Firmen, die Geschäfte mit und in Russland tätigen wollen, aber auch Transport- und Speditionsunternehmen, die Waren in die Russische Föderation (RF) disponieren oder transportieren, sind gut beraten, sich vorab eingehend über die Embargomaßnahmen zu informieren, die für EU-Staaten, aber auch in den USA und eventuell anderen Länder gelten, in denen sie tätig sind. Andernfalls laufen sie Gefahr, als Sanktionsbrecher zu Geld- und/oder Gefängnisstrafen verurteilt zu werden.

Eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland steht im Raum. Handel ist trotzdem möglich. Aber die Anforderungen an Firmen für einen rechtskonformen Warenverkehr mit der Russischen Föderation sind hoch.

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Der Handel mit Russland steht aktuell wieder einmal in der Kritik. Mitglieder des deutschen Bundestags rufen nach zusätzlichen Sanktionen, um Kreml-Chef Wladimir Putin für seine Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien zu bestrafen und zu Verhandlungen mit der Türkei zu bewegen. Mehrere ranghohe US-Demokraten fordern von der Trump-Regierung, nach Berichten über eine mögliche Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahl 2020, die bestehenden Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Der Prozess in den Niederlanden zur Aufklärung des Abschusses von Flug MH17 über der Ukraine, bei dem 298 Menschen starben, und in dem Russland auf der Anklagebank sitzt, vergiftet die Atmosphäre zusätzlich.

EU-Sanktionen

Die Europäische Union hat erwartungsgemäß im März einzelne Sanktionen gegen russische Bürger um sechs Monate verlängert. Die schwarze Liste umfasst 171 Personen, darunter Bürger Russlands und der Ukraine sowie 44 juristische Personen, hauptsächlich Behörden und Militärformationen, die die Volksrepubliken Donezk und Lugansk ausgerufen haben. Allen diesen Personen ist die Einreise in die EU verboten. Ihr Vermögen wird eingefroren, wenn es in europäischen Banken gefunden wird. Seit 2014 wurde die personenbezogene EU-Sanktionsliste 16-mal erweitert, zuletzt 2018 wegen des Vorfalls in der Straße von Kertsch.

Der Russland-Handel unterliegt derzeit mehreren EU-Sanktionspaketen. Die sektoralen Sanktionen umfassen ein Waffenembargo (Export- und Importverbot), ein Lieferverbot für Güter mit doppeltem ­Verwendungszweck (Dual-Use-Waren) für militärische Endnutzer sowie ein Verbot von Lieferungen an ausdrücklich benannte „Mischempfänger“ (Unternehmen mit militärischer und ziviler Sparte). Für die Ölindustrie dürfen bestimmte Produkte nicht geliefert und Dienstleistungen (insbesondere Bohrungen) nicht erbracht werden, wenn sie für die Bereiche Erdölexploration und -förderung in der Tiefsee und der Arktis sowie bei Schieferölprojekten in Russland eingesetzt werden sollen. Darüber hinaus besteht ein Verbot für Exporte auf die Halbinsel Krim.

US-Sanktionen

Europäische Unternehmen, die mit US-Firmen Handel treiben, Niederlassungen in den USA unterhalten oder US-Technologie in der Warenproduktion nutzen, sollten unbedingt auch die US-Sanktionsbestimmungen hinsichtlich Russlands beachten. Diese betreffen Militärgüter und Teile, Produkte und Services für den Energiesektor, Finanzdienstleistungen, Dual-Use-Güter, aber auch Veredlungsverkehre, Mustersendungen und Blaupausen. Relevant sind u.a. „CAATSA – Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (2017)“, „Chemical and Biological Weapons Control and Warfare Elimination Act/CBW (2018)“ sowie „Protecting Europe’s Energy Security 2019“, ein Gesetz zur Verhinderung von Nord Stream II und Turkish Stream, das bisher sehr effektiv gewirkt hat.

Darüber hinaus gibt es eine personen- und firmenbezogene Sanktionsliste (SDN-List – „Specially Designated Nationals List“) des OFAC (Office of Foreign Assets Control). Diese wird kontinuierlich überarbeitet. Für US-Personen gilt ein komplettes Transaktionsverbot (Güter- und Geldtransfer) mit in SDN-Listen aufgeführten natürlichen und juristischen Personen sowie auch mit Unternehmen, die sich zu 50% oder mehr im Eigentum von Gelisteten befinden. Als „US-Person“ gelten dabei nicht nur US-Staatsbürger und Green-Card-Holder, sondern auch alle Personen während ihres Aufenthalts in den USA sowie US-Unternehmen. Nicht-US-Personen (europäische Unternehmen) sind dann betroffen, wenn sie „knowingly facilitate a significant transaction … for or on behalf“ eines SDN-Gelisteten. Nicht-signifikante Transaktionen bleiben daher formal nicht betroffen. Allerdings ist unklar, wann eine Transaktion als „signifikant“ zu bewerten ist.

Ausfuhrkontrollen

Firmen, die Geschäfte mit und in Russland tätigen wollen, aber auch Transport- und Speditionsunternehmen, die Waren in die Russische Föderation (RF) disponieren oder transportieren, sind gut beraten, sich vorab eingehend über die Embargomaßnahmen zu informieren, die für EU-Staaten, aber auch in den USA und eventuell anderen Länder gelten, in denen sie tätig sind. Andernfalls laufen sie Gefahr, als Sanktionsbrecher zu Geld- und/oder Gefängnisstrafen verurteilt zu werden.

Die Sanktionsbestimmungen anderer Länder unterscheiden sich zum Teil erheblich von denen der EU. Darüber hinaus verfolgen die USA Sanktionsverstöße auch außerhalb der USA, insoweit US-amerikanische Produkte, Teile, Technologie, Veredlungsverkehre, Mustersendungen, Blaupausen etc. involviert sind.

EU-Exporteure sollten zudem die Eigentümerschaft ihrer russischen Geschäftspartner sorgfältig prüfen, und diese Prüfungen und Geschäfte dokumentieren, um ggfs. beweisen zu können, dass die Transaktion mit einem SDN-Gelisteten nicht als „signifikant“ einzustufen ist. Keinesfalls sollten Transaktionen in US-Dollar mit SDN-Gelisteten (und deren Töchtern zu 50% oder mehr) durchgeführt werden.

Zölle, Steuern und Gebühren

Neben den anhaltenden Sanktionen behindern der schwache Russische Rubel, eine stark entwickelte Bürokratie und hohe Zollabgaben den Handel mit Russland. Trotz WTO-Mitgliedschaft (seit 2012) verstößt Russland immer wieder mit tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen gegen WTO-Regeln.

In Russland, das dem regionalen Wirtschaftsbündnis EAWU (Eurasische Wirtschaftsunion mit Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan und Armenien) angehört, gilt ein einheitlicher Zolltarif, der in Anlehnung an die Warennomenklatur des Harmonisierten Systems (HS) aufgebaut wurde. Seit dem 1. Januar 2014 müssen alle Waren beim russischen Zoll in elektronischer Form angemeldet werden. Ebenso müssen alle Begleitdokumente elektronisch übermittelt werden. Die Verzollung der Ware kann unmittelbar an der Grenze oder an einem entsprechenden Binnenzollamt erfolgen. Bei Landtransporten beginnt der Verzollungsprozess an der Grenze zur Russischen Föderation (RF).

Beim Import von Waren in das Gebiet der RF wird neben dem Zoll eine Mehrwertsteuer erhoben, die beim Verbringen von Waren in ein Frei- oder Zolllager, eine ­Freihandelszone, beim Transit, zollfreien Handel, bei einer Wiederausfuhr oder Vernichtung und Aufgabe zugunsten des Staates entfällt. Auf bestimmte Waren (u.a. Tabakwaren, alkoholische Getränke, Beförderungsmittel, Erdölprodukte) wird außerdem beim Import eine Verbrauchsteuer erhoben. Diese Waren können nur über bestimmte Zollämter eingeführt und mit einer „Akzisemarke“ verkauft werden. Ferner unterliegen zahlreiche Waren (z.B. Industrieabfälle, Edelmetalle, pharma­zeutische Produkte, medizinische Apparate und Geräte, Sprengstoffe, Waffen und Munition, textile Bodenbeläge, Pflanzenschutzmittel, Tabak, alkoholische Getränke) einer Einfuhrlizenz.

Für zahlreiche Importwaren (z.B. Möbel, Erzeugnisse für Kinder, Konsumgüter, Lebensmittel, elektrische und elektronische Geräte, Kosmetik- und Parfümerie­artikel) muss ein Konformitätsnachweis (dass sie den lokalen Vorschriften entsprechen) erbracht werden. Dieser wird durch das Anbringen eines Konformitätszeichens (EAC-Zeichen) auf der betreffenden Ware selbst, auf der technischen Begleitdokumentation, auf dem Label oder auf der Verpackung bestätigt. Die Liste der zertifizierungspflichtigen Produkte ändert sich ständig. Darüber hinaus muss eine Reihe von Waren (Kosmetikprodukte, Trinkwasser, Hygieneartikel, Haushaltschemie) staatlich registriert werden. Ohne Konformitätsnachweis respektive Registrierung ist eine Verzollung nicht möglich.

Präventives Handeln

Informationen über Sanktionsmaßnahmen und Zolltarife im Handel mit der RF können bei Wirtschafts- und Handelskammern abgefragt werden. In Anbetracht der Komplexitäten von Handelsgeschäften mit russischen Firmen empfiehlt es sich jedoch – selbst für KMUs –, in eine IT-Lösung mit topaktueller Datenbank zu investieren. Sie unterstützt die Suche nach der richtigen Zolltarifnummer und Exportkontrollgüterlistennummer sowie Sanktionslistenprüfungen.

Innovative, ausgefeilte Systeme informieren Unternehmen außerdem, welche Vorschriften bei der Ausfuhr aus Deutschland und der Einfuhr in Russland zu beachten, welche Dokumente notwendig und wie hoch die Zollsätze und die Mehrwertsteuer sind. Sie managen das Einholen und die Verwaltung von Ursprungszeugnissen. Und sie zeigen dem Nutzer, wo für ihn als Industrie- und Handelsunternehmen oder Logistikdienstleister, insbesondere als AEO, Risiken bestehen.

Gerade im Russland-Handel ist es empfehlenswert, das Sanktionslistenscreening durch verschiedene andere Complianceprogramme (zur Verhinderung von Geldwäsche, Bestechung, zum Datenschutz …) zu ergänzen. Zu guter Letzt dokumentieren solche IT-Systeme firmeninterne Exportkontrollen für Behördennachfragen, Firmenaudits und Rechtsfälle.

Speditions- und Transportfirmen wird empfohlen, alle Dokumente vor dem Transport nochmals einer Complianceprüfung zu unterziehen. Die Unternehmen dürfen sich nicht auf den Auftraggeber verlassen, denn sie machen sich mitschuldig, wenn sie sanktionierte Waren oder Waren an sanktionierte Firmen/Personen befördern.

Fazit

Der Handel mit Russland unterliegt vielfältigen Sanktionen, tarifären und nicht-tarifären Handelsbestimmungen. Es gibt seit 2014 keine Verhandlungen über Handels- und Investitionsbestimmungen, geschweige denn über ein Freihandelsabkommen. In Anbetracht hoher Strafen bei Gesetzesverstößen in der EU und Russland ist es ratsam, einen sorgfältigen IT-gestützten Export- und Importprozess mit einer starken Eigenkontrolle zusammen mit den russischen Handelspartnern aufzusetzen. Durch strukturiertes Vorgehen und mit den richtigen Maßnahmen und Werkzeugen sowie menschlichen und finanziellen Ressourcen lässt sich der Kontrollaufwand erheblich reduzieren, so dass der Nutzen des minimierten Risikos in den Vordergrund treten kann.

arnemielken@e2open.com

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