In seiner jährlichen Untersuchung der großen Unternehmen Mittel- und Osteuropas1) konnte der Kreditversicherer Coface der Region Mittel- und Osteuropa erneut günstige Rahmenbedingungen und rückläufige Insolvenzzahlen attestieren. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in den östlichen EU-Staaten und Osteuropas stieg nach dem starken Wachstum von 3,5% im Jahr 2015 auch 2016 um 2,9%.

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„Das gute makroökonomische Umfeld wirkte sich positiv auf die Geschäftstätigkeit aus. Die Region verzeichnete rückläufige Unternehmensinsolvenzen von 14% 2015 und 6% 2016“, erklärt Katarzyna Kompowska, CEO Coface Mittel- und Osteuropa. „Darüber hinaus beobachten wir eine verbesserte Situation auf den Arbeitsmärkten, die zu den niedrigsten Arbeitslosenquoten seit Beginn der Aufzeichnungen führte. Steigende Löhne, eine niedrige Inflation und eine verbesserte Konsumentenstimmung ließen den Privatkonsum zur bedeutendsten trei­benden Kraft hinter der wirtschaftlichen Expansion werden, was sich auf einige Sektoren in der Region positiv auswirkte.“

Top-500-Unternehmen: Umsatz sinkt, Beschäftigtenzahl steigt

Mit Umsätzen von rund 580 Mrd EUR mussten die Big Player einen Rückgang von 0,6% hinnehmen, die Nettogewinne sanken sogar um 3,1% auf 26,3 Mrd EUR. Im Gegensatz zu den Umsatz- und Gewinneinbußen boomten die Beschäftigungsquoten. Die Top Player beschäftigten 4,5% der gesamten Erwerbsbevölkerung in der Region und erhöhten ihre Mitarbeiterzahl deutlich um 3,9% auf 2,24 Millionen Beschäftigte. Diese Entwicklung spiegelte sich in den rückläufigen Arbeitslosenquoten in der Region wider. In zehn Ländern ging die Arbeitslosenquote sogar um mehr als 10% zurück. In Ungarn betrug die Verringerung 25%, die Quote erreichte 5,1%. In der Tschechischen Republik sank die Quote um 21,6% auf 4%, die niedrigste der gesamten Region. In den meisten zentral- und osteuropäischen Ländern sind die Arbeitslosenraten sogar noch niedriger als in Westeuropa. Estland ist das einzige Land, das mit 6,8% (+9,7%) eine höhere Arbeitslosenquote als im Vorjahr registrierte.

Unterschiede in den Branchen: ­Automobil im Aufwärts-, Öl und Gas im Abwärtstrend

Die Analyse nach Sektoren zeigt einen Markt im Wandel. Traditionelle Industrien verzeichnen einen rückläufigen Trend, und neue befinden sich auf der Überholspur. Obwohl neun der 13 Branchen ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr erhöhen konnten, sank der Gesamtumsatz um 0,6%. Dieser Umsatzrückgang ist vor allem auf Sektoren wie Öl und Gas (–5,4%), Energie (–7,3%) und Metall (–6,4%) zurückzuführen. Die Verluste in diesen Branchen waren zu groß, um die positive Entwicklung der anderen auszugleichen.

Über die vergangenen Jahre verzeichnete die Öl- und Gasindustrie, die bisher das Ranking dominierte, einen Abwärtstrend. 2016 verblieben 92 Unternehmen (18,4%) dieses Sektors unter den größten 500 Unternehmen, verglichen mit 111 im Jahr 2015 (22,2%). Die Probleme in dieser Branche sind auf den schwierigen globalen Rohstoffmarkt zurückzuführen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen aus dieser Branche büßte Plätze im Ranking ein.

Der Automobil- und Transportsektor nahm mit einem Umsatz von 128 Mrd EUR den Spitzenplatz ein. In der EU stiegen die Pkw-Neuzulassungen um zirka 7%. Diese stärkere Nachfrage wirkte sich positiv auf die Fahrzeugproduzenten in Mittel- und Osteuropa aus. Produktionsbetriebe und Hersteller von Komponenten und Ersatzteilen erhöhten ihre Kapazitäten für Westeuropa als wichtigstes Exportziel. Im Jahr 2016 kam jedes fünfte Unternehmen unter den CEE Top 500 aus dieser Indus-trie, während es im Jahr 2015 noch 17% waren. Die Umsatzerlöse stiegen um 8,6% und der Gewinn um 6,8%.

Insolvenzen in MOE

Die Insolvenzzahlen für Mittel- und Osteuropa zeigten 2016 eine insgesamt positive Entwicklung für die Region. Die Unternehmensinsolvenzen sanken nach 2015 (–14%) auch 2016 um 6%. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr nur sechs von 1.000 Unternehmen in MOE pleite. Diese positive Entwicklung ist auf das günstige makroökonomische Umfeld zurückzuführen, bedingt durch Verbesserungen am Arbeitsmarkt mit niedrigeren Arbeitslosenquoten und steigenden Löhnen. Der Ausblick ist positiv.

Die Studie zeigt in den 14 untersuchten Ländern sehr unterschiedliche Entwicklungen. Acht Länder meldeten für 2016 weniger Insolvenzen, allen voran Bulgarien mit einem Rückgang von 35,6%. Ungarn musste dagegen 56,9% mehr Unternehmensinsolvenzen als im Vorjahr verzeichnen. Der starke Anstieg ist vor allem auf eine höhere Anzahl der von Amts wegen initiierten Anträge zurückzuführen, die in den Statistiken von 2015 kaum berücksichtigt wurden. In Litauen stieg die Anzahl aufgrund der proaktiven Prüfung und Bereinigung durch die Steuerbehörde um 35,2%. In Polen wiederum ist der Anstieg von 2,6% auf Gesetzesnovellen zurückzuführen, die insolvente Unternehmen, aber auch solche mit Zahlungsschwierigkeiten betrafen.

Bausektor bleibt Negativperformer

Während einige Branchen im vergangenen Jahr einen Aufschwung verspürten, hatten andere mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen, besonders der Bausektor. Die Entwicklungen in den einzelnen Ländern waren unterschiedlich, wobei ein gemeinsamer Trend in der Region erkennbar war. Die Volkswirtschaften in MOE waren von der Umstellung auf das neue EU-Budget und den niedrigeren Investitionen betroffen, gepaart mit einem schwachen Wirtschaftswachstum, das von 3,5% 2015 auf 2,9% 2016 gesunken war. Zudem verzeichneten die meisten Länder einen deutlichen Rückgang der Bautätigkeiten, der zu Liquiditätsengpässen bei Bauunternehmen führte. In Estland, Ungarn und Russland entfielen 20% aller Insolvenzen auf den Bausektor.

Positiver Ausblick auf die kommenden Jahre

Nach einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den MOE-Volkswirtschaften im vergangenen Jahr dürfte sich die Wirtschaft wieder erholt haben. „Coface prognostiziert eine durchschnittliche Wachstumsrate in Mittel- und Osteuropa von 3,4% für 2017 und von 3,3% für 2018. Angetrieben wird die Entwicklung vom stabilen Wachstum des Privatkonsums, das durch weitere Verbesserungen am Arbeitsmarkt gestützt wird. Diese Situation hat Ende 2016 zu einer Inflation der Preise geführt, was den privaten Konsum zwar beeinträchtigen kann, er bleibt jedoch stabil und ein wichtiger Treiber“, ergänzt Grzegorz Sielewicz, Regional Economist Coface Mittel- und Osteuropa.

Auch der Rückgang der Unternehmensinsolvenzen dürfte anhalten. Sie werden nach Ansicht von Coface um 3,9% in diesem Jahr und um weitere 2,3% 2018 sinken. „Die Beschleunigung des BIP-Wachstums und die Wiederbelebung der Investitionstätigkeiten sind deutlich positive Anzeichen für Unternehmen“, erklärt Sielewicz. „Ein neuer Schwung an Infrastrukturprojekten, ein stabiler Privatkonsum und die positive Entwicklung der Auslandsmärkte kurbeln die Wirtschaft an.“

Die Belebung der Investitionstätigkeit wäre für Sektoren wie Bau, Transport und Hersteller von Maschinen, Baugeräten und Baustoffen besonders wichtig. Dennoch bleibt der Mangel an Arbeitskräften für viele expandierende Unternehmen eine Bedrohung. Zusätzlich bestehen Unsicherheiten aufgrund der weltweiten wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, wie den negativen Auswirkungen des Brexits und den Unsicherheiten in Westeuropa, nicht zuletzt wegen der bevorstehenden Wahlen in Italien. Auch in der Tschechischen Republik, Polen und Rumänien lauern politische Hemmnisse.

Die ausführlichen Studien zu den CEE Top 500 und zu den Insolvenzen in MOE sind unter www.coface.de verfügbar.

Fußnote: 1) Der internationale Kreditversicherer Coface veröffentlichte die Studie der „CEE Top 500“. Die 500 größten Unternehmen in Mittel- und Osteuropa werden nach Umsatz gereiht und zusätzlich nach Faktoren, wie Anzahl der Mitarbeiter, Rahmenbedingungen der einzelnen Unternehmen, Branchen und Märkte, analysiert. Die Entwicklung in den größten Unternehmen spiegelt die Situation in der gesamten Region wider.

erich.hieronimus@coface.com

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