aktuelle und zukünftige wirtschaftliche Lage Vietnams ein?
Massmann: Vietnam ist, wirtschaftlich gesehen, sehr gut für die Zukunft aufgestellt. Das Wirtschaftswachstum betrug im vergangenen Jahr knapp 6% und führte zu einem Bruttoinlandsprodukt von 187,5 Mrd USD. Außerdem bietet die vietnamesische Bevölkerung einen wachsenden Anteil an Arbeitskräften, so sind derzeit 60% der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Das Durchschnittsalter liegt bei 27,8 Jahren und somit unter dem weltweiten Durchschnitt. Die demographische Dividende wird sich in Zukunft bemerkbar machen. Vietnam erwirtschaftet 80% seines Bruttoinlandsprodukts im Export. Für ein solch exportorientiertes Land hat ein Freihandelsabkommen enorme Bedeutung und Auswirkungen. Vietnam ist aber auch bedeutend für die umliegenden Volkswirtschaften und für die Weltwirtschaft.
Heinze: Ist Ihrer Meinung nach das neue vietnamesische Investitionsrecht maßgeblich für das weitere Anziehen der dortigen Wirtschaft?
Massmann: Neue Definitionen, Regelungen und Zeitspannen führen zu einer starken Vereinfachung. Dies wird, u.a. durch erhöhte Investitionen aufgrund steigender Attraktivität für Investoren, einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in Vietnam haben. Die wesentlichen Vorteile sind die Verringerung der verbotenen und begrenzt möglichen Geschäftstätigkeiten, flexiblere M&A- Regelungen und eine Erleichterung der Stammkapitalregularien.
Heinze: Vietnam hat 2015 weitere Ab-kommen abgeschlossen. Was ist die TPP und wie stark kann sie die Wirtschaft der einzelnen Mitglieder, v.a. Vietnams, beeinflussen?
Massmann: Die Transpazifische Partnerschaft (TPP) ist bisher das größte Freihandelsabkommen und deckt 37,6% des globalen Bruttoinlandsprodukts ab. Unterzeichner sind u.a. die USA, Australien, Japan, Malaysia und Singapur. Die Kernbestimmungen des Abkommens beschäftigen sich mit den Themen Arbeitsnormen, Handel und Umwelt, Investitionen, Wettbewerbspolitik sowie Marktzugang.
Regionalen Herstellern wird somit die Möglichkeit eröffnet, in weltweite Lieferketten einzutreten. Der erweiterte Marktzugang wird die Wirtschaft ankurbeln. Für Vietnam spielt die TPP eine besondere Rolle, da seine wichtigsten Handelspartner – USA und Japan – darin vertreten sind. Vietnam kann in Zukunft ca. 30% seines Außenhandels über die TPP abwickeln. Die erheblichen Handelserleichterungen werden laut Berechnung des World Economic Forum zu einem Zuwachs des vietnamesischen BIP um 28,2% in den nächsten zehn Jahren führen.
Heinze: Was ist für Sie der außergewöhnlichste Charakterzug der TPP?
Massmann: Innerhalb der TPP wird jedem Land die Möglichkeit geboten (sollten Rechtsstreitigkeiten entstehen), den dem Abkommen zuwiderhandelnden Partner in seinem eigenen Land zu verklagen. Ist zum Beispiel ein amerikanisches Unternehmen der Ansicht, ein vietnamesischer Zuschlag für eine Ausschreibung sei nicht rechtskonform, so hat das amerikanische Unternehmen die Möglichkeit, Vietnam auf US-Boden nach US-Recht zu verklagen.
Heinze: Auch die EU hat die Bedeutung Vietnams erkannt und unterzeichnete ein Freihandelsabkommen, welches 2017 ratifiziert werden soll. Worin bestehen die Vorteile?
Massmann: Dies ist das zweite Freihandelsabkommen der EU mit einem ASEAN-Staat, daher gestaltet sich der Inhalt ähnlich. Die Kernthemen sind Zölle, der Handel mit Waren, Investitionen, Wettbewerbsrechte und nachhaltige Entwicklung. Konkret werden nach dem Abkommen zwischen der EU und Vietnam 99% aller Zölle in einem Zeitraum von sieben Jahren wegfallen. Der vietnamesische Markt wird hierbei für alle europäischen Lebensmittel geöffnet, wohingegen der Fokus der EU zu Beginn auf dem Textil- und dem Schuhsektor liegt.
Heinze: Wie beurteilen Sie somit die Gesamtentwicklung Vietnams in den folgenden Jahren?
Massmann: Vietnam hat zwei sehr bedeutende Handelsabkommen vor sich, durch die es sich wirtschaftlich immer mehr an Industriestaaten annähert und Teil von deren Liefer- und Produktionsketten wird. Die Öffnung westlicher Märkte wird bei gleichbleibender wirtschaftlicher Situation am Gesamtmarkt einen stabilen Aufschwung für Vietnam bringen.
Neben den Ländern Brunei, Malaysia und Singapur stellt Vietnam die Schnittstelle zwischen ASEAN und der TPP dar. Vietnam ist jedoch klar in führender Rolle innerhalb dieser vier Länder – sowohl aus makro- als auch aus mikroökonomischer Sicht.
So kann Vietnam im Zuge der TPP davon profitieren, dass China nicht Teil des Abkommens ist. Chinesische Hersteller und Unternehmen werden gezwungen, Standorte in Vietnam zu eröffnen und dort zu produzieren, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben und alle bisherigen Kunden bedienen zu können, da gleichbleibende Lieferbedingungen aus China teurer sein werden. Dies wird wiederum zu einem starken Anstieg der vietnamesischen Wirtschaft führen und sowohl BIP als auch Export stimulieren.
Heinze: Sehen Sie Vorteile für deutsche Unternehmen durch die Unterzeichnung der TPP entstehen?
Massmann: Die Wertschöpfungskette der im TPP-Raum gehandelten Produkte ist im Abkommen festgelegt. Demnach müssen jene Produkte, welche unter den Bedingungen der TPP gehandelt werden, auch im exportierenden Land produziert werden. Deutschen Maschinenherstellern wird die Möglichkeit gegeben, das Eröffnen dieser Wertschöpfungskette zu begleiten und v.a. vietnamesische Textilproduzenten mit Maschinen zu beliefern. Das Hauptaugenmerk des vietnamesischen Exports liegt auf dem Textilbereich, 100% des Garns, das für die Textilproduktion in Vietnam verwendet wurde, war chinesischen Ursprungs. Um nun die Textilprodukte gemäß den TPP-Freihandelsbedingungen verkaufen zu können, muss das Garn nun auch in Vietnam produziert werden. Hierfür bedarf es moderner Maschinen, wobei Vietnam nicht in der Lage ist, diese selbst zu produzieren.
Heinze: Wie müssen sich deutsche Unternehmen aufstellen, um an der Entwicklung zu partizipieren?
Massmann: Es ist wichtig, dass deutsche Unternehmen vor Ort präsent sind, sei es durch einen Handelsvertreter, eine Repräsentanz oder eine Niederlassung.
Kontakt: OMassmann@duanemorris.com, Christine.Heinze@bayernlb.de